EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

EU-Reformagenda Von der Leyens Feuertaufe

Stand: 12.12.2019 05:30 Uhr

Die frischgebackene Kommissionspräsidentin von der Leyen muss heute im EU-Ratsgebäude ihr Programm für die kommende Legislaturperiode verteidigen. Im Zentrum der Debatte: der "Green Deal", das Herzstück ihrer Reformagenda.

Die ungeteilte Aufmerksamkeit der Staats- und Regierungschefs ist Ursula von der Leyen sicher, allgemeines Wohlwollen nur bedingt. Plant die neue Kommissionschefin aus Deutschland doch nichts weniger als einen tiefgreifenden Umbau von Industrieproduktion, Energieversorgung, Verkehr und Landwirtschaft, der alle EU-Länder treffen wird. Das Ganze mit dem Ziel, den Ausstoß des Treibhausgases CO2 bis Ende des nächsten Jahrzehnts um gut die Hälfte zu verringern und bis zur Jahrhundertmitte ganz auf null zu bringen.

Das dazugehörige Gesetzespaket soll Kommissionsvize Timmermans schon bis Ende Februar vorlegen. Anschließend müssen ihm EU-Parlament und Mitgliedsstaaten zustimmen.

Polen, Ungarn und Tschechien haben Bedenken

"Klimaneutral bis 2050“ heißt die Losung, die vor allem strukturschwächere Länder, im Süden und Osten der EU, aufhorchen lässt. Denn die zu erwartenden Kosten für den beschleunigten Umstieg von Kohle und Erdöl auf erneuerbare Energieträger dürften beträchtlich sein. Weshalb vor allem drei osteuropäische Staaten - Polen, Ungarn und Tschechien - schon im Vorfeld Bedenken angemeldet haben. Sie verlangen von Brüssel konkrete Hilfszusagen in Milliardenhöhe, bevor sie dem "Green Deal" grünes Licht geben.

Von der Leyen preist ihr Klimapaket als "neue Wachstumsstrategie", die Arbeitsplätze schafft und die EU technologisch nach vorne bringt; zieht gar einen Vergleich zum Mondlande-Programm der NASA.

Überzeugen könnte die Skeptiker wohl eher der von der Kommission vorgeschlagene Übergangsfonds. Gefüllt mit rund 100 Milliarden Euro soll er soziale und ökonomische Härten in besonders betroffenen Regionen und Branchen abfedern - nach dem Vorbild des Kohleausstiegs in Deutschland. Außerdem soll die Europäische Investitionsbank, EIB, schrittweise in eine "Klimabank" umgewandelt werden, die nachhaltige Projekte in der gesamten EU finanziert.

Hoffnungen auf ein "starkes und klares Signal"

Unterstützt wird Ursula von der Leyen von Charles Michel. Der Ratspräsident aus Belgien ist ebenfalls neu im Amt und hat die Vertreter der Mitgliedstaaten aufgefordert, das Ziel einer klimaneutralen EU bis 2050 mitzutragen. Er hoffe auf ein "starkes und klares Signal" und dass die Union in dieser wichtigen Frage eine globale Führungsrolle übernimmt, so Michel in seiner Einladung.

Allerdings mahnt der Belgier auch, der Weg zum ehrgeizigen Ziel müsse "fair und ausgewogen" sein und die unterschiedlichen "Realitäten und Ausgangspunkte" der einzelnen Mitgliedsstaaten berücksichtigen.

"Green Deal" erschwert Budgetverhandlungen zusätzlich

Ob Michels und von der Leysens doppelte Gipfel-Premiere ein Erfolg oder ein Fehlstart wird, hängt entscheidend davon ab, ob ihnen Kanzlerin Merkel und ihre Kollegen in Sachen Klimaschutz folgen werden. Und das ist nicht zuletzt eine Frage des Geldes: Sinnigerweise werden die EU-Regierungschefs auf ihrem Advents-Gipfel auch über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) bis 2027 beraten.

Die traditionell schwierigen Verhandlungen über nationale Beiträge, Gesamtvolumen und Verwendung des umfangreichen Gemeinschafts-Budgets für immerhin sieben Jahre ziehen sich auch wegen des Brexits schon seit Monaten hin. Von der Leyens Jahrhundertprojekt "Green Deal" dürfte eine Einigung noch komplizierter machen.

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