Ein Ballon aus Pässen

Passhandel in der EU Staatsbürgerschaft für Superreiche

Stand: 23.11.2017 16:37 Uhr

Pass-Handel für die Geld-Elite: Superreiche können sich durch Investitionen in europäischen Ländern eine EU-Staatsbürgerschaft einfach erkaufen. Der Handel boomt - und die Hintergründe sind durchaus fragwürdig.

Von Johannes Edelhoff und Christian Salewski, NDR

Die Sonne versinkt bereits langsam im Meer, als Robert de Niro durch ein Spalier aus Hostessen über den roten Teppich schlendert, hinein in das klimatisierte Veranstaltungszelt des Global Citizen Forums in Montenegro. Der Schauspieler steigt auf die Bühne, auf der in den Tagen zuvor bereits Grammy-Gewinner, Konzernlenker und  Regierungschefs gesprochen haben und erklärt, dass es hier darum gehe, "Teil einer Weltgemeinschaft zu sein, in der sich jeder gegenseitig hilft".

Robert De Niro

Prominenter Besuch Global Citizen Forum: Der Schauspieler Robert de Niro.

Die etwas mehr als 400 Männer und Frauen aus aller Welt, die sich hier versammelt haben, applaudieren begeistert. Sie verstehen sich als "Global Citizens", als die Vorhut einer globalen Elite, die es jedem Menschen ermöglichen will, sich auf der ganzen Welt frei zu bewegen, Zugang zu höchster Lebensqualität, zu bester Gesundheitsversorgung und Bildung zu haben und seine Familie in Sicherheit und Frieden zu wissen. Das Problem ist nur: Diese Menschen müssen dafür sehr, sehr reich sein. So reich, dass sie sich mal eben für bis zu zwei Millionen Euro eine Staatsbürgerschaft kaufen können.

Es handelt sich also nicht um einen Menschenrechtskongress, sondern um eine Party von Passverkäufern - unter dem Deckmantel einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Der "Ober-Passverkäufer" ist Armand Arton, er hat das Global Citizen Forum organisiert. Er arbeitet eng mit 13 Ländern zusammen,  die reichen Ausländern Aufenthaltstitel und  Staatsbürgerschaften gewähren. Darunter sind auch EU-Staaten wie Malta, Zypern, Bulgarien oder Portugal. Arton kümmert sich um den Vertrieb. Man könnte auch sagen: Diese Länder verkaufen ihre Nationalität an Superreiche, und Armand Arton ist ihr Dealer.

Ein Ballon wird hell erleuchtet

Party am Veranstaltungsort: Rund 400 Frauen und Männer nehmen an dem Event in Montenegro teil.

Die Staatsbürgerschaft, eigentlich die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, mit der Rechte und Pflichten einhergehen, ist zur schnöden Ware für Wohlbetuchte geworden, seit immer mehr Länder sogenannte "Citizenship by Investment"-Programme auflegen. Der Deal läuft immer ähnlich ab: Ein Investor steckt einen Haufen Geld in Immobilien, Firmen oder Staatsanleihen und erhält dafür nach einer gewissen Zeit den Pass des Landes. Auf Zypern sind es zwei Millionen Euro, auf Malta 1,15 Millionen, in Bulgarien eine Million, in Portugal, dem Pass-Discounter, reichen schon 500.000 Euro.

Armand Arton

Armand Arton, Organisator des Global Citizen Forums.

Arton macht keinen Hehl daraus, wer seine Kunden sind: "Es sind die Mitglieder des obersten Prozents, die in eine zweite Staatsangehörigkeit investieren, um das einzige zu beheben, das außerhalb ihrer Macht liegt: der Geburtsort, der ihre Möglichkeiten einschränkt." 90 Prozent der "wohlhabenden Migranten" kommen Arton zufolge aus Asien, dem arabischen Raum, Russland oder Afrika. An jedem Pass, den sie bei Arton kaufen, verdient er bis zu 60.000 Euro. Seinen Schätzungen zufolge fließen im Tausch gegen EU-Pässe und Aufenthaltstitel rund sieben Milliarden Euro pro Jahr nach Europa. Das Geschäft boomt, in Branchenkreisen ist von Wachstumsraten von bis zu 30 Prozent pro Jahr die Rede. Kein Wunder, schließlich gibt es weltweit immer mehr Superreiche.

