Ein Braunbär im Nationalpark Hohe Tatra in der Slowakei (Archivbild: 2020)

Umstrittener Abschuss Umgang mit Braunbären spaltet die Slowakei

Stand: 10.07.2024 11:53 Uhr

Sie durchstreifen Dörfer und greifen auch Menschen an: Braunbären verbreiten in der Slowakei zunehmend Angst. Problemtiere sollen nun leichter erschossen werden - wohl auch aus politischem Kalkül.

Es passiert beim Pilzesammeln oder beim Arbeiten im Wald. Tomas Mozol war wandern im Nordwesten der Slowakei, als ihn ein Bär attackierte. "Er ist auf mich losgerannt und hat mich in den Oberschenkel gebissen. Dann hat er mich mit seiner Pranke umgehauen", schilderte er den Angriff. "Wir sind einen steilen Hang runtergerollt. Das hat uns getrennt. Ich bin auf die Beine gekommen, habe geschrien und bin weggerannt."

16 geschossene Bären in 17 Tagen

Der Mann hatte Glück und trug eine dicke Hose. Im Krankenhaus musste er trotzdem behandelt werden - genau wie gleich fünf Menschen nach einem Bärenangriff mitten in der nordslowakischen Kleinstadt Liptovsky Mikulas. "Jemand muss den Bären aufgescheucht haben, Hunde oder Menschen", sagt Michal Nesticky vom regionalen Jagdverband. "Er war ziemlich aggressiv. Das ist nicht normal. Das haben wir hier noch nie gesehen."

Eine Woche später wurde der Bär aufgespürt und erschossen.

"Ein Bürger hat auch das Recht, Pilze zu sammeln"

Im Mai wurden in der Slowakei innerhalb von 17 Tagen gleich 16 Bären getötet. Bekannt wurde das allerdings erst später. Anders als früher machte die neue Regierung unter Robert Fico das nicht sofort öffentlich. Die Regeln für den Abschuss der streng geschützten Bären hatte sie kurz davor im Schnellverfahren lockern lassen.

"Diese Überpopulation, die wir jetzt erleben, ist das Ergebnis jahrelanger Untätigkeit - ein absolutes Versagen des Staates", behauptet der rechtsnationale Umweltminister Tomas Taraba. "Ein Bürger der Slowakei hat das Recht, dass der Staat sein Leben schützt und seinen Besitz. Er hat auch das Recht, Pilze zu sammeln."

Überbevölkerung? Laut Umweltexperten kein Thema

Auch ein Politiker der Regierungskoalition brüstet sich damit, einen der sogenannten Problembären erlegt zu haben. Er sitzt im Vorstand des slowakischen Jagdverbandes. Neuerdings darf nicht mehr nur ein spezielles Bären-Einsatzteam nach reiflicher Prüfung schießen, sondern auch Jäger. Die warnen schon lange vor einer angeblichen Überbevölkerung von Bären. 

Umweltexperten sehen das anders: Die Zahl von 1300 Tieren sei relativ stabil und nicht wirklich das Problem, sagt der Zoologe Michal Haring. "Ich sehe eher das Problem, dass jetzt völlig auf Prävention verzichtet wird. Es wird nur noch vom Abschuss geredet."

Bären waren auch im Wahlkampf präsent

Berichte über den gedankenlosen Umgang mit Müllcontainern oder sogar über illegale Köderstellen mit Futter für Bären gibt es immer wieder - angelegt von Jägern oder Geschäftsmachern, die Bärentouristen anlocken wollen.

Über Aufklärung zum richtigen Umgang mit Bären macht sich die amtierende Regierung dagegen lustig. Mit Erfolg: Inzwischen halten mehr als zwei Drittel der Befragten die Tiere für eine große Gefahr. In den Wahlkämpfen der vergangenen Monate waren Bären zum Teil präsenter als die umstrittene Justizreform oder die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Robert Fico trifft zur Sitzung der slowakischen Regierung ein.

Premier Fico hat sich den Kampf gegen den Bären auf die Fahnen geschrieben.

Ein politisches Ablenkungsmanöver?

"In der Slowakei ist es oft ähnlich wie in Ungarn", sagt der Ökologe Ondrej Kameniar: "Wenn große Vorhaben umgesetzt werden sollen, von denen Politiker ablenken wollen, dann setzen sie Themen wie die Bären. Das ist ein typisches Beispiel."

Der russlandfreundliche Premier Robert Fico hat sich den Kampf gegen den Bären schon vor seiner Wiederwahl groß auf die Fahnen geschrieben. Gestern nahm Fico zum ersten Mal nach dem Attentat auf ihn wieder an einer Kabinettsitzung teil und verspottete kritische Medien und die Opposition.

Einen Landwirtschaftsbetrieb hat der Regierungschef auch schon besichtigt und die Ernte begutachtet. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis er wieder vor den Bären warnt. Denn als nächstes will er NGOs zu ausländischen Agenten erklären lassen und möglicherweise das Wahlrecht ändern.

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