Cem Özdemir (links) und Robert Habeck
Analyse

Grüne Minister auf Reise Habeck und Özdemir umarmen Südamerika

Stand: 15.03.2023 07:59 Uhr

Zwei grüne Minister der Bundesregierung besuchen zum jeweils ersten Mal den brasilianischen Regenwald, der für das Weltklima so wichtig ist. Dass die beiden sich in Südamerika ins Zeug legen, liegt aber nicht allein am Klimaschutz.

Eine Analyse von Daniel Pokraka, ARD Berlin

Robert Habeck ist erst als Zweiter dran. Zuerst wird Cem Özdemir geschminkt. Kleine rote Verzierungen unter beiden Augen. Eine Willkommensgeste für die beiden deutschen Minister in einem Indigenendorf im brasilianischen Regenwald. "I am Robert and this is Cem", begrüßt Habeck kurz darauf die Gastgeber, unter ihnen viele Kinder, von denen der Klimaschutzminister lernen will, wie man im Regenwald leben und ihn gleichzeitig beschützen kann.

Özdemir, in der Bundesregierung zuständig für den Schutz von Wäldern, ergänzt, "wir" seien dafür verantwortlich, dass man im Amazonasgebiet auch künftig leben kann. Er bekommt Applaus. Den haben die deutschen Minister - bildlich - schon an den beiden Reisetagen vorher immer wieder der brasilianischen Regierung unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva gespendet.

Ihm und seinen Ministern nehmen es Habeck und Özdemir ab, es nach den regenwaldgefährdenden Jahren unter Vorgänger Jair Bolsonaro mit dem Schutz des Amazonas ernst zu meinen. Dabei wurde im Februar so viel abgeholzt wie selten. Doch bis 2030 soll die illegale Abholzung gestoppt werden, dafür stehe, betont vor allem Özdemir, neben Lula besonders Marina Silva - die Umweltministerin, die Habeck am Tag vor seinem Regenwaldbesuch treffen wollte, dann aber schwer erkrankt absagte.

Robert Habeck bekommt bei einem Besuch in Brasilien ein Zeichen aufgemalt, das dem Schutz dienen soll.

Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck bekommt bei einem Besuch in Brasilien ein Zeichen aufgemalt, das dem Schutz dienen soll.

Deutschland kann auf grünen Wasserstoff hoffen

Zustande kam am Montag aber Habecks Treffen mit Brasiliens Energieminister Alexandre Silveira. Der sprach anschließend von einer spontan entstandenen Freundschaft und von einem effektiven Treffen - was ein bisschen so klang, als hätte er gern länger mit Habeck gesprochen.

Andererseits gab es ja wirklich nichts zu streiten: Der deutsche Energieminister freut sich über Brasiliens Wind-Boom und hofft auf grünen - also klimaneutral produzierten - Wasserstoff, von dem Deutschland einen Großteil von dem wird importieren müssen, was es braucht. Silveira geht davon aus, dass Brasilien Überschüsse produzieren, also liefern können wird - auch nach Deutschland. 

Überhaupt kennen Harmonie, Wertschätzung und die Bekundung gemeinsamer Interessen bei Habecks Südamerikabesuch praktisch keine Grenzen. Demonstrativ lobt der Minister immer wieder die Bemühungen der Gastgeber beim Klimaschutz. Habeck und der mitreisende Özdemir setzen damit die deutsche Charmeoffensive fort, die kürzlich der Bundespräsident und der Kanzler begonnen hatten.

Deutschland umwirbt Brasilien als Bündnispartner

Denn Energiepolitik und Klimaschutz sind nur Teil des großen Ganzen: Südamerika ist für Deutschland von geostrategischer Bedeutung. Das Bewusstsein, wieder mehr in Bündnissen zu denken, ist spätestens seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine gewachsen - und außerdem geht es darum, China und dessen hoch subventionierter Wirtschaft nicht überall auf der Welt den Vortritt zu lassen.

Das seit Langem verhandelte, aber nicht in Kraft gesetzte Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur kommt Deutschland und der EU gerade recht. Auch hier: große Einigkeit darüber, dass das Abkommen in diesem Jahr mit Zusatzpunkten beschlossen werden soll. 

Habeck lässt auch hier den Charme spielen: Will den Südamerikanern zugestehenden, nicht alle Hürden für EU-Unternehmen bei Investitionen auf dem Partnerkontinent zu beseitigen, damit die heimischen Unternehmen nicht kaputt gehen wegen zu viel europäischer Konkurrenz. Ein "freundliches" Handelsabkommen soll es werden, flötet Habeck. 

Mercosur-Abkommen hat starke Gegner

Dabei stammen die Gegner des Mercosur-Abkommens zum Teil quasi aus der Nachbarschaft des Ministers und seiner Partei: Umweltverbände zweifeln an den Zusagen, den Regenwald zu schonen, erwarten mehr Fleischexporte nach Europa. Das sieht in einer seltenen Allianz auch der Bauernverband so. Mercosur mache europäischen Landwirten unfaire Konkurrenz, unter anderem mit Fleisch, das mit weniger strengen Tierwohlstandards als den europäischen produziert wird. Genau deshalb sind auch Frankreich und Österreich mindestens Mercosur-kritisch. 

Habeck und Özdemir halten dieser Kritik entgegen, dann werde halt irgendwann China bestimmen, wo es lang gehe. Den Pessimismus vieler Deutscher Freihandelsabkommen gegenüber wollen sie in Brasilien nicht vernommen haben, im Gegenteil: Dort sei man überzeugt, dass Handelsverträge Klimaschutz nicht torpedieren, sondern verbessern.

Saubere Energie aus dem Kohleland Kolumbien

Kooperation sucht Habeck auch in Kolumbien. Dort ist er zum Abschluss seiner Südamerikareise eingetroffen. Die Treffen auf Ministerebene stehen noch an, doch schon am Abend zuvor hat Habeck deutlich gemacht: Auch Kolumbien habe starke Voraussetzungen, Wasserstoff aus Windstrom zu exportieren - und Deutschland habe die Chance, etwas davon abzubekommen. 

Noch allerdings ist Kolumbien vor allem Kohleland, und Deutschland hat nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine russische Steinkohle auch durch kolumbianische ersetzt. Auch aus der Kohle müssen Deutschland und Kolumbien quasi gemeinsam aussteigen.

09:00 2023 Thema Dieses Programm: dieses Thema über Uhr März 15 24 Class="sendungsbezug Um Im Am Berichtete