Vor der Zentrale der Wagner-Gruppe in St. Petersburg (Russland) stehen Polizisten.

Nach Wagner-Meuterei Prigoschins Unternehmen unter Druck

Stand: 04.07.2023 10:21 Uhr

Das Scheitern der Wagner-Revolte hat auch Folgen für die Unternehmen ihres Chefs Prigoschin. Erste Firmen wurden bereits geschlossen, es gab Durchsuchungen der Unternehmenszentrale - und Korruptionsverfahren könnten folgen.

Am vergangenen Freitag um 13:12 Uhr erschien die letzte aktuelle Nachricht auf RIA FAN. Es ging um Schwierigkeiten bei der Lieferung von F-35-Kampfjets in den USA. RIA FAN, das steht für Russische Föderale Nachrichtenagentur - und informierte strikt pro-Putin, pro-Prigoschin und gegen Oppositionelle wie den Kremlkritiker Alexej Nawalny oder kritische Journalisten. 

Ihr Chef, Jewgenij Subarew, verkündete kurz nach der letzten Agenturmeldung: "Wir schließen und verlassen den Informationsraum des Landes - mit uns geht die gesamte Mediengruppe Patriot."

Weitverzweigtes Firmennetz

Freiwillig kam das Ende nicht. Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hatte den Zugang zu allen Töchtern der von Jewgenij Prigoschin kontrollierten Medienholding Patriot ohne weitere Erklärung blockiert.

Ob die 2019 gegründete Medienholding vollständig aufgelöst oder Teile von einem anderen Oligarchen übernommen werden, ist derzeit unklar. Klar ist aber, dass nach Prigoschins bewaffnetem Aufstand mithilfe seiner Söldnergruppe Wagner auch andere Unternehmen seines riesigen und etliche Branchen umfassenden Firmennetzes im Visier des Kreml sind.

Trollfabrik geschlossen

So soll es auch die "Agentur für Internetforschung" (IRA) nicht mehr geben. Prigoschins Trollfabrik, berüchtigt für Desinformation und Manipulation im Sinne des Kreml, soll unter anderem den US-Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2016 zugunsten des späteren Siegers Donald Trump beeinflusst haben.

Erst im Februar hatte Prigoschin öffentlich eingeräumt, die Trollfabrik gegründet zu haben. Auch deren Tätigkeit wurde nach dem Aufstand der Gruppe Wagner zumindest ausgesetzt.

Milliardenzahlungen vom Staat

Offiziell ließ sich lange abstreiten, dass der russische Staat etwas mit politisch heiklen Einsätzen des privaten Militärunternehmens Wagner im Nahen Osten oder in Afrika zu tun hatte. Dagegen war der Einsatz von Wagner-Söldnern im Krieg gegen die Ukraine kein Geheimnis, insbesondere nicht die äußerst brutal geführte Besetzung der ukrainischen Stadt Bachmut.

Aber die engen finanziellen Beziehungen räumte der russische Präsident Wladimir Putin erst nach dem gescheiterten Aufstand ein: "Der 'Lebensunterhalt' der gesamten Wagner-Gruppe wurde komplett vom Staat übernommen. Vom Verteidigungsministerium, aus dem Staatshaushalt haben wir die Gruppe komplett finanziert."

Obwohl private Militärunternehmen in Russland gar nicht erlaubt sind, flossen von Mai 2022 bis Mai 2023 nach Putins Angaben umgerechnet über 930 Millionen Euro an die Gruppe Wagner, im Wesentlichen für Gehälter. Überweisungen in dieser Größenordnung dürften nun Geschichte sein.

Drohung von Putin

Während der bewaffneten Revolte und dem Marsch Richtung Moskau sprach Prigoschin drohend von etwa 25.000 aktiven Wagner-Kämpfern. Gehen die tatsächlich in größerer Zahl nach Belarus? Ist auch Prigoschin dort? Putin hat ihm zwar Straffreiheit zugesichert, aber den Namen seines langjährigen Vertrauten - dem jetzigen Verräter - nimmt Putin nicht mehr in den Mund.

Auch nicht, als er vergangene Woche über Concord sprach, ein weiteres, äußerst einkömmliches Unternehmen Prigoschins: "Der Besitzer der Firma Concord hat weitere 80 Milliarden Rubel verdient, indem er Nahrungsmittel an die Armee lieferte und weitere Dienstleistungen anbot."

Und Putin weiter: "Ich hoffe, dass niemand dabei etwas geklaut hat. Oder sagen wir mal so: nicht viel gestohlen hat. Aber natürlich werden wir das auf jeden Fall klären." Es klang nach einer Drohung, als könnten diese umgerechnet 830 Millionen Euro zu Ermittlungen gegen den 62-jährigen Prigoschin führen.

Staats-Caterer Concord

Prigoschin hatte seine Unternehmerlaufbahn in den 1990er-Jahren in St. Petersburg als Restaurantbesitzer begonnen, wo er den späteren Präsidenten Putin kennenlernte, von dem er gefördert wurde, dann Staatsbanketts ausrichtete und Edelrestaurants eröffnete. Schließlich baute er mit Concord ein riesiges Catering-Unternehmen auf, das Schulen, vor allem aber die russische Armee, mit Essen belieferte.

Dmitri Kisseljow, Moderator und Chef der staatlichen Fernsehholding, mutmaßte, dass das vom Verteidigungsministerium geplante Auslaufen der lukrativen Verträge ein Grund für Prigoschin gewesen sein könnte, den Aufstand gegen die Ministeriumsspitze zu wagen.

Aber beim Durchrechnen der Concord-Verträge kam Kisseljow im Staatsfernsehen auf eine ganz andere Summe als Putin: "Prigoschins Holding Concord erbrachte Dienstleistungen für 845 Milliarden Rubel". Das wären umgerechnet sogar neun Milliarden Euro. Wofür genau? Danach wurde Präsidentensprecher Dmitri Peskow am Montag gefragt. Eine Antwort hatte er nicht.