Ein malischer Soldat bespricht während einer EUTM-Übung mit einem deutschen Ausbilder im Geländesandkasten eine Manöverstrategie.

Bundeswehr in Mali Riskante Mission im "Wilden Westen"

Stand: 12.11.2018 12:20 Uhr

Die Bundeswehr übernimmt heute das Kommando der EU-Mission in Mali. Warum kommt das Land nicht zur Ruhe, das die Einwohner schon als "Wilden Westen" beschreiben?

Keine 200 Kilometer westlich der Hauptstadt Bamako fielen bewaffnete Islamisten in ein Dorf ein. Malische Soldaten waren schnell vor Ort und konnten sie vertreiben. Dieser Zwischenfall vor wenigen Tagen lief gerade nochmal glimpflich ab. Die Gefahr wurde unblutig gebannt - darauf ist der Generalstab der malischen Armee stolz. Doch solche Erfolge sind selten.

Das weiß auch Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita. Im September trat er seine zweite Amtszeit an, nach einer Wahl, bei der viele Menschen aus Angst vor Gewalt gar nicht abstimmen konnten. "Unsere Prioritäten haben sich nicht verändert: Wir müssen vor allem die nationale Einheit bewahren, den sozialen Zusammenhalt und die Sicherheit im gesamten Staatsgebiet Malis wiederherstellen", sagt der Präsident.

Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita

Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita will Sicherheit im gesamten Staatsgebiet erreichen.

Kein Tag ohne Meldung über Anschläge und Tote

Doch darauf warten die Menschen in Mali schon lange. Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über Anschläge, über zivile und militärische Opfer. Thomas Schiller, Leiter des Regionalbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako, macht sich vor allem Sorgen um die Region Mopti, das Zentrum Malis. "Dort ist ganz deutlich geworden in den letzten Monaten, dass terroristische Gruppen, aber auch andere bewaffnete Banden, Milizen, auf ethnischer Grundlage die Situation weiter verkomplizieren", sagt Schiller. "Die Instabilität nimmt zu." In der Region Mopti seien in jüngster Zeit die meisten Anschläge und Toten zu verzeichnen.

Nicht ohne Grund hat Malis Regierung vor kurzem den Ausnahmezustand verlängert. Ein Eingeständnis der Tatsache, dass das Land weit von Frieden entfernt ist.

In Teilen Malis spielt der Staat keine Rolle

Was 2012 als Aufstand von Tuareg-Separatisten begann, wurde bald zu einem Krieg radikaler Islamisten, die die Schwäche des Staates nutzten und zeitweise die Kontrolle im Norden übernahmen. Frankreichs Militärintervention konnte sie 2013 zurückdrängen - aber in großen Teilen Malis spielt der Staat bis heute keine Rolle.

Das liege auch daran, dass die Islamisten nie wirklich weg gewesen seien, sagt der mauretanische Journalist und Terrorismusexperte Lemine Ould Mohamed Salem. "Die malischen Dschihadisten, die mit Al Kaida zusammenhängen, waren damals gekommen, um zu bleiben", sagt er. "Anders als den Tuareg-Rebellen ging es den Terroristen von Anfang an um den gesamten Kuchen - um ganz Mali, und, wenn es sich machen ließe, um die ganze Region."

Im Windschatten dieser nie wirklich eingedämmten islamistischen Bedrohung konnte sich nicht nur Kriminalität breitmachen. Malische Journalisten beschreiben ihr Land schon als "Wilden Westen"“, werfen der Regierung Politikversagen vor. Die Eliten kümmerten sich nur um ihre Interessen, das Misstrauen gegenüber dem Staat sei groß.

"Ein Schritt nach vorne, zwei zurück"

Elmehdi Ag Wakina, Leiter einer Hilfsorganisation aus Gao, sieht das Hauptproblem darin, dass mittlerweile auch andere gewaltsame Konflikte entstanden sind, die sich zum Teil auch noch überlagern. "So ist das in Mali: Ein Schritt nach vorne, zwei zurück. Es gibt so viele Akteure in diesen Konflikten", sagt er. "Alle beharren meistens auf ihren Positionen, deshalb geht es nicht wirklich voran. Die Situation ist eben mittlerweile so komplex, dass man sie nicht mal eben mit einem Zauberstab lösen kann."

Selbst die Umsetzung des mühsam ausgehandelten Friedensvertrags mit den Tuareg werde daran nichts ändern, erklärt Thomas Schiller von der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Es ist eben kein klassischer Bürgerkrieg, wo sich zwei Parteien gegenüberstehen und man dann mit Hilfe eines Friedensabkommens Ruhe und Ordnung wiederherstellen kann, die Staatseinheit wiederherstellen kann."

Eine komplizierte Gemengelage - auch für die internationalen Truppen. Mali, Burkina Faso, Mauretanien, Niger und der Tschad bauen gerade die 5000 Mann starke grenzüberschreitende Sahel-Mission G5 auf, bei der es noch an der Finanzierung hakt. Die Franzosen führen mit ihrer Mission "Barkhane" Krieg gegen Islamisten. Die Bundeswehr bildet im Rahmen einer europäischen Trainingsmission malische Truppen aus – und ist an der 12.000 Mann starken UN-Stabilisierungsmission Minusma beteiligt.

Bundeswehr-Soldat mit Zeichen der UN-Mission Minusma an der Uniform

Die Bundeswehr ist in Mali sowohl an der UN-Mission Minusma als auch auch der EU-Mission EUTM beteiligt.

Riskanter Einsatz für die Bundeswehr

Dass das ein riskanter Einsatz ist, weiß auch Oberstleutnant Michael Weckbach, Sprecher des deutschen Minusma-Kontingents in Gao. "Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, das wissen wir alle", sagt Weckbach. "Aber die Soldaten, die hier rausfahren auf Patrouille, die sind alle gut ausgebildet und auch gut ausgerüstet. Das heißt im Klartext: Wer sich mit einer deutschen Patrouille anlegt, muss damit rechnen, dass er sich dann auch eine blutige Nase holt."

Am Anti-Terror-Kampf beteiligten sich deutsche Soldaten nicht, betont der Kontingentsprecher ausdrücklich. Zwar gebe es durchaus Zusammenarbeit, aber nur, wenn die Sicherheit deutscher oder alliierter Truppen gefährdet sei.  Dann - und nur dann - sei etwa der Einsatz von Aufklärungsdrohnen für andere Missionen möglich und durch das Mandat der Bundeswehr gedeckt.

An der Gefahrenlage dürfte sich bis auf Weiteres jedenfalls wenig ändern. Vor wenigen Tagen ist im Internet ein Propagandavideo der drei großen Dschihadisten-Anführer aus Mali und Algerien aufgetaucht. Offenbar können sie sich trotz der großen Militärpräsenz treffen. Gemeinsam rufen sie dazu auf, den bewaffneten Kampf in der gesamten Sahelregion fortzuführen.  

 

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