Boote versuchen das Feuer auf dem Frachter "Fremantle Highway" vor der Küste der niederländischen Insel Ameland zu löschen.
interview

NABU-Experte zum Frachterbrand "Die Umweltkatastrophe ist schon da"

Stand: 28.07.2023 02:49 Uhr

Die brennende "Fremantle Highway" bedroht das sensible Ökosystem des Wattenmeers. NABU-Meeresschutz-Experte Detloff erklärt im Interview, was der Natur droht und welche der möglichen Szenarien vorzuziehen sind.

NDR Info: Die verunglückte "Fremantle Highway" hatte gerade erst in Bremerhaven abgelegt, war also noch fast voll betankt. Zu den 1.600 Tonnen Schweröl und weiteren 200 Tonnen Marinediesel an Bord kommen möglicherweise noch die Tankinhalte der geladenen Autos und auch die Verbrennungsrückstände der Lithiumbatterien der E-Autos. Was wäre aus Ihrer Sicht die beste Option: Dass das Feuer den Tanker ausbrennt und man ihn dann wegschleppen kann? 

Kim Detloff: Es brennen zu lassen und zu hoffen, dass das Feuer die Nahrung verliert, ist sicherlich eine gute Option. Die zweite ist, das Schiff möglichst schnell in einen Nothafen zu schleppen und dann Feuerlöschmannschaften an Bord zu kriegen, wenn das für die Menschen möglich ist. Und die dritte ist, das Schiff versuchen zu "beachen", wenn es zu sinken droht. Das heißt, es gezielt auf Grund laufen zu lassen, um eine Bergung von Treibstoffen oder von Ladung zu ermöglichen.

Im Moment allerdings versucht man das Schiff weiter raus auf See zu schleppen und es weiter weg vom Wattenmeer zu kommen. Das ist auch eine Möglichkeit, um Zeit zu gewinnen.

Kim Detloff
Zur Person
Kim Detloff leitet den Bereich Meeresschutz beim Naturschutzbund NABU.

"Wir haben unterschiedliche Windlagen"

NDR Info: Wir hören aus den Niederlanden die Einschätzung, dass die Gefahr einer Ölpest gesunken sei, weil sich das Öl Richtung Nordsee ausbreiten würde. Ist das besser zu bewerten, als wenn es an die Küste drücken würde?  

Detloff: Absolut. Wir haben unterschiedliche Windlagen im Moment, hatten lange Zeit westlichen Wind, sodass austretendes Öl in die Deutsche Bucht und die deutsche Küste gedrückt worden wäre. Jetzt scheint der Wind gerade ein bisschen gedreht zu haben. Da kann man mit den Verdünnungsseffekten der Nordsee arbeiten und man hat bessere Möglichkeiten, auf der offenen See möglichst viel Öl einzusammeln. Es sind ja auch Ölbekämpfungsschiffe vor Ort. Das wäre natürlich schwieriger, wenn das Öl erst mal die Küste erreicht und in die Sedimente einsickert.

Außerdem haben wir gerade Millionen von Eiderenten und Brandgänsen, die zurück ins Wattenmeer kommen. Die wären sofort betroffen, wenn das Öl an die Küsten kommt. Man kann deshalb versuchen, den Schaden auf der hohen Nordsee besser zu bekämpfen.  

"Auch jetzt gibt es schon kontaminiertes Löschwasser"

NDR Info: Nochmal zur Ist-Situation zurück: Wir haben gehört, dass man mit dem Löschwasser sehr vorsichtig umgehen musste, damit die Schräglage des Frachters nicht noch verschlimmert wird. Aber das Löschwasser rinnt auch jetzt schon ins Meer, es gelangen also auch Öl oder Lithium ins Wasser. Ist das schon ein Problem?

Detloff: Tatsächlich ist die Umweltkatastrophe jetzt schon da. Wir haben natürlich Angst vor diesem Horrorszenario, dass noch mal 1.600 Tonnen Schweröl und 200 Tonnen Marinediesel in die Umwelt gelangen.

Aber auch jetzt gibt es schon kontaminiertes Löschwasser und kontaminiertes Kühlwasser. Es verbrennen Schadstoffe, Giftstoffe, Schwermetalle, Kunststoffe, Batterien und Öl. Und diese Bestandteile gelangen schon jetzt über das Kühlwasser ins Ökosystem, sodass es lokal zu Verunreinigungen kommt. Aber das ist noch nichts im Vergleich zu dem, was uns droht, wenn das Schiff tatsächlich sinken sollte.  

"Man muss versuchen, Treibstoff und Ladung zu bergen"

NDR Info: Angenommen, der Frachter würde auseinanderbrechen oder sonst sinken - dann wären die Schadstoffe nicht mehr so leicht zu erreichen. Gibt es eine Möglichkeit, das noch zu verhindern?

Detloff: Ja, man muss versuchen, Treibstoff und Ladung zu bergen. Das geht eben über Wasser besser als unter Wasser. Dort ist das fast ausgeschlossen, weil dann auch die Hülle und Tanks bersten werden. Insofern sollte man versuchen, das Schiff in einen Nothafen zu schleppen oder gezielt auf Grund zu setzen, damit eine Bergung möglich ist.

Aber im Moment scheinen die Experten vor Ort, den anderen Weg zu wählen und zu hoffen, in der Weite der Nordsee die besten Bekämpfungsmöglichkeiten zu haben. Es ist schwierig, das aus der Entfernung vom Schreibtisch zu beurteilen.  

"Es wird nicht richtig gut ausgehen für die Natur"

NDR Info: Aber beim gezielten auf Grund setzen wäre das Risiko für das Wattenmeer wieder größer?

Detloff: Absolut, das ist das Dilemma, in dem sich die Rettungskräfte jetzt befinden. Wie soll der Bergungsversuch stattfinden? Weg vom Wattenmeer, in tieferes oder in flacheres Wasser? Das hängt natürlich von der Situation vor Ort ab: Wie stabil ist das Schiff noch? Kann man es noch einige Tage über Wasser halten und vielleicht doch, wenn das Feuer weniger brennt, Treibstoff abpumpen? Das würde für die Nordsee-Lösung sprechen.

Aber wenn das Schiff in nächster Zeit droht zu kentern, dann ist, wie mir Experten versichert haben, das "Beachen", also das auf Grund setzen, eine gute Möglichkeit, das Gröbste zu verhindern. Es wird nicht richtig gut ausgehen für die Natur, so oder so. Das ist leider zu befürchten.  

Das Gespräch führte Birgit Langhammer, NDR Info. Für die schriftliche Fassung wurde es redigiert.

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