Die Flagge Russlands an einem Fahnenmast

Rechtliche Lücken geschlossen EU verschärft Russland-Sanktionen

Stand: 20.06.2024 14:31 Uhr

Die EU-Staaten haben sich auf ein 14. Paket mit Russland-Sanktionen verständigt. Damit sollen Schlupflöcher geschlossen werden, durch die Russland bislang an Rüstungsgüter gelangen konnte. Auf Drängen Deutschlands wurden die Pläne abgeschwächt.

Nach wochenlanger Verzögerung durch Deutschland hat die EU beschlossen, ihre Sanktionen gegen Russland zu verschärfen. Die Ständigen Vertreter der Mitgliedsländer einigten sich auf ein "starkes und umfangreiches 14. Sanktionspaket", wie der belgische EU-Ratsvorsitz mitteilte. Damit sollen "Schlupflöcher geschlossen" werden. Bislang führt die Umgehung bestehender Sanktionen in vielen Fällen dazu, dass Russlands Rüstungsindustrie noch immer westliche Technik nutzen kann, um Waffen für den Krieg gegen die Ukraine herzustellen.

Nachdem Deutschland Einfluss genommen hatte, wurden die Pläne aber abgeschwächt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Einigung. Das Paket erschwere Russland den Zugang zu Schlüsseltechnologien und entziehe ihm Energieeinnahmen, schrieb sie auf X. Der formale Sanktionsbeschluss wird laut Diplomaten am Montag beim EU-Außenministertreffen in Luxemburg erwartet.

Laut von der Leyen soll auch das Problem angegangen werden, dass Russland zur Umgehung von Sanktionen auf eine sogenannte Schattenflotte und ein Schattenbankennetzwerk setzt. Um den westlichen Preisdeckel für russische Ölexporte in Drittstaaten zu umgehen, soll Russland beispielsweise Schiffe nutzen, die nicht in Hand westlicher Reedereien sind oder nicht von westlichen Versicherungen versichert wurden. Oft sind diese Schiffe sehr alt und könnten eine Gefahr für die Umwelt darstellen.

Sanktionen gegen Milliardengeschäfte mit LNG

Neben den Maßnahmen gegen die Umgehung von Sanktionen sind in dem Paket auch neue Sanktionen gegen Russlands Milliardengeschäfte mit Flüssigerdgas (LNG) vorgesehen. Nach Angaben von Diplomaten soll verboten werden, dass Häfen wie der im belgischen Zeebrugge zur Verschiffung von russischem LNG in Drittstaaten genutzt werden. Die Vorschrift zielt darauf ab, dass Russland wegen mangelnder Transportkapazitäten im Ergebnis weniger LNG verkaufen und dadurch weniger Einnahmen für seinen Angriffskrieg generieren kann.

Deutschland das neue Ungarn?

Das Sanktionspaket war bereits Anfang Mai von der EU-Kommission vorgeschlagen worden. Deutschland hatte die Einigung aber durch zahlreiche Bedenken und Änderungswünsche verzögert. Die Bundesregierung störte sich vor allem an den Kommissionsvorschlägen zur Sanktionsumgehung über Drittländer: Diese schadeten Deutschland als größter EU-Exportnation mehr als Russland, argumentierte vor allem das Kanzleramt. Die Passage wurde nun offenbar abgeschwächt, zunächst sollen dem Vernehmen nach mögliche Auswirkungen geprüft werden.

Konkret ging es um eine sogenannte "No-Russia"-Klausel, die Deutschland ursprünglich selbst mit angestoßen hatte: Damit soll verhindert werden, dass Russland zivil wie militärisch nutzbare Güter aus EU-Produktion über Drittstaaten wie Kasachstan, die Türkei oder China bezieht. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, diese Klausel zu verschärfen: Die Tochterfirmen europäischer Unternehmen in Drittländern sollten garantieren, dass ihre Waren nicht nach Russland gelangen. Bei Verstößen sollten sie haftbar gemacht werden. Die Bundesregierung hielt dies für eine zu harte Auflage und hatte Änderungen gefordert; nun soll die Regel nach Angaben von Diplomaten nicht für Tochterunternehmen gelten.

Zuletzt habe es sich angefühlt, als ob Deutschland das neue Ungarn sei, sagte jüngst ein EU-Beamter in Anspielung darauf, dass die Budapester Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban in der Vergangenheit immer wieder Entscheidungen für Russland-Sanktionen verzögert hatte. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Vorwürfe als "völligen Quatsch" und machte die Interessen der deutschen Wirtschaft geltend.