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Interview

USA nach den Midterms "Ein Pyrrhussieg für die Demokraten"

Stand: 07.11.2018 12:04 Uhr

Trotz demokratischer Erfolge im Repräsentantenhaus hat Trump mehr Grund zu feiern, sagt Experte Josef Braml. Die Demokraten stützen im Zweifel seinen wirtschaftsnationalistischen Kurs - eine Gefahr für Europa.

NDR Info: Herr Braml, sie hatten vor diesen Kongresswahlen schon von einer Art Vorentscheidung für die Zukunft Donald Trumps gesprochen und für die Zukunft der USA. Was sagen Sie jetzt zu diesem Ergebnis?

Josef Braml: Diese demokratische "blaue Welle" könnte ihm helfen, ins Weiße Haus wiedergewählt zu werden.

Josef Braml
Josef Braml ist USA-Experte des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies der Universität Bonn. Er betreibt den blog usaexperte.com.

NDR Info: Beide Seiten feiern dieses Ergebnis aber als Erfolg. Denken Sie, Donald Trump hat mehr Grund?

Braml: Ich denke, er hat mehr Grund zu feiern. Er hat das für ihn schlimmste verhindert, nämlich den Senat zu verlieren. Damit ist auch eine Amtsenthebung in weite Ferne gerückt. Der Senat ist ja ausschlaggebend. Und er kann weiterhin Personal nominieren - auch für den Obersten Gerichtshof. Da hat er ja schon zwei Richter nominiert, die ganz nach dem Geschmack seiner christlich-rechten Kernwähler und mächtiger Interessengruppen sind, die den Staat über die Gerichte radikal abbauen wollen. Das geht jetzt weiter, und damit kann Trump über seine zwei möglichen Amtszeiten hinaus Amerika radikal verändern.

NDR Info: Was werden die Demokraten jetzt mit dieser Mehrheit machen? Werden sie in eine Komplett-Opposition gehen oder wird man versuchen, mit den Republikanern zusammenzuarbeiten?

Braml:  Es wäre schön, wenn es DIE Demokraten gäbe, es gibt ja keine Parteidisziplin in den USA. Das ist derzeit ein Hühnerhaufen. Sie wissen nicht so recht, ob sie für Freihandel eintreten, wie wir es gerne hätten, oder ob sie mit Trump auf Protektionismus-Kurs gehen sollen wie Bernie Sanders. Der hat dann so Wahlkampf gemacht und damit bei den Vorwahlkämpfen Trump gegen Hillary Clinton geholfen.

Ich befürchte, die Demokraten werden Trump in seinem wirtschaftsnationalistischen Kurs unterstützen. Die sind ein gefundenes Fressen für ihn. Jeder einzelne Abgeordnete muss ja zusehen, dass er möglich viele Arbeitsplätze in seinen Distrikt bekommt. Wenn Trump jetzt Infrastrukturprojekte auflegt, hat er durchaus leichteres Spiel mit den einzelnen Demokraten, sie auf seine Seite zu ziehen. Mit den Republikanern hätte er es da sehr viel schwerer gehabt, da sie immer wegen des Budgets Bauchschmerzen haben.

NDR Info: Sehen Sie bei den Demokraten jemanden nach diesen Kongresswahlen, der eine Art Zugpferd werden könnte, um dann doch noch in zwei Jahren ein wirklicher Gegner für Trump zu werden?

Braml: Der große Hoffnungsträger Beto O'Rourke hat es nicht geschafft in Texas. Es hat lange Zeit gut ausgesehen, Ted Cruz für einen Senatssitz zu entmachten, dann wäre er ähnlich durchgestartet wie seinerzeit Obama. Wenn einer es in einem konservativen Staat wie Texas schafft, dann könnte er es auch landesweit schaffen. Aber die Millionen, die demokratische Finanziers gegeben haben, haben nicht gereicht. 

NDR Info: Wie wird sich dieses Ergebnis auf die transatlantischen Beziehungen auswirken? Ist das für die Europäer ein Strohhalm, dass die Demokraten jetzt die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, an den man sich erst einmal klammern kann?

Josef Braml: Ich befürchte es, hoffe es aber nicht. Man muss jetzt endlich begreifen, dass dieses Ergebnis letztendlich sogar gefährlich sein könnte, weil Trump jetzt seinen wirtschaftsnationalistischen Kurs forcieren kann, der vor allem Deutschland und Europa treffen wird. Die Basis ist jetzt breiter.

Im Gegenteil, ich sehe keinen Teilsieg der Demokraten, sondern einen Pyrrhussieg, der uns als souverän denkender Europäer zu denken geben sollte. Das ist jetzt das Gebot der Stunde und kein weiteres "durchwursteln" - zu denken, irgendwie wird das in Amerika schon geregelt. Auch dieser letzte Wunschtraum, dass die "Checks und Balances" unser Denken erübrigen könnten, ist jetzt vorbei.

Das Interview führte Liane Kossmann, NDR Info

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