Syrer auf der Flucht aus Raqqa
FAQ

Weiteres UN-Abkommen Was ist der Flüchtlingspakt?

Stand: 17.12.2018 08:43 Uhr

Was steckt hinter dem jetzt beschlossenen UN-Flüchtlingspakt und was unterscheidet ihn vom kürzlich verabschiedeten Migrationspakt?

Von Janina Lückoff, ARD Berlin

Was steht im UN-Flüchtlingspakt?

Ziel des "Globalen Pakts für Flüchtlinge" - so der eigentliche Titel der Vereinbarung - ist es, die Last und die Verantwortung beim Umgang mit Geflüchteten ausgewogen zu verteilen: zwischen allen UN-Mitgliedsländern, Organisationen, der Zivilgesellschaft und den Flüchtlingen selbst. Aus Sicht der Bundesregierung ist der Pakt unter anderem notwendig, "weil bis jetzt 80 Prozent der weltweiten Flüchtlinge in zehn Staaten aufgenommen werden". Regierungssprecher Steffen Seibert betont auch, dass "lediglich 15 Staaten (…) das UN-Flüchtlingskommissariat mit mehr als 20 Millionen US-Dollar" fördern.

Aufnahmeländer wie zum Beispiel Uganda, der Libanon, der Iran oder Jordanien sollen entlastet, die Eigenständigkeit der Geflüchteten gefördert werden. Wer beispielsweise arbeiten darf, wird unabhängiger von Hilfsleistungen. Ein weiteres Ziel beschreibt Martin Rentsch vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR:

"Die meisten Flüchtlinge bleiben in der Region, sie wollen irgendwann nach Hause zurückkehren. Das heißt: Bedingungen schaffen, damit Flüchtlinge auch in Sicherheit und Würde nach Hause zurückkehren können."

Drittes Ziel des Flüchtlingspakts: Wer beispielsweise wegen einer Krankheit als Härtefall eingestuft ist, soll durch Resettlement-Programme in sichere Länder gebracht werden.

Wie unterscheidet sich der Flüchtlings- vom Migrationspakt?

Vor allem in der Personengruppe, um die es geht: "Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und schweren Menschenrechtsverletzungen geflohen sind - um diese Leute, und zwar nur um diese Leute, geht es im UN-Flüchtlingspakt", sagt Martin Rentsch. Im internationalen Recht sei das klar unterschieden und in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegt.

Das heißt: Es geht nicht um Migranten, die ihr Land verlassen, um in einem anderen eine Arbeitsstelle anzunehmen. Während der UN-Migrationspakt zum Beispiel Wanderarbeiter vor Ausbeutung und Menschenhandel schützen will, will der UN-Flüchtlingspakt die Situation von Geflüchteten zum Beispiel in Flüchtlingslagern verbessern, durch besseren Zugang zu Bildung, zu Jobs, zum Gesundheitssystem. Auch darin unterscheidet sich der Flüchtlingspakt: Er baut auf bestehendem, internationalem Recht auf, das in dieser Form für Migranten nicht existiert.

Wer hat den Pakt ausgehandelt?

Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben das Dokument in den vergangenen anderthalb Jahren unter Federführung des UN-Flüchtlingshilfswerks ausgehandelt. Grundlage war, wie auch für den UN-Migrationspakt, die "New Yorker Erklärung": Unter diesem Titel hatte die UN-Vollversammlung 2016 ein Paket von Maßnahmen verabschiedet, um Flüchtlinge und Migranten besser zu schützen.

Die UN-Mitgliedsstaaten bekundeten ihre Solidarität mit beiden Personengruppen sowie den Aufnahmeländern. Und sie formulierten das Ziel, bis 2018 die beiden nun vorliegenden Pakte zu erarbeiten und zu verabschieden.

Logo der Vereinten Nationen

Die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben anderthalb Jahre über den Pakt verhandelt.

Der UN-Migrationspakt wurde bereits per Akklamation auf einem Gipfel im marokkanischen Marrakesch von 164 Staaten angenommen. Auch den UN-Flüchtlingspakt hat ein Ausschuss der Vereinten Nationen bereits im November angenommen. Die gesamte UN-Vollversammlung wird dies formal heute tun.

Muss Deutschland Zugeständnisse machen?

Schon in der Einleitung des "Globalen Pakts für Flüchtlinge" heißt es: "Der Globale Pakt ist rechtlich nicht bindend." Jeder Staat lege selbst fest, inwieweit er sich - auf freiwilliger Basis - am Erreichen der gemeinsam formulierten Ziele beteilige. Regierungssprecher Steffen Seibert betont entsprechend: "Deutschland wird weiterhin selbst entscheiden, welche Flüchtlingspolitik für unser Land angemessen und tragbar ist."

Bindend ist die 1951 vereinbarte Genfer Flüchtlingskonvention, die auch Deutschland unterzeichnet hat. Diese bleibt unangetastet, Deutschland muss also keine weiteren Zugeständnisse machen.

Warum wird über den Flüchtlingspakt weniger diskutiert als über den Migrationspakt?

Alle im Bundestag vertretenen Parteien unterstützen den UN-Flüchtlingspakt, außer der AfD. Markus Frohnmaier, in der AfD-Bundestagsfraktion für Entwicklungspolitik zuständig, schätzt den UN-Migrationspakt als "rechtlich bedrohlicher" ein. Es bestehe die Gefahr, dass sich ein Gewohnheitsrecht ableiten lasse; der Migrationspakt bereite ein weltweites "Recht auf Migration" vor. Das wiege schwerer als der Flüchtlingspakt, der eine Absichtserklärung der Vereinten Nationen sei, so Frohnmaier. Im Bundestag kritisierte er den UN-Flüchtlingspakt jüngst als "globales Umsiedlungsprogramm".

Steffen Angenendt, Leiter der Forschungsgruppe Globale Fragen der Stiftung Wissenschaft und Politik, betont im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk, durch die Genfer Flüchtlingskonvention sei sehr genau definiert, wer Flüchtling sei. Der Flüchtlingspakt sehe Maßnahmen zur Zusammenarbeit vor für Länder, die eine Flüchtlingskrise zu bewältigen haben. Das ist seiner Meinung nach der Grund, warum es da weniger Streit gibt: "Weil der praktische Nutzen des Flüchtlingspakts auf der Hand liegt", so Angenendt.

Oliviero Angeli, der an der TU Dresden zum Thema Migration und Rechtspopulismus forscht, sieht noch einen weiteren Grund: Seiner Ansicht nach haben rechtspopulistische Parteien kein Interesse an einer Diskussion über den Flüchtlingspakt.

"Sie haben per se nicht unbedingt etwas gegen Flüchtlinge, sondern gegen jene, die sich als Flüchtlinge ausgeben und eigentlich aus ihrer Sicht Wirtschaftsmigranten sind. Deswegen wird das Thema Migrationspakt viel stärker in den Vordergrund gerückt als das Thema Flüchtlingspakt."

Rechte Parteien würden sich andernfalls isolieren, meint Angeli.

Dass die UN-Generalversammlung den UN-Flüchtlingspakt annimmt, gilt als sicher - bei der Ausschuss-Abstimmung im November hatten nur die USA dagegen gestimmt, als einziges Land.

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