Ein Immobilienboom für Luxusobjekte

Doch das meiste Geld fließt in Luxus-Immobilien, von denen weder Normalbürger noch die Wirtschaft insgesamt nennenswert profitieren. In Portugals Hauptstadt Lissabon ist durch das Passprogramm ein Immobilienboom ausgebrochen: Der Makler Francisco Guerra verkauft dort sogenannte "Golden Visa"-Objekte: Wohnungen, die mindestens 500.000 Euro kosten - genau die Summe, die am Ende einen portugiesischen Pass bringt. Die Wohnungen sind klein, aber extrem luxuriös - mit über drei Meter Deckenhöhe und Bädern aus Marmor. Die Investoren wohnen in ihnen dennoch nicht. Im besten Fall werden sie als Ferienwohnungen genutzt, denn die Miete wäre für Normalbürger viel zu hoch.

Luxuswohnung in Lissabon

Luxuswohnung in Lissabon: Durch das Passprogramm ist ein Immobilienboom in Portugals Hauptstadt ausgebrochen.

Die angeblichen Segnungen des Passverkaufs scheinen also mehr als fragwürdig. Und es kommen auch nicht nur wohlhabende Aserbaidschaner mit einem Faible für Disneyland. Experten wie der EU-Abgeordnete Sven Giegold (Bündnis 90 / Die Grünen) gehen davon aus, dass Passverkaufsprogramme im großen Stil zur Geldwäsche genutzt werden. Die Passverkäufer argumentieren, man prüfe jeden Einzelfall gründlich, doch es gibt immer wieder Fälle, in denen das Geld, das nach Europa fließt, aus trüben Quellen stammt.

Otavio Azevedo

Auch der der Brasilianer Otavio Azevedo ist im Besitz einer Luxuswohnung in Lissabon.

Geldwäsche und Korruption

Wie etwa im Fall des brasilianischen Multimillionärs Otavio Azevedo, der sich im reichen Lissaboner Stadtteil Lapa für 1,4 Millionen Euro eine Wohnung gekauft hat. In seiner alten Heimat wurde der Neu-Portugiese und ehemalige Chef des Baukonzerns Andrade Guiterres wegen Korruption und Schmiergeldzahlungen zu 18 Jahren Hausarrest verurteilt.

Ebenfalls investiert hat Manuel Vicente, Vizepräsident des ölreichen Angola, gegen den in Portugal wegen Korruption ermittelt wird. Seine Anwälte schreiben, die Vorwürfe seien falsch und unfair. Das portugiesische Innenministerium teilt mit, man kommentiere keine Einzelfälle, alle Prüfungen verfügten aber über angemessene Instrumente, um die Rechtmäßigkeit und Sicherheit zu gewährleisten.

Zurück in Montenegro läuft derweil der Soundcheck für die große Party am Abend. US-Superstar Wyclef Jean wird spielen, die Grammy-Gewinner Akon und Eve sind auch gebucht. Das Land - nebenbei ein aussichtsreicher EU-Beitrittskandidat - will auch demnächst Pässe verkaufen. Premierminister Duško Marković, der fast für die gesamte Dauer der zweitägigen Veranstaltung vor Ort ist, hält große Stücke auf Veranstalter Arton. "Seine Ideen sind sehr wertvoll für uns", sagt der Regierungschef, "wir werden mit ihm kooperieren". Armand Arton wird also bald einen Pass mehr im Angebot haben.

Und was ist aus dem Altruismus geworden? Am Ende kommen bei der "Wohltätigkeits-Party" rund 400.000 US Dollar für den Aufbau einer Schule sowie 50.000 US Dollar für die Cherie Blair Stiftung zusammen. Viel Geld, aber es würde nicht für einen einzigen EU-Pass reichen.

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