Interview

Ex-US-Botschafter Kornblum im Interview "Der Tea Party ist alles egal"

Stand: 16.10.2013 18:16 Uhr

Schuld am US-Haushaltsstreit seien die Tea-Party-Abgeordneten, sagt der Ex-US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, gegenüber tagesschau.de. Sie wüssten zwar, welchen Schaden sie den USA im Finanzstreit beinahe zugefügt hätten. Doch das sei ihnen egal.

tagesschau.de: Wenige Stunden vor Erreichen des Schuldenlimits in den USA haben Demokraten und Republikaner doch noch eine Einigung im Haushaltsstreit erzielt. Wie konnte es überhaupt soweit kommen?

John Kornblum: Die Tea Party wollte einer Anhebung der Schuldenobergrenze nur zustimmen, wenn US-Präsident Barack Obama sein Gesundheitssystem geändert hätte. Sie war nicht bereit, weiter zu verhandeln.

John C. Kornblum
Zur Person
John Kornblum ist US-amerikanischer Diplomat und Investmentbanker. Von 1997 bis 2001 war er US-Botschafter in Deutschland. Seit 2009 arbeitet er als Berater für die Berliner Kanzlei Noerr.

tagesschau.de: Warum hat die Tea Party so auf ihrem Standpunkt beharrt? Sie wusste doch, welche Folgen dies gehabt hätte. Mangelt es ihr an Verantwortungsbewusstsein?

Kornblum: Offenbar. Die Tea-Party-Abgeordneten sind Überzeugungstäter. Sie glauben, dass sie moralisch handeln und den richtigen Blick für die Zukunft haben. Sie wissen zwar, welchen großen Schaden sie ihrem Land zugefügt hätten - dass Schulen, Sozialhilfeempfänger oder die Truppen in Afghanistan nicht mehr hätten finanziert werden können. Doch das ist ihnen egal. Es interessiert sie auch nicht, was der Rest der Welt über diesen US-Finanzstreit denkt. Das ist schon eine etwas abnormale Psychologie.

tagesschau.de: Steckt dahinter ein größeres Problem?

Kornblum: Das Problem ist viel größer: Es ist eine Konfrontation zwischen zwei Zukunftsvisionen für die USA, deren Gesellschaft sich momentan gewaltig ändert. Es gibt verschiedene Meinungen, wie das Land sich entwickeln sollte - sozial und wirtschaftlich. Viele neue Einwanderer aus Südamerika und Asien, aber auch viele andere US-Amerikaner, fordern eine andere Lebensweise: Mit mehr Sozialbewusstsein und flexibleren Regeln für die Gesellschaft, zum Beispiel die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Auf der anderen Seite stehen die Traditionalisten: Für sie ist "Obamacare", die Krankenversicherung für alle US-Bürger, der Untergang der USA. Es ist eine kleinere Gruppe, die eigentlich keine Zukunft hat. Trotzdem hat sie für verhärtete Fronten gesorgt.

Das Interview führte Thomas Reinhold, tagesschau.de

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