Stoltenberg begrüßt Iohannis und Rutte auf dem NATO-Gipfel in Den Haag im Juni 2023

Suche nach Stoltenberg-Nachfolger Ost-West-Konflikt in der NATO

Stand: 23.03.2024 15:23 Uhr

Unerwartet hat der scheidende niederländische Regierungschef Rutte Konkurrenz im Kampf um den NATO-Chefposten bekommen. Auch Rumäniens Präsident Iohannis bewirbt sich. Wer hat die besseren Karten?

Es war vielleicht ein Zufall, dass der rumänische Präsident Klaus Iohannis als erster Staatschef beim Atomgipfel in dieser Woche in Brüssel sprechen durfte. Die Bühne war jedenfalls groß, Staats- und Regierungschefs auf der ganzen Welt saßen im Saal - und auch sein Konkurrent, Mark Rutte, scheidender Regierungschef der Niederlande.

Eine gute Gelegenheit also, einen neuen Blick auf zwei Politiker zu werfen, die beide an die Spitze der NATO streben. Rutte und Iohannis sind auf den ersten Blick recht unterschiedlich. Rutte, der gerne den fröhlichen Holländer gibt, der oft mit dem Fahrrad unterwegs ist, keine Familie hat und länger als jeder andere Politiker vor ihm an der Spitze der niederländischen Regierung stand.

Iohannis dagegen ist ein eher schwerfälliger Redner, hat Physik studiert, kommt, wie er selbst, sagt aus kleinen Verhältnissen in Siebenbürgen. Der 64-Jährige steht nun schon seit zehn Jahren an der Spitze Rumäniens. Er weiß also auch, wie man sich Macht sichert.

Bei seiner Bewerbung sagte er: "Angesicht der anhaltenden Bedrohung durch Russland könnte Rumänien zu einer neuen Vision beitragen." Wie diese allerdings aussehen soll, bleibt vage. Ein Teil der NATO-Staaten hätte durchaus Sympathien für einen Generalsekretär aus dem Osten Europas. Ungarn zum Beispiel, die Türkei hat sich noch nicht entschieden.

Die "großen Vier" haben sich entschieden

In Berlin, Paris, London und Washington ist man dagegen eindeutig für Rutte. Und die USA hätten bei dieser Personalie das letzte Wort, sagt Max Bergmann, NATO-Experte beim Center for Stategic and International Studies (CSIS) in Washington. Was aus seiner Sicht für den Niederländer spricht: "Mark Rutte hat gezeigt, dass er ein guter Kandidat ist. Er kann Länder zusammenbringen und eine Vereinbarung erzielen, das ist wichtig."

Die USA hätten außerdem die Sorge, dass sich bei einem Osteuropäer an der Spitze der NATO alles nur noch um Russland drehe. Es gebe aber auch noch andere Bedrohungen, zum Beispiel in Nordafrika, meint Bergmann.

Der rumänische Präsident Iohannis nutzt indes den Umstand, dass es unter den Osteuropäern grummelt, weil sie bislang bei wichtigen Posten in der EU und der NATO übergangen wurden. Und so mag seine Bewerbung vielleicht auch taktische sein im Kalkül, dass man ihm, wenn es nicht mit der NATO klappt, einen anderen Chefposten anbieten muss.

Iohannis und Rutte mit Macron, Orban, Denkov und Grossi auf dem Atomenergie-Gipfelin Brüssel im März 2024

Jedes gemeinsame Auftreten Iohannis (r.) und Rutte (2.v.r.) wird nun unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz um die Stoltenberg-Nachfolge betrachtet - auch beim Atomenergie-Gipfel in Brüssel.

Der Faktor Trump

Aber jetzt geht es erst einmal um die NATO. Beide Bewerber erfüllen wichtige Voraussetzungen: Man muss schon mal Regierungschef gewesen sein, um auf Augenhöhe mit den anderen 32 Schwergewichten über Geld, Waffen und atomare Abschreckung zu verhandeln. Und der unter ihnen vielleicht mächtigste Mann, der US-Präsident, könnte bald erneut Donald Trump heißen. Beide Kandidaten haben ihn schon einmal getroffen.

In der NATO gilt Rutte als "Trump-Flüsterer", seit es ihm 2018 auf einem NATO-Gipfel in einer Diskussion über Verteidigungsausgaben gelang, einen wütenden Trump zu beruhigen. Dabei hatte die niederländische Regierung unter Rutte selbst immer wieder das NATO-Ziel verpasst, zwei Prozent des Haushaltes für Verteidigung auszugeben. Andererseits tragen ihm Ungarn und die Türkei Reibereien aus der Zeit nach, als die NATO um den Beitritt Schwedens rang.

Ruttes Bilanz als Regierungschef ist allerdings nicht makellos. Er musste zurücktreten, weil seine Regierung Familien fälschlicherweise des Sozialbetrugs beschuldigt hatte. Ein vergleichsweise kleiner Streit in der Asylpolitik, der ihn im vergangenen Jahr den Regierungsposten kostete. Daraufhin verkündete er seinen Rückzug aus der Politik. Die Neuwahl gewann dann der Rechtspopulist Geert Wilders.

Wen kann Iohannis überzeugen?

Iohannis, so ist in den Medien des Landes zu lesen, sei wiederum niemand, der sich in ein Abenteuer stürze und habe vor seiner Kandidatur schon Gespräche geführt. Ob das für eine erfolgreiche Kandidatur reicht, ist ungewiss. Dazu müsste er eine substantielle Zahl weiterer Staaten auf seine Seite ziehen, und das zeichnet sich bislang nicht ab.

So ist Rutte die Favoritenrolle kaum zu nehmen. Er kennt sie alle und ist nach Viktor Orban der dienstälteste Regierungschef der EU. Außerdem hat er den Niederlanden eine einflussreiche Stimme in Europa gegeben.

Iohannis dagegen bleibt ein Außenseiterkandidat. Aber in Europa hat man das Signal der Osteuropäer gehört, dass man künftig auch einen Chefposten bekommen möchte. Nach der Europawahl im Juni werden ja einige neu besetzt.

 

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