Annalena Baerbock spricht vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

Ukraine-Sondertribunal Baerbock-Vorschlag erntet Widerspruch

Stand: 27.01.2023 15:33 Uhr

Außenministerin Baerbock will ein Tribunal unter ukrainischem Recht mit internationalen Richtern einrichten. Dort sollte Russlands Angriffskrieg zur Anklage gebracht werden. Doch in der EU stößt sie damit auf Ablehnung.

Der Vorschlag von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock für ein Ukraine-Sondertribunal, das auf ukrainischem Recht fußt, stößt bei den EU-Justizministern auf Ablehnung. Bei ihrem Treffen in Stockholm unterstützte kein Land explizit den Vorstoß der Grünen-Politikerin.

Baerbock machte den Vorschlag für ein Sondertribunal, weil sie fürchtet, bei den Vereinten Nationen die nötigen Mehrheiten für ein internationales Tribunal zu verfehlen.

Hingegen sprachen sich mehrere Vertreter dafür aus, ein internationales Tribunal zu schaffen und den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Personen aus seinem engsten Umfeld anzuklagen. Baerbock hatte zuvor bereits eingeräumt, dass dies mit ihrem Vorschlag zunächst nicht möglich wäre, sondern wegen der Immunität dieser Personen erst nach Ende derer Amtszeiten.

Verbrechen der "Aggression"

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) ermittelt zwar zu mutmaßlich russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Er kann aber nicht wegen des Verbrechens der "Aggression" - das laut internationalem Recht von der Invasion in ein Land über die Bombardierung bis hin zur Blockade von Häfen reicht - gegen Moskau vorgehen.

Vor dem Den Haager Gericht können laut Statut nur Fälle behandelt werden, in denen Kläger und Beklagte Mitglied des Gerichtshofs sind oder ein Fall vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen überwiesen wird. Russland ist nicht Teil des Gerichtshofs und würde als ständiges Mitglied mit Vetorecht im UN-Sicherheitsrat eine Überweisung an das Gericht wohl blockieren.

Deshalb hatte die EU-Kommission im November zwei Alternativen vorgelegt, wie Moskau für die Aggression zur Verantwortung gezogen werden könnte: Zum einen ein internationales Tribunal. Zum zweiten ein Sondergericht, das auf nationalem Recht fußt und mit internationalen Richtern besetzt ist. Baerbock hatte Mitte Januar in Den Haag für ein Tribunal geworben, das auf ukrainischem Recht fußt, also die zweite Option.

Der belgische Justizminister Vincent Van Quickenborne betonte in Stockholm, die internationale Gemeinschaft müsse "die großen Tiere" in Russland zur Verantwortung ziehen und nicht "einfache Menschen in der Armee". "Wir brauchen einen internationalen Gerichtshof, der nicht nur von der EU unterstützt wird, sondern weltweit", sagte Van Quickenborne zu der Frage der Legitimität des Gerichts.

EU und Ukraine wollen über Strafverfolgung beraten

Die Europäische Union und die Ukraine wollen bei ihrem Gipfeltreffen kommende Woche in Kiew nach Brüsseler Angaben über Möglichkeiten zur Ahndung des russischen Angriffskriegs beraten. "Ein erster Schritt könnte es sein, ein echtes Strafverfolgungsbüro aufzubauen, um Beweise für das Verbrechen der Aggression zu sammeln", sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders.

Eine solche Sonderermittler-Stelle lasse sich "sehr schnell" einsetzen, betonte Reynders. Er verwies auf ein Treffen zwischen der EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen und der ukrainischen Regierung am Donnerstag in Kiew. Dort könnte es nach seinen Worten eine Grundsatzeinigung geben.

Am Freitag in einer Woche findet in Kiew dann ein Gipfel mit von der Leyen, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und EU-Ratspräsident Charles Michel statt.

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