Die Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Helga Schmid

Streit mit dem Iran Kann sie das Atomabkommen retten?

Stand: 17.01.2020 04:13 Uhr

Der Diplomatin Schmid ist es maßgeblich zu verdanken, dass das Atomabkommen mit dem Iran 2015 zustande kam. Jetzt soll sie wieder vermitteln. Dabei kommen ihr altbekannte Stärken zugute.

Der Gedanke des Scheiterns ist der höchsten deutschen EU-Beamtin in Brüssel seit ihren jahrelangen Atomverhandlungen mit Teheran bestens vertraut. "Ich habe mehrfach gedacht, dass es scheitern könnte. Und ich muss sagen: Bis zum Schluss hat das Risiko bestanden, dass es doch zu keinem guten Abschluss kommen würde", sagte Helga Maria Schmid, die Chefunterhändlerin der EU in Sachen Iran-Atomabkommen im Juli 2015 dem ARD-Studio Brüssel, als der Iran-Deal gerade unterzeichnet war.

Eine Eigenschaft habe ihr damals bei dem diplomatischen Drahtseilakt geholfen: "Die Bereitschaft- und das können Frauen glaube ich ganz gut -, sich in die Rolle des anderen zu versetzen. Zu verstehen, was die Motivation und Lage auf der anderen Seite ist."

Treffen in Wien: Helga Schmid (l), Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, und Abbas Araghchi (r), Vizeaußenminister des Iran. (Archivbild vom 28. Juni 2019)

Schmid und Abbas Araghchi, Vizeaußenminister des Iran, bei einem Treffen in Wien

Retten, was fast nicht mehr zu retten ist

Die aktuelle Lage ist auf allen Seiten verfahren: US-Präsident Donald Trump kündigte das Abkommen bereits 2018 und verhängte scharfe Sanktionen. Und er will, dass sich auch die EU-Unterzeichnerstaaten Großbritannien, Frankreich und Deutschland unverzüglich von ihren Unterschriften distanzieren.

Auch die Führung in Teheran sieht sich an entscheidende Auflagen des Atomabkommens nicht mehr gebunden. Sie hat bereits die Urananreicherung wieder hochgefahren. Jetzt soll Schmid, die Chefarchitektin und wichtigste Autorin des Atomdeals, retten, was fast nicht mehr zu retten ist. Die höchste deutsche EU-Beamtin in Brüssel ist ab sofort Schlichterin im Atomstreit.

Schmid kennt den Iran seit Jahren

Schmid leitet die gemeinsame Kommission, die über die Einhaltung des Abkommens wacht. Und damit leitet sie auch die Verhandlungen, die den von ihr mit verfassten Vertrag retten und die Regierung in Teheran bewegen sollen, wieder vertragstreu zu werden. Einen Vorteil hat Schmid: Sie kennt das iranische Regime - und dessen Vorläufer. Vor 17 Jahren, reiste sie mit dem damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer nach Teheran, um den Iran von der Urananreicherung abzubringen.

Ihre jahrelangen intensiven Kenntnisse der iranischen Führung seien ganz entscheidend gewesen, sagte die deutsche Spitzendiplomatin bereits unmittelbar nach der Unterzeichnung des Abkommens im Juli 2015.

Ein eingespieltes Team

Jahrelang saß sie Hassan Rouhani als iranischem Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen gegenüber. Der heutige Präsident des Iran und Schmid sind ein eingespieltes Verhandlungsteam. Wenn jemand von der iranischen Führung ernst genommen wird, dann Schmid. Sie weiß, dass der von ihr formulierte Atomvertrag die letzte belastbare offizielle Verbindung und damit der letzte Gesprächskanal zum Regime in Teheran ist. Ein Vertrag , der auch von China und Russland unterzeichnet wurde.

Wie sie es überhaupt geschafft habe, bei den Verhandlungen eine Vertrauensbasis zwischen den so ungleichen und untereinander zerstrittenen Vertragsparteien zu schaffen, wurde Schmid 2015 gefragt. "Dazu gehört viel Geduld, Beharrlichkeit. Auch die Bereitschaft sich dem Ergebnis in kleinen, pragmatischen Schritten anzunähern."

Warnung vor nuklearem Wettrüsten

Ganz pragmatisch geht es den Europäern jetzt darum, zu verhindern dass der Iran die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde außer Landes verweist. Schmid weiß, dass die jetzt anstehenden Krisengespräche mit Teheran verlängert werden können - zur Not bis zu den US-Präsidentschaftswahlen im November.

Schmid will den Atomvertrag retten. Nicht um jeden Preis, aber mit äußerster Kraftanstrengung. Auf die Frage, wie der Nahe und Mittlere Osten eigentlich aussehe, wenn das Abkommen nicht zustande gekommen wäre, warnte die deutsche Chefunterhändlerin 2015: "Wenn die Verhandlungen gescheitert wären, hätten wir ein nukleares Wettrüsten in der Region gesehen. In einer Region, in der es schon viel zu viele Konflikte und Krisen gibt."

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