Hintergrund

Bedingung zum Beitritt Das Verhältnis der EU zur Todesstrafe

Stand: 28.04.2017 09:15 Uhr

Die Türkei drängt in die EU - und zugleich verkündet Präsident Erdogan, die Todesstrafe einführen zu wollen. Das passe nicht zusammen, sagt Brüssel. Denn ein Verzicht auf diese ultimative Strafe sei ein Schlüssel zur EU-Mitgliedschaft.

Von Judith Koch, WDR

Der Weg in die EU ist lang und kompliziert: Vor einer Mitgliedschaft der Beitritt zum Europarat - der sich unter anderem einsetzt für Menschenrechte und demokratische Grundsätze. Insgesamt 47 Länder sind hier Mitglied. Ohne Mitgliedschaft im Europarat kommt es erst gar nicht zu Beitrittsverhandlungen mit der EU. Und in den Europarat kommt nur, wer die Todesstrafe bereits per Verfassung verbietet.

Weitestgehend verboten ist die Todesstrafe in der EU seit 1983, allerdings blieb sie als Ultima Ratio für Kriegsverbrecher oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr bestehen. Die letzten Hinrichtungen auf europäischem Boden wurden 1989 in Rumänien, der Slowakei, Tschechien, Ungarn und Bulgarien ausgeführt. Vollständig verboten wurde sie am 3. Mai 2002 mit einem Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Dies trat ein Jahr später, am 1. Juli 2003, in Kraft.

Abschaffung war "Zeitgeist" geschuldet

Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft und der Abschaffung der Todesstrafe lasse sich nicht immer ableiten, sagt Stefan Oeter, Rechtswissenschaftler an der Universität Hamburg. Bereits nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1990 sei es zu einer regelrechten Abschaffungswelle in den heutigen EU-Mitgliedsstaaten Rumänien, Slowakei, Kroatien, Tschechien und Ungarn gekommen. Eine direkte Reaktion auf den Zusammenbruch der Sowjetunion, so Oeter. "Die Abschaffung der Todesstrafe war damals eine Entscheidung im Geist der Zeit, der alle Gesellschaften durchzogen hat."

Brüssel nicht völlig konsequent

Zwar signalisiert die EU potenziellen Mitgliedern, dass eine Beibehaltung der Todesstrafe nicht akzeptabel ist. In Abkommen und Verträgen zwischen der Europäischen Union und Staaten, die die Todesstrafe erlauben, hat dies aber praktisch nie eine Rolle gespielt. Außerdem gab es schon Abschiebungen in Länder, in denen die Todesstrafe verhängt wird. "Am Ende des Tages ist die EU eine politische Organisation, die sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt", meint Oliver Hendrich, Experte zum Thema Todesstrafe bei Amnesty International Deutschland. Trotzdem könne sie mehr tun, kritisiert er.

Der Europarat setzt sich seit Jahrzenten dafür ein, die Todesstrafe auch außerhalb Europas abzuschaffen. Bislang haben 103 Staaten weltweit die Todesstrafe komplett aus ihrer Verfassung gestrichen. Auch die Vereinten Nationen setzen seit ein paar Jahren ein Zeichen gegen Hinrichtungen: 2007 rief die UN zum ersten Mal zur weltweiten Aussetzung der Todesstrafe auf.

Es gibt also einen weltweiten Trend gegen die Todesstrafe, verhängt allerdings wird sie trotzdem noch, unter anderem in den USA, dem Iran, dem Irak, Saudi-Arabien und China. Dort ist die Todesstrafe nach wie vor ein Instrument staatlicher Gewalt.

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