Flucht über die Meerenge von Gibraltar Im Gummiboot am Radar vorbei

Stand: 20.05.2013 14:10 Uhr

Große Schiffe kann die Technik der spanischen Grenzschützer schnell entdecken. Immer mehr Flüchtlinge aus Afrika versuchen daher, in Gummibooten über die Meerenge von Gibraltar zu kommen. Für die Helfer wird es damit schwer, sie zu retten.

Von Reinhard Spiegelhauer, ARD-Hörfunkkorrespondent Madrid

An der Meerenge von Gibraltar wacht die Guardia Civil mit einer Art "elektronischem Grenzzaun" aus Kameras, Infrarot und Radar. Das so genannte "SIVE" ist so effektiv, dass es die Flüchtlingsströme von Nordafrika nach Spanien entscheidend beeinflusst hat.

Statt hundert nur noch sieben bis acht Menschen an Bord

Aus eigener Anschauung weiß das Ivan Lima vom Roten Kreuz in Tarifa. Das kleine Städtchen am südlichsten Zipfel des europäischen Festlandes ist bei Wind- und Kitesurfern berühmt, weil fast stetig starker Wind weht. Im kleinen Hafen der Stadt werden aber auch immer wieder Bootsflüchtlinge an Land gebracht, die auf hoher See gerettet worden sind.

"Die Boote früher waren groß und aus Holz, mit um die hundert Menschen an Bord", erzählt Lima. "Jetzt, wo das Überwachungssystem installiert ist, werden so große Boote schnell entdeckt. Deswegen kommen Sie jetzt oft in Gummibooten, wie sie die Kinder am Strand haben. Eineinhalb bis zwei Meter lang, dabei mit sieben oder acht Leuten an Bord."

Gummiboote nicht leicht zu orten

Ein Stück entfernt liegt der Rettungskreuzer "Alkaid" der spanischen Seenotrettung. Eigentlich war für den Morgen eine Übung angesetzt, doch dann kam es anders, erzählt Kapitän Juan Carlos Dujat auf der Brücke des Schiffes. "Am Morgen sind wir wegen eines Flüchtlingsbootes alarmiert worden. Wir sind ausgelaufen, um sie zu suchen, haben sie aber nicht gefunden. Es scheint aber bestätigt, dass die marokkanische Küstenwache die Leute aufgenommen hat."

Die "Alkaid" ist gut zwanzig Meter lang, komplett in leuchtendem Orange gestrichen. Zwei Jet-Antriebe mit knapp 3000 PS bringen das Aluminiumschiff auf 35 Knoten, das sind um die 65 Stundenkilometer. Die Brücke wirkt fast wie ein Flugzeugcockpit. Und trotzdem ist es nicht leicht, die kleinen Gummiboote zu orten, die durch die Maschen des elektronischen Grenzzauns geschlüpft sind.

"Es gibt keine 'übliche' Gegend"

"Es gibt keine konkrete Zone, wo man suchen muss", erklärt Kapitän Dujat. "Es kommt darauf an, von wo sie starten, wie die Strömungen und der Wind sind, ob das Boot einen Motor hat oder nicht. Es hängt von vielen Faktoren ab, man kann es nicht vorhersagen. Oft rufen sie uns an, ohne zu wissen, wo sie sind - dann müssen wir den Hubschrauber und alle Möglichkeiten einsetzen, um die Leute zu suchen. Aber es gibt keine 'übliche' Gegend."

Die Seenotretter steuern Spanien an, die Küstenwache Afrika

Es sind tatsächlich oft die Migranten selbst, die per Handy beim spanischen Roten Kreuz, bei der Seenotrettung oder einfach der 112 anrufen, und um Hilfe bitten. Denn die spanische Küstenwache dirigiert zumindest seetüchtige Boote zurück Richtung Marokko und übergibt sie gegebenenfalls der dortigen Küstenwache - die zivilen Organisationen dagegen bringen die Flüchtlinge zumeist aufs spanische Festland, auch wenn dort die Guardia Civil schon bereit steht.

"Unsere Arbeit ist in erster Linie, die Leute von den Booten zu holen, denn es ist einfach gefährlich, so viele Leute in einem kleinen Boot", erkärt Dujat. "Wir holen sie an Bord, oft sind sie unterkühlt und wir geben ihnen Decken und Wasser. Danach bringen wir sie in einen sicheren Hafen, wo  dann vom Roten Kreuz trockene Kleidung bekommen. Und dann versucht die Guardia Civil, die Personalien fest zu stellen."

"Wenn man ihre Situation zu Hause verbessern könnte..."

Ivan Lima vom Roten Kreuz ist immer einsatzbereit. Vor der Tür der Zentrale steht auch ein Pickup - denn trotz SIVE schaffen es noch immer Flüchtlingsboote auch an der Küste - mit verängstigten, nassen, unterkühlten Menschen an Bord. "Das hier sind Kartons mit warmer Kleidung, mit Schuhen, Unterwäsche, Hemden", so Lima. "Jeder bekommt eine Tüte und noch einen Stoffbeutel, in dem er seine eigenen Sachen verstauen kann. Wir haben immer auch Thermodecken."

20 bis 25 Flüchtlinge kann Ivan mobil versorgen. In der Rotkreuz-Zentrale in Tarifa ist noch mehr Material gelagert. Der junge Mann mit der Hornbrille ist stolz darauf, dass er den Menschen helfen kann, auch wenn eigentlich ganz andere Hilfe nötig wäre - zumindest findet er das: "Wenn man ihre Situation zu Hause verbessern könnte, würden es nicht so viele versuchen. Klar, das ist Ansichtssache - aber das ist meine Meinung. Wenn wir mehr helfen würden, müssten sie nicht emigrieren. Jeder, der unter schlechten Bedingungen lebt, wird versuchen, das zu ändern. Deswegen werden sie weiter versuchen, über die Meerenge zu kommen."

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