Rauch steigt hinter einem Gebäude der jemenitischen Hauptstadt Sanaa auf.
Interview

Die Lage im Jemen Hunger, Gewalt, Helfer am Limit

Stand: 08.12.2017 17:25 Uhr

Im Bürgerkriegsland Jemens sollen erneut 23 Zivilisten bei Luftangriffen getötet worden sein - das melden die Huthi-Rebellen. Derweil wird die Lage im Land immer aussichtsloser: Es fehlt an allem, die Helfer sind überfordert, sagt Djoen Besselink, dem Leiter der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" im Jemen dem Weltspiegel.

Weltspiegel: Wie erleben Sie die aktuelle Situation im Jemen?

Djoen Besselink: In den letzten sieben Tagen gab es heftige Kämpfe in Sanaa. Auch wenn es im Moment etwas ruhiger ist, gibt es hier seit mehr als zwei Jahren ununterbrochen Kämpfe. Das Gesundheitssystem ist fast komplett zusammengebrochen - mit dramatischen Folgen für die Bevölkerung. Es fehlt an fast allem. Der Krieg hat das Gesundheitssystem zerstört, dennoch gehen die Kämpfe ununterbrochen weiter.

Letzten Monat gab es eine Blockade durch Saudi-Arabien. Kein Flugzeug kam deswegen nach Sanaa, auch keins in humanitärem Auftrag. Die Menschen hier kämpfen ums Überleben und die Not wird größer. Zwei Drittel der Menschen hier sind auf Lebensmittelimporte angewiesen, der Rest ist von humanitärer Hilfe abhängig. Durch die Blockade von Flügen und Schiffen in den Jemen werden immer mehr Menschen von humanitärer Hilfe abhängig. Das ist eine große Herausforderung, denn wir können nicht alle Bedürfnisse der Menschen lösen. Was wir sehen: Die Krise wird immer schlimmer und schlimmer. Wir sind überfordert mit all den Nöten der Menschen.

Rauch steigt hinter einem Gebäude der jemenitischen Hauptstadt Sanaa auf.

Zerstörung in Sanaa: Die Lage der Zivlisten im Jemen wird immer aussichtsloser. (Archiv)

Weltspiegel: Wie sieht Ihre Arbeit im Krisengebiet aus?

Besselink: Monat für Monat sehen wir Schusswunden, Verbrennungen - durch Minen, Bombardements und durch Luftangriffe. Menschen mit diesen Verletzungen kommen in unsere Krankenhäuser. Hinzu kommen viele indirekte Folgen des Krieges. Ärzte und Pfleger haben seit mehr als einem Jahr kein Gehalt bekommen. Arbeitnehmer im Gesundheitswesen sind gegangen. Viele Krankenhäuser wurden durch den Krieg zerstört und für viele ist es zu gefährlich, in Krankenhäuser zu gehen. Ich bin seit einem Jahr hier und die Not wird immer größer. Im letzten Jahr haben wir noch rund 200 Kleinkinder pro Monat behandelt. Heute sind es schon 800.

Die jüngsten Kämpfe hatten massive Folgen für unsere Krankenhäuser. Patienten konnten nicht mehr ins Krankenhaus kommen, für Krankenwagen war es schwer rauszukommen und noch schwerer war es, Lebensmittel zu den Krankenhäusern zu bringen. Beide Regierungen erschweren unsere Arbeit. Die Blockade durch Saudi-Arabien hat große Folgen auf die Wirtschaft. Preise steigen, auch für medizinische Hilfe.

Weltspiegel: Gibt es eine Perspektive für den Jemen?

Besselink: Wir werden überflutet von Hilfsanfragen. Wir sind am Limit. Die Bedürfnisse sind größer, als das, was wir leisten können. Was wir jetzt erleben ist, dass die Menschen und das Land am Ende ihrer Möglichkeiten sind. Und auch die internationale Gemeinschaft. Als wir in diesem Jahr den Ausbruch der Cholera eindämmen wollten, mussten wir die unterschiedlichen Herausforderungen der verschiedenen Kriegsparteien meistern, die es erschweren ins Land zu kommen - vor allem die Krisengebiete, wo Hilfe am dringendsten benötigt wird.

Das Interview führte Alexander Stein, SWR. Das vollständige Gespräch finden Sie heute Abend auf der Facebook-Seite des Weltspiegels.

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