Biden spricht mit Putin Telefon-Diplomatie auf Hochtouren

Stand: 13.02.2022 02:45 Uhr

Biden und Putin, Macron und Putin, Macron und Scholz - nach den verschärften US-Warnungen vor einem russischen Angriff der Ukraine wurde auf höchster Ebene viel telefoniert. Auch Deutschland rief nun seine Bürger auf, die Ukraine zu verlassen.

Eindringlich haben die USA ihre Verbündeten in den vergangenen Tagen gewarnt: Die russische Armee sei vorbereitet und könne die Ukraine jederzeit angreifen. Daraufhin nahmen die diplomatischen Bemühungen um eine Entspannung der Lage noch einmal zu. Am Abend telefonierten US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin miteinander. Eine Stunde habe das Gespräch gedauert, hieß es aus dem Weißen Haus.

Demnach forderte Biden Putin auf, die mehr als 100.000 Soldaten von der Grenze zur Ukraine abzuziehen. Bei einer Invasion würden die USA und ihre Verbündeten entschlossen reagieren, mit hohen Kosten für Russland. Biden habe vor "großem menschlichen Leid" gewarnt. Auch das "Ansehen Russlands" in der Welt würde "geschmälert". Man werde weiter auf Diplomatie setzen, um den Konflikt beizulegen, sei aber gleichermaßen auch auf "andere Szenarien" vorbereitet, so der US-Präsident.

Putin kritisiert fehlenden Druck auf Kiew

Der Kreml teile mit, Putin habe in dem Telefonat ausführlich erläutert, warum jetzt der Zeitpunkt sei, über Sicherheitsinteressen zu diskutieren. Die Antwort der USA auf diesbezügliche russische Forderungen habe die zentralen Bedenken Moskaus nicht berücksichtigt - die Regierung werde sich in Kürze dazu äußern.

Zudem übe der Westen nicht genug Druck auf die Ukraine aus, sich an die Vereinbarungen des Minsker Abkommens zur Befriedung der Ostukraine zu halten. Zu einem möglichen russischen Angriff teilte der Kreml lediglich mit, die Warnungen davor seien inzwischen auf einem absurden Niveau.

"Die Hysterie hat ihren Höhepunkt erreicht", so Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow. Dennoch sei das Gespräch "ziemlich ausgewogen und sachlich" gewesen. Biden habe "eine Reihe von Überlegungen" dargelegt, die aus US-Sicht russische Sorgen über die Sicherheit in Europa berücksichtigten, sagte Uschakow. Putin habe zugesichert, diese Ausführungen zu prüfen.

Keine wesentliche Annäherung

Ein ranghoher Mitarbeiter der US-Regierung betonte laut Nachrichtenagentur dpa, die Dynamik, die sich in den vergangenen Wochen entwickelt habe, habe sich durch das Gespräch nicht grundsätzlich verändert.

Doch auch er sagte, die US-Seite habe Ideen auf den Tisch gelegt mit Blick auf die Sicherheit in Europa, die auch einige Bedenken Russlands berücksichtigen würden. Die beiden Präsidenten hätten vereinbart, dass ihre Teams in den kommenden Tage Kontakt halten sollten. Nach wie vor sei aber nicht ausgeschlossen, dass Russland sich zu einer Militäraktion entscheidet.

Auch Macron sucht das Gespräch

Zuvor hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat mit Putin telefoniert. Nach Angaben aus dem Élysée-Palast beschrieb er die Beunruhigung der europäischen Partner und Verbündeten über die jüngsten Entwicklungen. Die beiden sprachen demnach über die Stabilität und Sicherheit in Europa, sowie ebenfalls über das Minsker Abkommen.

Macron habe gesagt, dass ernsthafte Verhandlungen unvereinbar seien mit einer Eskalation der Spannungen um die Ukraine. Er hatte bereits Anfang der Woche in Moskau mehrere Stunden mit Putin verhandelt.

Dem Kreml zufolge wies Putin in dem Telefonat Berichte über einen unmittelbar bevorstehenden Angriff Russlands auf die Ukraine als "provokative Spekulationen" zurück. Den westlichen Verbündeten Kiews warf er demnach vor, der Ukraine "moderne Waffen" zu liefern. Es würden "Bedingungen für mögliche aggressive Aktionen der ukrainischen Sicherheitskräfte" im Osten der Ukraine geschaffen.

Anschließend telefonierte Macron mit Bundeskanzler Olaf Scholz, wie ein Sprecher bestätigte. Man habe sich vor den Reisen von Scholz kurz über die Lage ausgetauscht. Scholz wird am Montag in der Ukraine und am Dienstag in Russland erwartet.

Deutsche zur Ausreise aufgefordert

Stunden zuvor hatte auch die Bundesregierung ihre Staatsbürger aufgefordert, die Ukraine zu verlassen. "Wenn Sie sich derzeit in der Ukraine aufhalten, prüfen Sie, ob Ihre Anwesenheit zwingend erforderlich ist. Falls nicht, reisen Sie kurzfristig aus", heißt es in einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes.

Das Ministerium warnte: "Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine haben angesichts massiver Präsenz und Bewegungen russischer Militärverbände nahe der ukrainischen Grenzen in den letzten Tagen weiter zugenommen. Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht auszuschließen."

Botschaftspersonal wird reduziert

Die deutsche Botschaft in der Ukraine wird vorerst nicht schließen, allerdings soll ein Teil der Mitarbeiter ausreisen. "Wir werden unsere Botschaft in Kiew offenhalten", sagte Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Besuch in Ägypten. Die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werde aber reduziert.

Dies betreffe auch deutsche Institutionen wie die KfW, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und deutsche Lehrerinnen und Lehrer. Die Familienangehörigen des Botschaftspersonals sollten ebenfalls das Land verlassen.

Mehrere andere Staaten - unter anderem die USA, Großbritannien und Dänemark - hatten ihre Staatsbürger zuvor bereits zur Ausreise aufgefordert. Auch Australien, Italien, Spanien, die Niederlande, Schweden, Polen und Tschechien kündigten dies inzwischen an. Die USA haben auch die amerikanischen Mitarbeiter der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine aufgerufen, das Land angesichts eines möglicherweise drohenden russischen Einmarsches zu verlassen.

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