Wladimir Putin

Nach Vorstoß der Ukraine Ausnahmezustand im Gebiet Kursk verhängt

Stand: 08.08.2024 11:36 Uhr

Nach dem ukrainischen Vorstoß im Gebiet Kursk haben die russischen Behörden den Ausnahmezustand verhängt. Es gebe Gefechte, die Lage sei aber "unter Kontrolle", so der Vize-Gouverneur. Präsident Putin warf Kiew eine "Provokation" vor.

Nach dem Vorstoß ukrainischer Truppen ins russische Gebiet Kursk ist in der Region der Ausnahmezustand verhängt und der Schutz für das dortige Atomkraftwerk erhöht worden. "Die Region Kursk ist weiterhin mit einer schwierigen operativen Situation in den Grenzgebieten konfrontiert", teilte der geschäftsführende Gouverneur des Gebiets Kursk, Alexej Smirnow, bei Telegram mit. Er leite einen Operationsstab, der rund um die Uhr arbeite.

"Stabil und unter Kontrolle"

Es gibt weiterhin Gefechte zwischen russischen und eingedrungenen ukrainischen Truppen. Die Lage sei "stabil und unter Kontrolle", erklärte der Vize-Gouverneur der Grenzregion der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti zufolge. Die ukrainischen Truppen seien zurückgedrängt worden. Vier Menschen sind laut RIA getötet worden.

Russische Einwohner evakuiert

Im benachbarten Gebiet Orjol traf eine erste Gruppe von evakuierten Einwohnern des russischen Grenzgebiets ein. Angaben des russischen Gesundheitsministeriums zufolge wurden durch ukrainischen Beschuss im Kursker Gebiet mehr als 30 Menschen verletzt. Davon seien mindestens 19 in Krankenhäuser eingeliefert worden. Unter den Verletzten ist auch der bekannteste Kriegskorrespondent des russischen Fernsehens, Jewgeni Poddubnyj. Das Staatsfernsehen meldete, er werde in einem örtlichen Krankenhaus behandelt. Medienberichten zufolge erlitt er infolge eines Drohnenangriffs starke Verbrennungen.

Karte der Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Karte der Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Verstärkter Schutz für AKW Kursk

Parallel dazu verstärkte die russische Nationalgarde den Schutz für das Atomkraftwerk Kursk, das vier Blöcke und eine Leistung von fast zwei Gigawatt hat und sich nur gut 60 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt befindet. Außerdem seien zusätzliche Kräfte für die Bekämpfung von Sabotage- und Aufklärungstrupps in den Gebieten Kursk und Belgorod herangezogen worden, teilte die Behörde mit. Das geschehe in Kooperation mit den russischen Grenztruppen und der Armee. Die Angaben beider Kriegsparteien lassen sich in aller Regel nicht unabhängig überprüfen. 

Dieses vom amtierenden Gouverneur der Region Kursk, Alexej Smirnow, über seinen Telegrammkanal veröffentlichte Foto zeigt ein beschädigtes Haus in Kursk nach Beschuss.

Dieses vom amtierenden Gouverneur der Region Kursk, Alexej Smirnow, über seinen Telegrammkanal veröffentlichte Foto zeigt ein beschädigtes Haus in Kursk nach Beschuss.

Gasversorgung betroffen?

Tags zuvor hatten ukrainische Truppen unterstützt von Panzern und Artillerie die russische Grenze vom Gebiet Sumy aus bei Sudscha überschritten und Berichten zufolge mehrere Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht. Russischen Angaben nach sind gut 1.000 ukrainische Soldaten an der Operation beteiligt. Unbestätigten Berichten zufolge seien sie dabei bis zu 15 Kilometer in Richtung des Atomkraftwerks vorgedrungen. 

Unmittelbar hinter der Grenze könnte damit auch die Gasmessstation Sudscha unter ukrainische Kontrolle geraten sein. Über diese läuft der Transit von russischem Erdgas durch die Ukraine und weiter in die Slowakei und nach Österreich. 2023 wurden auf diesem Wege trotz des laufenden Krieges 14,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas in die Europäische Union transportiert. Ein auf ukrainischen Kanälen verbreitetes Video zeigte zudem angeblich im Gebiet Kursk rund 20 gefangengenommene russische Grenzsoldaten. Unabhängig bestätigen ließen sich die Aufnahmen nicht.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Putin spricht von "groß angelegter Provokation"

Russlands Präsident Wladimir Putin warf Kiew eine "groß angelegte Provokation" vor. Die Ukraine feuere "wahllos, mit Waffen verschiedener Art, auf zivile Gebäude, Wohnhäuser und Krankenwagen", sagte er bei einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit Regierungsmitgliedern. Er wolle sich mit den Chefs seiner Sicherheitsdienste über eine Reaktion beraten. 

Der Vize-Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, drohte mit einer Ausweitung der Invasion in der Ukraine. Der russische Militäreinsatz dürfe sich nicht mehr nur darauf beschränken, die Gebiete in der Ukraine zu sichern, die Russland als sein Gebiet betrachte, sagt der Ex-Präsident. Vielmehr sollten die Streitkräfte in Richtung der Städte Odessa, Charkiw, Dnipro, Mykolajiw, Kiew und darüber hinaus drängen.

Aus Kiew hatte es zunächst keinen Kommentar zu den Ereignissen in der Grenzregion gegeben. Nun äußerte sich der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak. Die russische Aggression gegen die Ukraine sei die Ursache für die Eskalation in der Region Kursk und Belgorod, so Podoljak auf der Plattform X.

Russische Angriffe im Gebiet Sumy

Der ukrainische Generalstab informierte wiederum über starken russischen Gleitbombeneinsatz im grenznahen Bereich des an Kursk grenzenden Gebiets Sumy. Es seien allein dort etwa 30 Gleitbomben abgeworfen worden. Zudem wurden demnach ein halbes Dutzend Orte durch russische Artillerie beschossen.

Das russische Verteidigungsministerium zeigte am Abend ein Video vom Einsatz einer Kurzstreckenrakete des Typs "Iskander-M". Der Raketenangriff mit einem Streubombensprengkopf habe einer ukrainischen Truppenkonzentration unweit der russischen Grenze im Gebiet Sumy gegolten. Auch diese Angaben waren nicht überprüfbar.

Angesichts der schweren Kämpfe im russischen Nachbargebiet Kursk und des russischen Beschusses ordneten die ukrainischen Behörden Evakuierungen weiterer Orte in der Grenzregion Sumy an. Die Maßnahmen betreffen 23 Siedlungen, wie der Militärgouverneur von Sumy im ukrainischen Fernsehen mitteilte. Etwa 6.000 Menschen, darunter mehr als 400 Kinder und Jugendliche, sollen aus der grenznahen Region in Sicherheit gebracht werden. 

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