Boris Johnson
Porträt

Boris Johnson Der großspurige Unruhestifter

Stand: 23.07.2019 13:05 Uhr

Lange Zeit trauten viele Tories Johnson kein wichtiges Amt zu. Mit der Wahrheit nahm er es nie so genau, er galt als Leichtfuß und Großmaul und ließ kein Fettnäpfchen aus. Jetzt wird er Premierminister.

Viele sagen, Boris Johnson habe am 24. Juni 2016 den Ausschlag für den Brexit gegeben. Er allein habe mindestens zehn Prozent der Wähler dazu gebracht, beim EU-Referendum für den Austritt zu stimmen. Vor allem, um seinen Rivalen David Cameron aus dem Amt zu drängen - und selbst Premierminister zu werden.

Nach dem Referendum und Camerons Rücktritt war das noch schief gegangen. Sein Brexit-Mitstreiter Michael Gove hatte ihm überraschend die Unterstützung entzogen und ging selbst ins Rennen. Johnson gab daraufhin seine Kandidatur auf. Seine Ambitionen hatte er ohnehin immer heruntergeredet: Die Wahrscheinlichkeit, dass er Premierminister werde, sei kaum höher als das Risiko, von einer Frisbee-Scheibe enthauptet zu werden.

Zwar war der bullige Ex-Bürgermeister von London bei den Parteimitgliedern schon immer sehr beliebt - auf Parteitagen rockte der verwuschelte Blondschopf regelmäßig die Halle. Doch in der Fraktion hatte er lange Zeit zu viele Gegner. Sie sahen in ihm einen Bruder Leichtfuß, dem man lieber kein wichtiges Amt anvertrauen sollte. "Boris ist das Leben und die Seele jeder Party", sagte etwa 2016 die heutige Arbeitsministerin Amber Rudd. "Aber nicht der Mann, von dem man am Ende des Abends nach Hause gefahren werden möchte."

Lügen und Fettnäpfchen

Johnson hat es mit der Wahrheit nie so genau genommen. Als junger Korrespondent der "Times" in Brüssel schüttete er regelmäßig Gift und Galle über der EU-Bürokratie aus. Die Zeitung schmiss ihn dann allerdings raus, weil viele Zitate, mit denen er seine Artikel aufpeppte, frei erfunden waren. Vor dem Referendum versprach die Aufschrift auf dem roten Bus, mit dem Johnson durchs Land fuhr, man könne 350 Millionen Pfund pro Woche durch den Austritt aus der EU sparen und stattdessen in britische Krankenhäuser investieren. Die Zahl stimmte nicht.

Der im Elite-Internat Eton erzogene Sohn eines früheren konservativen Abgeordneten des EU-Parlaments und Weltbank-Mitarbeiters war bereits auf der Universität in Oxford als Großmaul aufgefallen. Später, als sich Barack Obama vor dem Referendum für den Verbleib Großbritanniens einsetzte, tat Johnson das mit dem Hinweis ab, der US-Präsident sei ja Halb-Kenianer und deshalb den Briten nicht wohlgesonnen.

Trotzdem holte Theresa May den Un-Diplomaten und Unruhestifter als Außenminister ins Kabinett. Sie wollte ihn dadurch in die Kabinettsdisziplin einbinden, was nicht wirklich gelang - Johnson ließ auf diplomatischem Parkett so gut wie kein Fettnäpfchen aus. Vor einem Jahr trat er als Außenminister zurück, weil er beim Brexit einen härteren Schnitt mit der EU wollte als die Premierministerin.

Verzweiflung bei den Tories

Jetzt aber ist er der Hoffnungsträger der Konservativen, die verzweifelt sind, weil ihre Partei bei der Wahl zum EU-Parlament nur noch neun Prozent bekam und die Wähler in Scharen zur gerade erst gegründeten Brexit-Partei von Nigel Farage überliefen. Die Tories hoffen, dass Johnson nicht nur den Rechts-Populisten Farage in Schach halten, sondern auch gleichzeitig einen Labour-Premierminister Jeremy Corbyn verhindern kann. So wie er einst als Bürgermeister die Labour-Hochburg London erobert hat. Johnson verspricht jedenfalls, härter als Theresa May aufzutreten, den Brexit endlich abzuliefern und die konservative Partei vor dem Untergang zu retten.

"Wenn ich Premierminister bin, werden wir die EU am 31. Oktober verlassen, mit oder ohne Abkommen", kündigte Johnson in dem Werbevideo an, mit dem er innerparteilich auf Stimmenfang ging. Aber er ist bekannt dafür, dass er seine politischen Pläne auch gern mal ändert. Immerhin strahlt er Zuversicht und Tatkraft aus - und genau danach lechzen jetzt die verzweifelten Torys.

 

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