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interview

Ergebnisse des Gipfels "Zwei große Baustellen bleiben"

Stand: 12.06.2018 17:07 Uhr

Auch wenn sich US-Präsident Trump gewaltig lobt: Die Ergebnisse des Nordkorea-Gipfels sollte man nicht überbewerten, sagt Sicherheitsexperte Kaim auf tagesschau24. Die zwei größten Baustellen bleiben bestehen.

tagesschau24: US-Präsident Donald Trump spart wieder einmal nicht an großen Worten: Von einem neuen Kapitel in den Beziehungen spricht er, und dass er hochzufrieden sei mit den Ergebnissen. Aber ist das jetzt tatsächlich ein großer Durchbruch?

Markus Kaim: Vieles ist im Ergebnis vage geblieben. Dabei will ich nicht ungerecht sein. Es ist eine Absichtserklärung, nicht mehr. Eine Art Prinzipienerklärung, die zukünftige Verhandlungen anleiten soll. Das erklärt, weshalb die wichtigsten beiden Baustellen nicht ausgefüllt worden sind: Zum einen die Denuklearisierung, bei der wir alle erwartet haben, dass etwas gesagt würde zum Zeitrahmen, zum Umfang, zur internationalen Inspektion - doch dazu ist nichts gefallen.

Zum anderen geht es um das Thema Sicherheitsgarantien der USA für Nordkorea. Das ist sehr allgemein gehalten. Es heißt lediglich, es werde kein Regimewechsel geben. Ob das zum Beispiel heißt, dass die USA ihre Truppen ganz oder zumindest teilweise aus Südkorea abziehen - all das ist nicht ausbuchstabiert worden.

tagesschau24: Wie müssen die nächsten Schritte aussehen? Auf welchen Ebenen muss weiterhin gesprochen werden?

Kaim: Der amerikanische Präsident hat in der Pressekonferenz angegeben, dass es jetzt viele Detailverhandlungen geben muss. Und zwar in den Punkten, die ich gerade angesprochen habe, die Denuklearisierung und Sicherheitsgarantien, aber auch in anderen Punkten. Vor allem in denjenigen, die auch andere Akteure betreffen, wie beispielsweise die Frage, ob es gegenüber Nordkorea weiterhin Sanktionen geben wird.

Dabei handelt es sich ja zumeist um Sanktionen die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen hat. Das heißt, diese können die USA nicht unilateral außer Kraft setzen, sondern sie müssen sich mit China und Russland ins Benehmen setzen, die heute zwar nicht mit am Tisch gesessen haben, die aber für die gesamte Lösung des Nuklearproblems Nordkoreas zentrale Akteure sind.

Zur Person
Markus Kaim leitet bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik. Der Konfliktforscher lehrt unter anderem an der Universität Zürich und der Hertie School of Governance in Berlin.

Die regionale Sicherheitsarchitektur beachten

tagesschau24: Halten Sie es für wahrscheinlich, dass sich Trump jetzt auch mit China und Russland an einen Tisch setzt?

Kaim: Über kurz oder lang wird es keine Alternative dazu geben. Wir haben jetzt aufgrund der Dramaturgie der letzten Wochen den Eindruck gewonnen, es handele sich um ein bilaterales Problem zwischen Nordkorea und den USA. Die heutige Symbolwirkung ist daher nicht zu unterschätzen. Der nächste Schritt wird vielleicht die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen sein oder zumindest die Einrichtung von Verbindungsbüros.

Wenn man aber eine umfassende Regelung finden will, wird man das, was heute besprochen worden ist, regional einbetten müssen - in die Sichheitsarchitektur Ostasiens. Da gibt es eine ganze Reihe von Akteuren, die mit ihren Interessen zu beteiligen sind. Das sind vor allem Südkorea, Japan, China und Russland.

tagesschau24: Bleiben wir bei Südkorea: Trump hat ja auch ein Ende der Militärmanöver mit Südkorea angekündigt, auch aus Kostengründen - immer eines seiner Lieblingsargumente. Welches Signal sendet er damit?

Kaim: Ich fand das ein sehr bemerkenswertes Signal. Er hat es in seiner typischen Art sehr vage formuliert, nicht verbindlich. Er hat nicht gesagt, ab jetzt oder in Zukunft, sondern hat es etwas offengelassen. Ich bin nicht sicher, ob das mit der südkoreanischen Regierung abgestimmt worden ist. Tatsächlich sind diese Manöver nicht zu dem Ziel eingerichtet worden, Nordkorea zu reizen, sondern sie sind Ausdruck der unverbrüchlichen Allianz zwischen Seoul und Washington.

