Emmanuel Macron
analyse

Migrationsgesetz in Frankreich Macrons Tabubruch

Stand: 21.12.2023 14:58 Uhr

Frankreichs Präsident Macron hat der Rechten beim verschärften Migrationsgesetz massive Zugeständnisse machen müssen. Dies zeigt, wie gering sein Spielraum geworden ist. Davon profitiert ausgerechnet eine, die Macron eigentlich stoppen wollte.

Eine Analyse von Sabine Rau, ARD Paris

Der Präsident ging - wieder einmal - zur besten Sendezeit ins Fernsehen. Die französischen Medien waren sich an diesem Tag so einig wie selten gewesen und hatten unisono getitelt: "Regierungskrise". Denn das am Vortag verabschiedete verschärfte Einwanderungsgesetz spaltet die Republik und ist umstritten wie kaum ein anderes Gesetz.

Emmanuel Macron musste - wieder einmal - seine Politik, seinen Führungsstil verteidigen: "Absolut notwendig" und zum "Schutz der Franzosen" sei das neue Gesetz, erklärte er am Abend. Doch der Präsident zahlt einen hohen Preis dafür.

Verhandlungen bis tief in der Nacht

Vorausgegangen war ein beispielloser Abstimmungskrimi in der Assemblée Nationale. Fernsehkanäle berichteten live. Das Gesetz stand bis zuletzt auf der Kippe. Macron hat seit der Wahl keine ausreichende eigene Mehrheit mehr im Parlament und die Unterstützung in den eigenen Reihen bröckelt.

In einer stürmischen, aufgeheizten Nachtsitzung versuchte Innenminister Gérald Darmanin, das umstrittene Vorhaben ein letztes Mal zu rechtfertigen. Kurz vor Mitternacht fiel dann die Entscheidung: 349 Stimmen pro, 186 Stimmen contra. Ein Viertel der Macronisten verweigerten die Zustimmung.

Damit wurde das Gesetz angenommen - mit den Stimmen des rechtsextremen Rassemblement National von Marine Le Pen. Ein Tabubruch, ein Paradigmenwechsel. Macron, der seinen zweifachen Wahlsieg nicht unwesentlich dem Versprechen verdankte, dem Rechtsextremismus und Nationalismus die Stirn zu bieten, geht mit den Stimmen derer nach Hause, die er zu bekämpfen versprach.

Macrons Plan sah anders aus

Das Migrationsgesetz galt als das wichtigste Projekt seiner zweiten Amtszeit. Sein ursprünglicher Plan war es, Zuwanderungsregeln sowohl zu erleichtern, als auch zu verschärfen und so gleichzeitig linke und rechte Politik zu betreiben. "En même temps" lautet dieses Credo der Gleichzeitigkeit.

Im Falle des Zuwanderungsgesetzes hieß das: Erleichterungen für Migranten in Arbeit, schnellere Abschiebungen für abgelehnte Asylbewerber und Straftäter.

Mit dieser Doppelstrategie wollte er im Parlament sowohl die linke als auch die rechte Opposition umwerben, auf deren Stimmen er angewiesen ist.

Scheitern und Richtungswechsel

Doch die Strategie ging nicht auf: Die Linke wies den Gesetzesentwurf brüsk zurück, die rechten Républicains stellten knallharte Bedingungen.

Macron schwenkte in Richtung rechts. Es folgten quälende Verhandlungen, die früheren Gaullisten stellten immer neue Forderungen, der Gesetzentwurf wurde immer weiter verschärft. Von Erleichterungen war längst keine Rede mehr.

Gleichzeitig rumorte es in Macrons Lager. Marine Le Pen sah gelassen von der Seitenlinie zu. Schließlich kam es zu einem Kompromiss im Vermittlungsausschuss. Das Ergebnis ist nun, dass EU-Ausländer schwerer Zugang zu Sozialleistungen bekommen sollen, dass es kein erleichtertes Bleiberecht für arbeitende Migranten geben und der Familiennachzug erschwert werden soll. Das Ziel ist, Migranten möglichst davon abzuschrecken, nach Frankreich zu kommen.

Le Pen triumphiert

"Ein ideologischer Sieg des Rassemblement National", triumphierte Parteichefin Le Pen, denn damit sei klar: "Franzosen werden gegenüber Ausländern bevorzugt", und ohne zu zögern werde ihre Partei für die Gesetzesvorlage der Regierung stimmen. Und so kam es denn auch.

Damit hat Macron das wichtigste Regierungsprojekt seiner zweiten Amtszeit mit den Stimmen von Rechten und Rechtsaußen durchgesetzt. 32 Departements haben bereits angekündigt, das Gesetz nicht umzusetzen, die Gewerkschaften machen mobil, ein Minister trat zurück.

Wegbereiter für Le Pen?

Macron, der einst als liberaler Reformer mit Unterstützung der Linken antrat, hat die französische Republik nach rechts verschoben. Er hofft, so Le Pen als nächste Präsidentin verhindern zu können. Tatsächlich legt sie in allen Umfragen stetig zu und lag zuletzt sogar auf Platz eins aller Bewerber.

Macron versicherte bei seinem TV-Auftritt, er werde in seiner verbleibenden Amtszeit von immerhin dreieinhalb Jahren noch wichtige Reformen vorantreiben. Doch sein Spielraum ist begrenzt.

Seine Politik des "en même temps" ist gescheitert. Die Linke hat er verloren. Er kann, wenn überhaupt, nur noch zusammen mit der Rechten Gesetzte durchbringen und regieren. Nicht ausgeschlossen, dass der einstige Hoffnungsträger der französischen Politik zum Wegbereiter einer Präsidentin Le Pen wird.

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