Blick auf den verlassenen Öltanker "FSO Safer" vor der Küste des Jemen.

Maroder Öltanker vor dem Jemen Schwimmende Zeitbombe

Stand: 24.07.2020 04:31 Uhr

Ein verlassener Öltanker vor der Küste des Jemen droht auseinanderzubrechen. Die UN warnen vor einer Umweltkatastrophe - doch auch die humanitäre Lage könnte sich in der Krisenregion noch weiter verschlechtern.

Aus dem All betrachtet schimmert der monströse Tanker rötlich auf dem Meer vor der Küste des Jemen. Geradezu ein Symbolbild für die explosive Fracht: 1,2 Millionen Barrel Rohöl. Das Satellitenfoto ist das einzige aktuelle Bild von "FSO Safer".

Die Huthi-Rebellen erlauben keine Aufnahmen vom Land aus. "Militärisches Sperrgebiet", heißt es zur Begründung. Wohl auch deshalb, weil der Supertanker in keinem guten Zustand ist. 45 Jahre ist er alt, etwa 360 Meter lang. Der Rumpf, Leitungen und Ventile sollen von Rost befallen sein. Feuerlöscher nicht mehr einsatzfähig.

Ein Satellitenfoto zeigt die Küste von Jemen und den Tanker "FSO Safer".

Aus dem All betrachtet schimmert der Tanker rötlich auf dem Meer vor Jemens Küste.

UN: Keine Wartung mehr seit Kriegsausbruch

Das Schiff hat sich zur vielleicht gefährlichsten Bombe in dem zermürbenden Konflikt entwickelt. Seit Beginn des Kriegs im Jemen vor fünf Jahren sei die "FSO Safer" nicht mehr gewartet worden, sagt Lisa Grande, UN-Koordinatorin für den Jemen, im ARD-Interview.

Jederzeit könnte es auseinanderbrechen. Dann drohe eine dreifache Katastrophe: "Es wäre eine furchtbare Umweltkatastrophe, eine Katastrophe für die Schifffahrt und es wäre eine humanitäre Katastrophe."

Zustimmung beider Kriegsparteien erforderlich

Viel Zeit bleibt wohl nicht mehr, um das zu verhindern. Seit zwei Jahren schon drängen die Vereinten Nationen darauf, ein Expertenteam an Bord zu lassen. Das allerdings erfordert die Zustimmung beider Kriegsparteien, der Huthi-Rebellen wie der saudischen Militärkoalition, die sich erbittert bekämpfen.

Vor einem Jahr schien ein Durchbruch erreicht: "Wir hatten ein Team von Spezialisten, das über Wochen im Nachbarland Dschibuti auf seinen Einsatz gewartet hat", erzählt Grande. Die Genehmigung sei zunächst erteilt, dann aber kurzfristig widerrufen worden.

"Wir betteln um Zugang"

Seither ziehen sich die Verhandlungen ohne greifbares Ergebnis hin. "Wir betteln bei den Parteien regelrecht um diesen Zugang", so Grande. Die schieben sich gegenseitig die Schuld für die absehbare Katastrophe zu.

Ahmed Abdullah Dares, Ölminister der Huthis, stellt die Dinge im ARD-Interview anders dar. Er habe keinerlei Einwände gegen eine Wartung des Schiffs. "Aber jedes Mal, wenn ein Team von uns den Tanker erreichen will, tauchen saudische Kampfjets auf und greifen uns an. Das ist ein großes Problem."

Immerhin sei es kürzlich gelungen, eines von mehreren kleineren Lecks notdürftig zu flicken. Eine dauerhafte Lösung ist das aber nicht.

Viermal so viel Öl wie die "Exxon Valdez"

Es steht viel auf dem Spiel. Der Tanker führt viermal so viel Öl wie die "Exxon Valdez", die im Jahr 1989 havarierte und eine Ölpest vor Alaska verursacht hatte.

Die "Safer" schwimmt vor dem Hafen von Hudeida, der Lebensader des Jemen. Alle Lebensmittel und Medikamente für den Norden des Landes kommen hier an. Zerbricht das Schiff oder wird es womöglich von einer Miene getroffen, stoppen auch die Hilfslieferung für Millionen Menschen. Dreiviertel der Bevölkerung hängen von ihnen ab. Zehn Millionen Jemeniten sind von Hungersnot bedroht, die Cholera-Epidemie wütet in dem Land und nun auch noch das Coronavirus.

Außerdem könnten laut UN 800 Wasserbrunnen verseucht werden, wenn das Öl ausläuft. Fischgründe würden zerstört, damit auch die Lebensgrundlage der Fischer. Es könnte 30 Jahre dauern, bis sich die Natur davon erholt. Die schlimmste humanitäre Krise der Welt, von der so oft die Rede ist, würde sich weiter dramatisch zuspitzen.

Streit um die Erlöse

Die Kriegsparteien aber pokern hoch. Es geht um die Erlöse beim Verkauf des Öls. Dessen Wert ist infolge der Corona-Pandemie zwar eingebrochen, für die Huthis aber wäre es dennoch ein dringend benötigter Geldsegen. "Wir sollten den Menschen ihre Gehälter auszahlen. Von den Erlösen aus dem Verkauf des Öls wäre das möglich", erklärt Minister Dares. Wie genau das geschehen soll, bleibt unklar.

Saudi-Arabien scheint wenig von einer solchen Lösung zu halten. Und die Vereinten Nationen wollen solche Fragen lieber den Kriegsparteien überlassen. "Jetzt muss erste Priorität haben, dass wir Zugang zu dem Tanker bekommen, herausfinden, wie die Lage dort ist und die notwendigen Maßnahmen einleiten können, um eine Katastrophe zu verhindern", sagt Grande.

Bislang aber scheinen sich die beiden Parteien kaum zu bewegen. Die Zeit für eine Lösung des brandgefährlichen Problems aber läuft ab.

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