Vor diesem Hintergrund wäre ein Aussetzen dieser Manöver ein endgültiges Ende, wenn nicht das Ende der Allianz. Es wäre zudem ein klares Signal an Südkorea, dass Seoul außen vor bleiben würde bei den weiteren Gesprächen zwischen Nordkorea und den USA. Aber wenn Südkorea und auch Japan eines fürchten, ist es zum Opfer dieser nordkoreanisch-amerikanischen Annäherung zu werden.

"Vor allem muss Trump in die Details gehen"

tagesschau24:  Das heißt, als nächstes müsste Trump jetzt bei dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In anrufen.

Kaim: In der Tat. Ich glaube, es wird ganz wichtig sein, jetzt eine zweifache Strategie zu fahren. Erstens, die Gespräche mit Nordkorea weiter zu vertiefen und vor allem in die Details zu gehen, was Denuklearisierung, was Sicherheitsgarantien angeht. Gleichzeitig müssen die Errungenschaften aber regional eingebettet werden - um einen multilateralen Verhandlungsstrang für die koreanische Halbinsel zu entwickeln. Dafür gibt es ja Blaupausen, die sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche, die seit 2009 nicht mehr getagt haben, die aber das eigentliche Vorbild für das sind, was jetzt benötigt wird.

tagesschau24: Diese schön inszenierten Bilder aus Singapur können leicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es mit einem Diktator zu tun haben, mit einer Bevölkerung, die unterdrückt wird in Nordkorea. Was haben die Menschen in Nordkorea von diesem Gipfel, außer diesen schön inszenierten Bildern im Fernsehen?

Kaim: Wir haben heute einen Gipfel gesehen, der sich signifikant abhebt von anderen Gipfeln zwischen US-Präsidenten und anderen autoritären Herrschern: Bislang wurden zumindest der Form halber die Frage von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit thematisiert. All das interessiert Donald Trump nicht.

Dennoch kann man argumentieren, dass durch Aufhebung der Sanktionen - im Gegenzug zu einer Denuklearisierung - auch die nordkoreanische Bevölkerung einen Vorteil hätte. Weil sich letztlich etwas herausbilden würde, was dem Modell Chinas ähneln würde. Ein politisches Modell, in dem die kommunistische Partei zwar nach wie vor die Macht hat, sich aber marktwirtschaftliche Elemente nach und nach herausbilden. Daran würden viele Teile der Bevölkerung partizipieren und es könnte der Wohlstand wachsen.

Interesse am kurzfristigen Erfolg

tagesschau24: Glauben Sie Trump macht sich Gedanken über die Zukunft Nordkoreas - wie es tatsächlich in dem Land weitergehen kann?

Kaim:  Das ist schwer zu sagen. Seine Pressekonferenz, sein Auftreten in Singapur machten nicht den Eindruck, als würde er sich große Gedanken darum machen oder als würde ihn das sonderlich interessieren. Auch die Verweise und Fragen bei der Pressekonferenz, die in diese Richtung zielten, waren wenig dazu geeignet, ihn aus der Reserve zu locken. Er hat ein Interesse an Nordkorea als strategischen Partner - als Partner eines Deals, wie er immer sagt. Doch was innerhalb Nordkoreas passiert, wer dort Akteur oder Teil der herrschenden Kaste ist, interessiert ihn nicht wirklich.

tagesschau24: Zum Schluss noch eine psychologische Frage. Bisher war Trump ja häufig der Buhmann der Welt. Jetzt schwingt er sich auf einmal zum Friedensengel auf, sagt, er will einen historischen Frieden erreichen. Kann ihn das insgesamt in seiner Art, internationale Politik zu machen, ein bisschen besänftigen?

Kaim: Soweit würde ich nicht gehen, aber dieser Gipfel hat natürlich eine wichtige Funktion. Bisher ist Trump in den ersten eineinhalb Jahren seiner Außenpolitik dadurch aufgefallen, dass er etablierte Verträge, eingeführte Institutionen und Vereinbarungen der internationalen Politik schlechtgeredet und kaputt gemacht hat. Wie zum Beispiel das Iranabkommen oder das Pariser Klimaschutzabkommen - und viele weitere lassen sich hinzufügen.

Auf der anderen Seite ist er eher schwach geblieben, wenn es um die Frage ging, was er im Sinne eines Aufbaus von Kooperationsstrukturen erreicht hat. Damit wird er jetzt hausieren gehen und sagen: 'Seht mal, was ich in der Lage bin aufzubauen und zu erreichen'. Er hat in der Pressekonferenz heute mehrfach gesagt, dass er etwas getan hat, was noch kein amerikanischer Präsident vor ihm gewagt oder in Angriff genommen hätte. Dass das innenpolitisch Wirkung entfalten wird, ist offensichtlich.

Das Gespräch führte André Schünke, tagesschau24.

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