Die Statue von Edward Colston fällt in Bristol ins Wasser und wird dabei von vielen Menschen gefilmt.
Hintergrund

Streit um koloniales Erbe Wie zeitgemäß sind Europas Denkmäler?

Stand: 14.06.2020 11:13 Uhr

Durch die anti-rassistischen Proteste ist auch die Diskussion über Statuen und Denkmäler aus der Kolonialzeit neu entbrannt. Wie gehen verschiedene Länder damit um? Und was sagen Wissenschaftler? Ein Überblick.

Von Quelle: dpa

Erinnerung an die eigene Vergangenheit oder Ehrung von Rassisten und Mördern? Seit dem Tod der Amerikaners George Floyd und den weltweiten Protesten gegen Rassismus hat die Diskussion über den Umgang mit Denkmälern und Statuen aus der Kolonialzeit befeuert. In den USA wurden Statuen von konföderierten Generälen gestürzt. Sie kämpften für die Aufrechterhaltung der Sklaverei und taugten daher nicht als Vorbild und für öffentliche Ehrungen, so die Kritiker.

Auch in Belgien und England wurden Denkmäler zerstört oder beschädigt. In Deutschland erinnern Statuen, Straßen und Kasernen an Personen, die an der Ausbeutung der ehemaligen Kolonien oder der Ermordung ihrer Bewohner beteiligt waren. Wie sollen heutige Gesellschaften damit umgehen?

Deutschland

Mehrere Gruppen fordern schon länger, Denkmäler und auch Straßennamen zu verändern, um angemessen an die Geschichte zu erinnern. An mehreren Orten ist dies auch bereits passiert. Der Abbau von Statuen oder das Anbringen von Infotafeln allein seien aber nicht der richtige Weg, sagt etwa der Verein "Berlin Postkolonial". "Kolonialdenkmäler sollten nicht einfach abgeräumt werden", sagte ein Sprecher. Denn so würde die Erinnerung an die Geschichte einfach getilgt. Konstruktiver wäre es stattdessen, Kunstschaffende zum Beispiel aus ehemaligen Kolonien dazu einzuladen, die Denkmäler zu verändern oder umzuwidmen. Bei Straßenumbenennungen solle der kolonialhistorische Bezug erhalten bleiben, etwa "durch die Ehrung von Menschen aus dem Widerstand gegen den deutschen Kolonialismus".

Eine gründliche Aufarbeitung fordert auch die Kulturhistorikerin Britta Schilling von der Universität Utrecht. Ihrer Meinung nach müssten etwa auch geplünderte Kunstgüter zurückgegeben werden. "Straßennamen und Denkmäler sind nur die Spitze des Eisbergs."

Belgien

Aus Protest gegen die von ihm verantwortete Schreckensherrschaft im Kongo wurden an mehreren Orten Belgiens Statuen von König Leopold II. (1835-1909) mit Farbe übergossen oder umgestoßen. Auch Straßenschilder mit seinem Namen wurden übermalt. Zehntausende haben Online-Petitionen mit der Forderung unterschrieben, die Statuen aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Einige wurden bereits abgebaut. Unter Leopold II. wurde der Kongo systematisch ausgeplündert, Millionen Menschen dort kamen ums Leben. Das zentralafrikanische Land gehörte noch bis 1960 zum belgischen Kolonialreich.

Laut Esther Kouablan vom rassismuskritischen Verband "MRAX" haben sich die Aktionen seit dem Tod Floyds gehäuft, es gab sie aber schon lange vorher. "Für die afrobelgische Community sind die Statuen in der Öffentlichkeit wie psychologische Gewalt, weil sie die Verbrechen banalisieren."

Niederlande

Auch hier werden die Forderungen immer lauter, die eigene Geschichte kritischer zu bewerten: Das 17. Jahrhundert war nicht nur das Goldene Zeitalter mit Reichtum und Rembrandt, sondern auch ein blutiges mit Kolonialismus und Sklaverei. Im Zentrum der Kritik stehen die einstigen Repräsentanten der Handels- und Seemacht: Piet Hein, Witte de With und Jan Pieterszoon Coen. An sie erinnern Statuen, Gebäude, Straßen und Tunnel. Eine Statue und ein Gebäude sind bereits rot beschmiert worden.

Ur-Symbol des Kulturkampfes ist in den Niederlanden seit Jahren der schwarze Helfer des Nikolaus, der Zwarte Piet. Jedes Jahr erfreut die schwarz angemalte Figur zwar Kinder, doch sie sorgt auch für Proteste. Mehrere Städte haben angekündigt, die Figur nicht mehr bei Nikolausumzügen zuzulassen.

Die Statue von Piet Hein in Rotterdam wird gesäubert.

Die Statue von Piet Hein in Rotterdam wird gesäubert, nachdem Aktivisten sie mit den Worten "Mörder" und "Dieb" besprüht hatten.

Spanien

Hier ist es nur eine Minderheit, die seit jeher die spanische Kolonialisierung der "Neuen Welt" kritisiert. Eine größere Diskussion darüber gibt es in dem Land nicht. Daran haben auch die jüngsten weltweiten Demonstrationen gegen Rassismus vorerst nichts geändert. Wenn linke Politiker und Organisationen etwa Umbenennungen von Straßen und Plätzen fordern, stehen vor allem Protagonisten der Franco-Diktatur am Pranger.

Als die mexikanische Regierung Spanien vor gut einem Jahr darum bat, sich für die Eroberung und Unterwerfung indigener Völker im 16. Jahrhundert zu entschuldigen, lehnte die sozialistische Regierung in Madrid ab. Die Ankunft der Spanier in Amerika vor 500 Jahren könne aus zeitgenössischer Sicht nicht beurteilt werden, hieß es.

Portugal

In dem Land, das einst zahlreiche Kolonien in Amerika, Afrika und Asien hatte, gelten die Seefahrer um Pedro Alvares Cabral, Ferdinand Magellan und Vasco da Gama für die meisten noch als Helden. Allerdings wurde kürzlich in Lissabon die Statue des katholischen Theologen und Missionars António Vieira mit roter Farbe beschmiert. Am Sockel stand groß "Entkolonisierung".

Großbritannien

Die Bilder, wie die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston in Bristol kürzlich von Demonstranten vom Sockel gerissen und ins Hafenbecken geworfen wurde, gingen um die Welt. Seitdem sind Dutzende Skulpturen ins Visier der Anti-Rassismus-Bewegung geraten. Darunter die von Nationalhelden wie dem legendären Premierminister Winston Churchill (1874-1965), dem rassistische Ansichten und eine rücksichtslose Politik in Indien und Irland vorgeworfen werden. Auch die Statue des Entdeckers James Cook (1728-1779) ist einer interaktiven Karte von Aktivisten im Netz zufolge ein Symbol rassistischer Unterdrückung und Gewalt.

Frankreich

In Frankreich steht besonders eine Statue Jean-Baptiste Colberts vor der Nationalversammlung in Paris in der Kritik. Der Finanzminister unter Sonnenkönig Louis XIV. schrieb den "Code Noir", der den Umgang mit den schwarzen Sklaven in den Kolonien regelte. Nach Aufrufen, die Statue zu zerstören, wird sie Berichten zufolge nun von der Polizei besonders bewacht. Ähnlich sieht es bei einer Statue des Generals Joseph Gallieni aus. Er regierte Ende des 19. Jahrhunderts in den Kolonien mit harter Hand.

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