Drei Polizisten im Norden des Kosovo.
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Konflikt mit Serbien Warum die Spannungen im Kosovo wieder aufflammen

Stand: 02.10.2023 12:37 Uhr

Im Kosovo gab es in der vergangenen Woche erneut Schusswechsel. Die kosovarische Regierung wirft dem serbischen Militär vor, eine Aggression vorzubereiten. Serbiens Präsident dementiert das. Worum geht es in dem Konflikt? Ein Überblick.

Was passiert aktuell im Kosovo?

Die kosovarische Regierung wirft der serbischen Armee vor, am Freitag Militär und Polizeieinheiten in 48 vorgeschobene Operationsbasen entlang der Grenze zum Kosovo verlegt zu haben. Diese könnten aus "drei verschiedenen Richtungen" angreifen. Es seien auch Flugabwehrsysteme und schwere Artillerie in Stellung gebracht worden.

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić dementierte im Gespräch mit der "Financial Times", dass sein Land ein militärisches Vorgehen plane. Er werde den Befehl zum Rückzug serbischer Truppen geben, weil eine Eskalation "kontraproduktiv" für die Bemühungen seines Landes wäre, EU-Mitglied zu werden. Serbien werde nicht seine eigenen jahrelangen Bemühungen zerstören. "Serbien will keinen Krieg", sagte er dem Blatt.

Die Situation war bereits am vergangenen Wochenende eskaliert. Nach Darstellung der kosovarischen Regierung griffen Serben eine Polizeieinheit aus dem Hinterhalt an - ein Polizist wurde getötet. Danach verbarrikadierten sich die etwa 30 schwer bewaffneten Serben in einem orthodoxen Kloster im Nordwesten des Kosovo, nahe der Grenze zu Serbien. Bei Schusswechseln mit der Polizei wurden drei der Angreifer getötet, anschließend wurde ein umfangreiches Waffenarsenal in dem Kloster gefunden. Am Freitag bekannte sich der einflussreiche kosovo-serbische Geschäftsmann und Politiker Milan Radojcic dazu, die Aktion organisiert zu haben.

Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?

Die Bundesregierung hat angesichts des offenbar verstärkten serbischen Truppenaufgebots an der Grenze zum Kosovo davor gewarnt, dass die Spannungen zunehmen könnten. Zwischen Serbien und dem Kosovo dürfe es "keine weitere Eskalation" geben, erklärte das Auswärtige Amt beim Twitter-Nachfolger X. Es sei wichtig, dass Serbien "unverzüglich Truppen an der Grenze reduziert". Das Auswärtige Amt stehe in intensivem Kontakt mit allen Seiten. Der politische Prozess müsse fortgesetzt werden.

SPD, Grüne und FDP sprachen sich für eine Stärkung der NATO-geführten Friedensmission KFOR im Kosovo aus. Dies beinhaltet eine mögliche Entsendung zusätzlicher Bundeswehrkräfte. "Deutschland sollte in Absprache mit den Verbündeten schnell prüfen, ob das KFOR-Mandat komplett ausgefüllt wird, und weitere Soldaten in den Kosovo entsenden", sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter dem "Spiegel"

Die Bundeswehr hat derzeit 85 Soldatinnen und Soldaten im Kosovo stationiert. Das zuletzt im Mai vom Bundestag verlängerte Mandat sieht bis zu 400 Bundeswehrkräfte vor Ort vor. "Da ist also, ohne das Mandat verändern zu müssen, noch deutlich Luft nach oben", sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, ebenfalls dem "Spiegel".

Großbritannien kündigte die Entsendung von 200 zusätzlichen Soldatinnen und Soldaten an. Man werde dies als Teil einer jährlichen Übung tun und komme einer entsprechenden Anfrage der NATO nach, hieß es in einer Mitteilung. Derzeit befinden sich nach NATO-Angaben 400 britische Soldaten vor Ort.

Die US-Regierung forderte, dass die serbische Regierung ihre offenbar an der Grenze zum Kosovo stationierten Truppen abzieht. "Wir beobachten eine große serbische Militärpräsenz entlang der Grenze zum Kosovo", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Dazu gehöre "eine noch nie dagewesene Stationierung von serbischer Artillerie, Panzern und mechanisierten Infanterieeinheiten". Kirby bezeichnete die Entwicklung als "sehr destabilisierend".

Warum gibt es den Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo?

Der Konflikt um den Kosovo ist jahrhundertealt. Für Serbien hat das Gebiet eine besondere Bedeutung, weil sich dort zahlreiche mittelalterliche serbisch-orthodoxe Klöster befinden. Serbische Nationalisten sehen außerdem ein Symbol für ihre Unabhängigkeit in einer Schlacht gegen ottomanische Türken im Jahr 1389 im Kosovo.

Mehrheitlich leben aber ethnische Albaner im Kosovo. Sie sind größtenteils Muslime. Sie betrachten das Gebiet als ihr Land und werfen den Serben vor, sie jahrzehntelang unterdrückt zu haben.

