Ein libyscher Junge schaut auf ein zerstörtes Gebäude nach einem Luftangriff im Osten der Hauptstadt. (Archivbild)
FAQ

Interessen und Konfliktparteien Wer will was in Libyen?

Stand: 18.01.2020 15:07 Uhr

Seit Jahren herrscht Chaos in Libyen - und je mehr Länder sich einmischen, desto unübersichtlicher wird die Lage. Worum geht es bei dem Konflikt überhaupt? Was will General Haftar? Und wer unterstützt wen? Ein Überblick.

Worum geht es in dem Konflikt?

Seit dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht in dem nordafrikanischen Land ein Bürgerkrieg. Die beiden wichtigsten Konfliktparteien sind die von Ministerpräsident Fayez al-Sarraj geführte Einheitsregierung in Tripolis, die seit 2015 von den UN anerkannt wird, und General Chalifa Haftar. Er unterstützt eine Gegenregierung im Osten des Landes.

Haftars Truppen kämpften zunächst gegen islamistische Milizen in Ost-Libyen und eroberten 2014 die Großstadt Bengasi. Seither haben sie die wichtigsten Städte und Militärbasen im Osten und Süden des Landes eingenommen.

Welches Ziel verfolgt Haftar mit seiner Offensive auf Tripolis?

Haftar kontrolliert zwar einen Großteil des libyschen Staatsgebiets einschließlich der wichtigsten Ölquellen. Von den Öleinnahmen profitiert allerdings die für die Umverteilung zuständige Einheitsregierung in Tripolis.

Im April 2019 beginnt Haftar eine Offensive auf die Hauptstadt Tripolis. Der Vorstoß kam überraschend, da sich Haftar und al-Sarraj zuvor nach jahrelangen Gesprächen auf nationale Wahlen geeinigt hatten. Doch offensichtlich befürchtete der General, dass er dabei nicht gut abschneiden und an Einfluss verlieren könnte. Mitte April war außerdem eine innerlibysche Konferenz unter UN-Leitung geplant, bei der ein Fahrplan für eine politische Lösung erarbeitet werden sollte. Aus Sicht eines Diplomaten befand sich Haftar daher in Eile. Die Entscheidung für die Offensive habe er getroffen, um die "Welt vor vollendete Tatsachen" zu stellen. 

Seine Hoffnung auf einen schnellen Sieg gegen die Regierungstruppen erfüllte sich jedoch nicht. Überrascht wurde Haftar von der Mobilisierung bewaffneter Milizen aus Tripolis, die sich vor einer neuen Militärdiktatur fürchten und ihre Interessen bedroht sehen. Sie drängten Haftars Truppen im Süden von Tripolis zurück. Dort konzentrierten sich seither die Kampfhandlungen. Seit 12. Januar herrscht eine fragile, von Russland und der Türkei vermittelte Waffenruhe zwischen den beiden Konfliktparteien.

Welche internationalen Akteure sind beteiligt?

Haftar wird von mehreren Staaten unterstützt - teils offen, teils verdeckt. Die wichtigsten militärischen Unterstützer des Generals sind die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Ägypten, die im Kampf gegen Islamisten - vor allem der Muslimbrüder - mit Haftar verbündet sind.

Moskau unterstützt den General politisch. Experten zufolge kämpfen zudem etwa 1400 russische Söldner in Libyen. Dies bestreitet Russland zwar - doch selbst für die UN ist es einem Bericht vom Dezember zufolge ein offenes Geheimnis, dass die sogenannte Gruppe Wagner wie schon in Syrien seit einiger Zeit auch in Libyen aktiv ist. Auch Frankreich wird immer wieder vorgeworfen, Haftar zu unterstützen, offiziell weist die Regierung in Paris dies aber zurück.

Welche Interessen verfolgt die Türkei in Libyen?

Die Türkei unterstützt im Libyen-Konflikt die Einheitsregierung in Tripolis. Beobachter halten dies für geopolitisch und ideologisch motiviert. So wolle die Türkei vor allem gegenüber den Regionalmächten Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Gegengewicht bilden.

Hinzu kommen mit Blick auf die Ölvorkommen im östlichen Mittelmeer strategische und wirtschaftliche Interessen Ankaras. Im Herbst hat die Türkei mit der Regierung in Tripolis ein Abkommen über Seegrenzen geschlossen. Dadurch will sich das Land unter anderem Bodenschätze sichern.

Welche Interessen verfolgt Russland?

Moskau sieht in Libyen ein machtpolitisches Vakuum. Für Russland sei eine Präsenz in Libyen eine kostengünstige und sogar lukrative Möglichkeit, die NATO und die EU zu schwächen, sagte der Experte Jalel Harchaoui der Nachrichtenagentur AFP. Aus Moskauer Sicht verkörpere Libyen das "Scheitern des Westens". Mit seinem Engagement in Libyen wolle Russland dem Westen zeigen, dass es dort erfolgreich sei, wo Europa gescheitert sei, so Harchaoui.

Warum setzt sich Deutschland so stark für einen Versöhnungsprozess ein?

Deutschland und die EU wollen die Zahl der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer deutlich reduzieren. Bei diesen Bemühungen spielt Libyen eine Schlüsselrolle: Hunderttausende, die von Afrika nach Europa wollen, ziehen durch das Land. Allerdings gibt es in Libyen keine verlässlichen Partner für Berlin und Brüssel. Die international anerkannte Regierung hat nur wenig Macht und benötigt Hilfe von Milizen, während Haftar immer wieder neue militärische Offensiven startete. Terrorgruppen nutzen die Situation und stellen auch für Europa eine Bedrohung dar.

Der Bürgerkrieg und der damit verbundene Waffenschmuggel sorgen auch für eine Destabilisierung der angrenzenden Sahel-Zone. Libyen verfügt zudem über die größten Erdölreserven des Kontinents.

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