Eine Boeing E-3A AWACS landet auf einer Militärbasis in Bucharest.

Flugobjekte in Polen Wie sicher ist die NATO-Ostflanke?

Stand: 19.05.2023 14:30 Uhr

Spionageballons und russische Marschflugkörper: Immer wieder überfliegen unbekannte Flugobjekte Polen. Die NATO will sich auf weitere "provokative Aktionen" vorbereiten. Doch die Sicherheit der Ostflanke hat Lücken.

Suche nach einem ballonartigen Flugobjekt. Wenn Sie das Objekt finden, heben Sie es nicht auf. Informieren Sie umgehend die Polizei!

Diese Meldung kam vergangene Woche in einer automatischen Warn-SMS auf polnische Handys. Das Sicherheitszentrum der polnischen Regierung verschickte sie, nachdem zwei mutmaßlich belarusische Spionageballons die polnische Grenze überflogen hatten. Die Luftwaffe hatte Kampfjets losgeschickt - aber die Ballons sind verschwunden. Einer habe den polnischen Luftraum Richtung Dänemark verlassen, hieß es später. Der andere ist weg - nicht das erste Flugobjekt, das verschwindet.

Verteidigungsminister macht Militär verantwortlich

Vermutlich schon Mitte Dezember war ein russischer Marschflugkörper in einen Wald bei Bromberg gestürzt - und dort liegengeblieben, bis die Trümmer erst im April durch Zufall gefunden wurden. Das sorgt für Verwirrung in Polen - auch politisch. Mariusz Błaszczak, der Verteidigungsminister, lehnt Rücktrittsforderungen allerdings ab - und schiebt die Verantwortung dem polnischen Militär zu. Das habe ihm nicht Bescheid gesagt.

"Die Abläufe im Rahmen der NATO wurden korrekt eingeleitet", erklärte Błaszczak. Die Flugbereitschaft sowie polnische und amerikanische Kampfjets seien aktiviert worden. Auch polnische Radarstationen hätten das Flugobjekt registriert. "Aber die Untersuchungen haben ergeben, dass das Einsatzführungskommando seine Pflicht unterlassen hat, mich zu informieren", so der Verteidigungsminister weiter.

Auf "provokative Aktionen" vorbereitet?

Die NATO war im Bilde, aber das Verteidigungsministerium nicht? Wenn eine russische Rakete, die - so die Berichte - zum Transport nuklearer Sprengköpfe geeignet ist, fast 500 Kilometer ins polnische Landesinnere gelangt? Der polnische Präsident Andrzej Duda hat in dieser Woche mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gesprochen, auch über veränderte Abläufe innerhalb des Verteidigungsbündnisses. Um vorbereitet zu sein auf - so heißt es aus der Präsidialkanzlei - weitere "provokative Aktionen".

Die Vorfälle zeigten vor allem, dass die NATO-Ostflanke nicht undurchdringbar sei, erklärt Militärexperte Mariusz Cielma. "Je niedriger so eine Rakete fliegt, desto schwerer ist sie per Radar zu entdecken. Ich befürchte, in so einem Fall gibt es viele Orte, an denen die NATO-Radare, also vor allem die polnischen, nicht imstande sind, sie zu erkennen. Und wenn, dann nur für einen kurzen Moment."

Die NATO unterstütze effektiv, vor allem mit den "AWACS"-Aufklärungsflugzeugen. Aber diese seien in Deutschland stationiert - dadurch gebe es ein großes Zeitfenster, in denen die Raketen die polnische Grenze überfliegen können, ohne entdeckt zu werden, so der Militärexperte weiter.

Kommandeur appelliert an Vernunft

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki hat inzwischen sein Vertrauen ausgesprochen - dem Verteidigungsminister und dem Militär. Doch die Verwerfungen zwischen Minister und Militär sind groß. Das zeigt der außergewöhnliche Schritt, zu dem sich der Kommandeur des Einsatzführungskommandos entschlossen hat. Der vom Verteidigungsminister gescholtene General Tomasz Piotrowski ging per Social Media an die Öffentlichkeit:

"Ich spreche Sie an mit einem Appell an die Vernunft, damit sich in den nächsten Tagen die Emotionen beruhigen", sagte Piotrowski an Verteidigungsminister Błaszczak gewandt. "Ich appelliere an Sie, dass wir stark und geschlossen sind, dass wir einander unterstützen. Damit es nie mehr zu Situationen kommt, die dem Gegner helfen und uns schaden."

Auch wenn die im polnischen Wald gelandete Rakete mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Ukraine bestimmt war, auch wenn die belarusischen Spionageballons keine direkte Bedrohung für die Bevölkerung darstellen: In Moskau wird mit Sicherheit registriert, wie schnell die NATO an der Ostflanke reagiert - oder eben nicht.

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