Karte Kosovo und Serbien

Warum kam es in den 1990er-Jahren zur Eskalation?

Um den Status des Kosovo wurde innerhalb der jugoslawischen Föderation lange gestritten. 1989 annullierte der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević alle seit 1963 erworbenen Autonomierechte. Er stufte den Kosovo wieder zu einer "Autonomen Region" herab. Die kosovarischen politischen Institutionen wurden aufgelöst und Subventionen eingestellt. Unterricht in albanischer Sprache wurde verboten. Viele Kosovo-Albaner verloren in den 1990er-Jahren ihre Anstellung in Verwaltung und öffentlichen Unternehmen. Sie wurden vom politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben ausgeschlossen.

1998 gab es einen Aufstand ethnisch-albanischer Rebellen, mit dem sie das Gebiet aus der serbischen Herrschaft befreien wollten. Der darauf folgende Krieg zwischen der jugoslawischen Armee, serbischen paramilitärischen Kräften und der kosovo-albanischen Befreiungsarmee UÇK kostete mehr als 10.000 Menschen im Kosovo das Leben und hinterließ mehr als eine Million Menschen obdachlos.

Es gab Verhandlungen im französischen Rambouillet, die aber scheiterten. 1999 beendete ein NATO-Einsatz den Krieg. Serbische Truppen zogen sich zurück. Am 10. Juni 1999 unterstellten die Vereinten Nationen den Kosovo der Verwaltungshoheit der UN-Mission im Kosovo. Internationale Friedenstruppen übernahmen die Kontrolle.

War der Konflikt damit beendet?

Nein. Im März 2004 gab es nochmals größere Ausschreitungen, bei denen radikale kosovo-albanische Angehörige der serbischen Minderheit und Roma angriffen. Mindestens 19 Menschen kamen dabei ums Leben. Angegriffen und zerstört wurden auch serbische und internationale Einrichtungen.

Die Vereinten Nationen wollten daraufhin den Unabhängigkeitsprozess beschleunigen. Im Februar 2008 erklärte sich der Kosovo für unabhängig - eine "bedingte Unabhängigkeit" unter Aufsicht der internationalen Gemeinschaft.

Ist der Kosovo also jetzt unabhängig?

Das ist umstritten. Mehr als 110 Länder erkennen den Kosovo zwar als Staat an - Serbien jedoch nicht. Und auch andere Länder, darunter Russland, China und die fünf EU-Mitgliedstaaten Spanien, Griechenland, Zypern, Rumänien und die Slowakei, sehen aus unterschiedlichen Beweggründen die Unabhängigkeit des Kosovo als völkerrechtswidrige Verletzung der serbischen Souveränität an.

Seit 2011 finden allerdings regelmäßig Parlamentswahlen im Kosovo statt. Die Regierungsverantwortung wurde nach und nach kosovarischen Institutionen übertragen. Beim Geld ist der Kosovo jedoch noch sehr stark von internationalen Hilfen abhängig. 2020 sah die EU-Kommission Fortschritte bei Reformen der öffentlichen Verwaltung und des Justizsystems und im Kampf gegen Korruption.

Die NATO-Schutztruppe KFOR bleibt im Kosovo stationiert, aber nur noch mit 3.400 Soldaten. Die Truppe unterstützt auch die Rekrutierung der kosovarischen Sicherheitskräfte.

Was wird getan, um den Konflikt zu lösen?

Seit 2011 vermittelt die EU einen Dialog mit dem Ziel, die Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo zu normalisieren. Er ist eng mit der regionalen EU-Integrationsstrategie verknüpft. Serbien konnte 2014 EU-Beitrittsverhandlungen beginnen, der Kosovo unterzeichnete 2015 ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU.

In einigen Bereichen gab es auch Ergebnisse - etwa, dass es Bewegungsfreiheit ohne Kontrollpunkte gibt und dass im Kosovo multiethnische Polizeieinheiten gebildet werden. Damit sollten die serbischen parallelen Polizei- und Justizstrukturen im mehrheitlich von Serben bewohnten Nordkosovo aufgelöst und in die kosovarischen Strukturen integriert werden.

Allerdings zogen sich die Serben im vergangenen Jahr aus der Polizeitruppe zurück, nachdem die kosovarische Regierung erlassen hatte, dass von den Serben ausgestellte Autokennzeichen verboten werden. Der Ministerpräsident des Kosovo, Albin Kurti, zog das Dekret unter internationalem Druck zwar zurück - doch Serbien blieb bei dem Boykott.

Es gibt ständig Spannungen zwischen der kosovarischen Regierung und den ethnisch serbischen Einwohnern. Sie leben größtenteils im Norden des Landes. Versuche der Regierung, dort mehr Kontrolle auszuüben, stoßen häufig auf Widerstand. Im vergangenen April gab es Zusammenstöße, als Serben örtliche Wahlen in der Region boykottierten. Dabei wurden 30 NATO-Friedenssoldaten und mehr als 50 serbische Protestierende verletzt.

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