Geflüchtete Israelis in einem Hotel in Herzliya - hier sind Familien untergebracht, die aus dem Süden Israels gekommen sind.
reportage

Dem Hamas-Terror entkommen Zuflucht im Strandhotel

Stand: 13.10.2023 09:12 Uhr

Hunderte Menschen aus dem Süden Israels haben in einem Strandhotel bei Tel Aviv Zuflucht gefunden. Freiwillige bringen Kleidung, Essen, Spielzeug - und hören den Menschen zu, die Schreckliches durchgemacht haben.

Kinder spielen Ball, Babys krabbeln am Boden, erschöpfte Familien ruhen sich neben Kinderwagen und Taschen aus: Die Lobby des Strandhotels Daniel, 15 Minuten nördlich von Tel Aviv in Herzliya, ist zur Zuflucht für Hunderte Israelis aus den Gemeinden rund um den Gazastreifen geworden.

Sie sind vor den Terroristen der Hamas, vor dem Krieg geflohen. Vor allem sind sie am Leben, erzählt der vierfache Familienvater Ariel Yifrah. Am Morgen des Angriffs habe er fünf Motorräder mit zehn Hamas-Kämpfern in sein Kibbuz fahren sehen, er habe sich mit Frau und Töchtern im Bunker versteckt:

Sie fingen an zu schießen und auf Arabisch zu schreien - sieben Stunden lang kam die Armee nicht. Nachbarn schickten mir Nachrichten: 'Sie sind in meinem Haus, sie werfen Granaten rein, damit die Leute rauslaufen. Sie zünden Häuser an.' Sie haben eine ganze Familie getötet und eine fünfköpfige Familie entführt. Frauen und Kinder.

15 Kilometer vor der Hamas weggerannt

Währenddessen ist einer von Ariels Söhnen auf einer Raveparty ganz in der Nähe. Dort tötet die Hamas Hunderte Menschen. Während Ariel im Bunker ausharrt, klingelt sein Telefon. Es ist Ariels Sohn: "'Daddy, ich renne, sie schießen auf uns.' Und ich bin im Bunker. Ich sagte zu ihm: 'Versteck dich, flieh vor den Kugeln!'" Dann wurde die Verbindung getrennt. Fünf Stunden später rief der Sohn wieder an. "Er sagte, er sei 15 Kilometer nach Netivot gerannt, jemand habe ihm Essen gegeben, ihn duschen lassen. Ich entspannte mich", berichtet Ariel.

Sohn kämpft nun als Soldat

Dann hörte er, dass Hamas-Terroristen seinem anderen Sohn in einem Nachbarhaus eine Waffe an den Kopf gehalten hatten, sagt Ariel. Sein Sohn habe den Terroristen geschubst, es in den Bunker geschafft und drei Stunden die Tür zugehalten. Zehn Menschen seien im Kibbuz Nahal Oz gestorben, 13 entführt worden.

Mit Tränen in den Augen erzählt Ariel, dass er stolz ist, dass sein Sohn nun als Soldat an der Grenze zu Gaza kämpft. Dass dort auch unschuldige Menschen sterben, tue ihm leid, aber: "Wir müssen die Hamas besiegen, dann die Hisbollah, dann den Iran. Sonst passiert das hier immer wieder. Wir können das schaffen, weil auch Deutschland, die USA, England, alle hinter uns stehen."

Viel Hilfe und Spenden von Freiwilligen

Auf einer Liste vermerkt Sigal Givati, eigentlich Start-Up-Managerin, nun für die Stadt Herzliya, was die Menschen hier brauchen: Essen, Wasser, Sanitärartikel, eine Wohnung, wo sie unterkommen können. Das Hotel biete vergünstigte Preise, einen Wäschedienst.

Freiwillige bringen Kleidung, Spielzeug, Essen und moralische Unterstützung, sagt sie: "Unser Leben steht still. Unser Land ist im Krieg. Israel ist so ein kleines Land. Jeder kennt jemanden, der getötet, entführt oder verletzt wurde. Es ist ein großes Trauma für uns, weil wir als Kinder gelernt haben: Ja, es gab den Holocaust, aber wenigstens sind wir hier in Israel sicher. Jetzt wurden wir in unserem eigenen Land schwer getroffen."

Die Detonationen nicht mehr ertragen

Die Hilfsbereitschaft sei groß und ein Hoffnungsschimmer, sagt Givati und wendet sich einer Familie aus Aschkelon zu. Salit Braha ist mit ihrem Mann und zwei Söhnen aus der 130.000-Einwohner-Stadt in der Nähe zu Gaza geflohen, weil sie Raketen am Himmel sah, aber kein Sirenenalarm ertönte. Es gebe das Gerücht, die Hamas habe das Frühwarnsystem der Stadt gehackt, sagt sie.

Sie fügt hinzu, dass sie auch die Detonationen von den Bomben der israelischen Kampfjets in Gaza nicht mehr ertrage: "Mein kleiner Sohn hat die Bombardements unserer Kampfjets in Gaza gehört. Er fragte: 'Mama, was tun wir denen an, warum machen wir das mit denen?' Ich sagte: 'Wir wollen das nicht, wir rufen sie an, sie sollen aus dem Haus rennen.' Ich möchte nicht, dass die Menschen in Gaza sterben. Es gibt viele Unschuldige dort. Aber wir müssen etwas gegen die Terroristen der Hamas tun."

Zusammenhalten und zusammen stark sein

Auch sie habe Bekannte, die von der Hamas getötet wurden, erzählt Braha und wendet sich ihrem 13-jährigen Sohn Liad zu. "Es gibt kein anderes Land für uns. Das ist das einzige Land für uns und wir müssen jetzt zusammen stark sein."

Sie küsst ihren Sohn auf den Kopf. Wo sie heute Nacht schlafen soll, weiß sie noch nicht. Das Hotel ist ausgebucht, aber das sei ihr egal, sagt Braha. Sie möchte nur, dass die Menschen in Israel zusammenhalten - wenigstens für den Moment.

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