Der Europarat in Straßburg

Externe Ermittlungen "Starker Korruptionsverdacht" im Europarat

Stand: 22.04.2018 22:22 Uhr

Sie sollen sich für Demokratie einsetzen - doch nun stehen Abgeordnete im Europarat am Pranger. Sie sollen mit Geld aus Aserbaidschan beeinflusst worden sein. Unter Verdacht stehen auch Deutsche.

In der Parlamentarischen Versammlung des Europarats haben mehrere Mitglieder sehr wahrscheinlich Bestechungsgelder und andere Zuwendungen aus Aserbaidschan angenommen. Zu diesem Schluss kommen drei vom Europarat bestellte unabhängige Experten, die in Straßburg ihren Untersuchungsbericht vorlegten.

Es gebe den "starken Verdacht", dass sich einige gegenwärtige und frühere Mitglieder der Versammlung "korrupten Aktivitäten zugunsten Aserbaidschans" hingegeben hätten, stellen die Autoren fest. Namentlich genannt werden unter anderen der ehemalige Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner (CSU) und die Bundestagsabgeordnete Karin Strenz (CDU), beide frühere Mitglieder der Parlamentarier-Versammlung. 

Karin Strenz

Strenz erhielt offenbar Gelder von Lintner, die dieser aus Baku erhalten hatte.

Geldtransfer über Briefkastenfirmen

Lintner war dem Bericht zufolge Aserbaidschans "Schlüssel-Lobbyist". Zwischen 2012 und 2014 erhielt er demnach 819.500 Euro aus Baku. Abgewickelt wurden die Transaktionen über drei Briefkastenfirmen mit Sitz in Großbritannien. Medien gegenüber habe der CSU-Abgeordnete erklärt, die Zahlungen stammten von der in Baku ansässigen Nichtregierungsorganisation "Association for Civil Society Development in Azerbaijan".

Über seine Beraterfirma "Line M-Trade", die von Baku bezahlte Lobby-Arbeit für Aserbaidschan betrieb, beschäftigte Lintner dem Bericht zufolge die CDU-Abgeordnete Strenz. Sie sagte später aus, sie habe nicht gewusst, dass Lintners Firma von Baku finanziert wurde.  

Strenz wird vorgeworfen, gegen den Verhaltenskodex der Organisation verstoßen zu haben. So habe sie Interessenskonflikte nicht offengelegt, bevor sie an Wahlbeobachtungsmissionen in Aserbaidschan teilgenommen habe. Strenz soll über Umwege Geld aus dem Land angenommen haben.

Auch der ehemalige Präsident der Parlamentarischen Versammlung, Pedro Agramunt, steht am Pranger. Es gebe starke Verdachtsmomente dafür, dass er an korrupten Handlungen beteiligt gewesen sei. Eine weitere Schlüsselfigur war demnach der italienische Christdemokrat Luca Volonte.

Gegen Volonte hatte die Staatsanwaltschaft in Mailand Ende 2016 ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption und Geldwäsche eingeleitet, was den Skandal im Europarat ins Rollen brachte. Dabei ging es um Bestechungsgelder aus Aserbaidschan in Höhe von fast 2,4 Millionen Euro - abgewickelt über die gleichen britischen Briefkastenfirmen, über die auch Lintner sein Geld erhielt. 

Europa-Rat in Straßburg

Das Europaratsgebäude in Straßburg

Kaviar, Luxusuhren, Teppiche

Aserbaidschan versucht dem Bericht zufolge seit seiner Aufnahme in den Europarat im Jahre 2001, die Arbeit der paneuropäischen Länderorganisation zu beeinflussen. In der Parlamentarier-Versammlung, der 324 Abgeordnete aus den 47 Mitgliedsstaaten angehören, hat die ölreiche Südkaukasusrepublik nach Informationen von NGOs Abgeordnete mit Geldzuwendungen, aber auch Geschenken wie Kaviar, Luxusuhren oder Teppichen bestochen. Auf diese Weise gelang es ihr, kritische Berichte über Wahlen oder die Menschenrechtslage in dem Land zu verhindern.

Erarbeitet wurde der über 200 Seiten umfassende Bericht von den beiden ehemaligen Richtern am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Nicolas Bratza und Elisabet Fura, sowie Jean-Louis Bruguière, einem der bekanntesten Untersuchungsrichter Frankreichs. 

Der Europarat hat unter anderem zur Aufgabe, über die Einhaltung der Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten zu wachen. Der Organisation mit Sitz in Straßburg gehören alle EU-Staaten an, daneben aber auch Länder wie die Türkei, Russland oder Aserbaidschan. Die Parlamentarische Versammlung mit abgesandten Parlamentariern aus den Mitgliedsländern tagt mehrmals im Jahr und kann zum Beispiel Wahlbeobachter in die Mitgliedstaaten schicken.