Das Poster mit dem Gesicht eines von der Hamas entführten Israelis ist auf einer Großdemonstration gegen die Netanyahu-Regierung in Israel zu sehen.

Demonstrationen in Israel Erneut Massenproteste gegen Netanyahu-Regierung

Stand: 26.05.2024 10:48 Uhr

Aus Unzufriedenheit mit der Regierung von Premierminister Netanyahu sind in Israel erneut Tausende Menschen auf die Straßen gegangen. Unterdessen gehen die israelischen Angriffe im Gazastreifen weiter - trotz internationaler Kritik.

Die Proteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in Israel reißen nicht ab. Erneut sind Tausende Demonstranten am Samstag in verschiedenen Städten auf die Straßen gegangen, um den Rücktritt von Netanyahu, vorgezogene Wahlen und eine Einigung über die Freilassung der von der islamistischen Hamas festgehaltenen Geiseln zu fordern. Für die gestorbenen Geiseln hielten sie eine Schweigeminute ab, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Die Organisatoren der zentralen Kundgebung in Tel Aviv sprachen von mehr als 80.000 Teilnehmern. Dabei kam es laut Times of Israel zu Festnahmen. Auf Video- und Fotoaufnahmen war zu sehen, wie Demonstranten Pyrotechnik zündeten und die Polizei unter anderem Wasserwerfer einsetzte. Nach Angaben der israelischen Zeitung Haaretz soll ein Mensch verletzt worden sein.

Weitere Demonstrationen gab es nach Angaben israelischer Medien auch in Jerusalem, Haifa, Be'er Scheva und vor Netanyahus Privatresidenz in Caesaria.

Die Demonstranten warfen Netanyahu vor, vor dem beispiellosen Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober im israelischen Grenzgebiet Warnungen ignoriert zu haben. Zudem machten sie ihn für das Schicksal der noch mehr als hundert Geiseln in der Gewalt der Hamas verantwortlich.

Wenn die Regierung jetzt keine Einigung über eine Freilassung der Geiseln erziele, "wird Israel letztendlich gezwungen sein, den Krieg ohne die Rückkehr der Geiseln zu beenden", zitierte Times of Israel eine Angehörige der Entführten.

Bald neue Verhandlungen?

Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas, bei denen Ägypten, Katar und die USA vermitteln, waren vor zwei Wochen nach mehrtägigen Gesprächen in Kairo und Doha in eine Sackgasse geraten. Medienberichte zufolge könnten sie möglicherweise in der kommenden Woche "auf der Basis neuer Vorschläge" wiederaufgenommen werden.

Israelische Medien berichteten, Mossad-Chef David Barnea habe sich mit CIA-Direktor Bill Burns und dem katarischen Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman al-Thani auf einen neuen Rahmen für die festgefahrenen Verhandlungen geeinigt.

Der hochrangige Hamas-Vertreter Usama Hamdan sagte dem Sender Al-Jazeera jedoch, dass die Hamas "von den Vermittlern über nichts informiert" worden sei. 

Angriffe gehen weiter

Unterdessen gehen offenbar die Angriffe auf Rafah im Gazastreifen ungeachtet eines Beschlusses des Internationalen Gerichtshofs (IGH) weiter. Wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Augenzeugen berichtet, bombardierte die israelische Armee am frühen Morgen Rafah und Chan Junis im Süden sowie die Stadt Gaza im Norden.

Der IGH hatte am Freitag den sofortigen Stopp der israelischen Offensive in Rafah angeordnet. Das UN-Gericht in Den Haag gab damit einem Antrag Südafrikas teilweise statt. Zur Begründung erklärte das Gericht, die Offensive könne zu Lebensbedingungen beitragen, die "zur vollständigen oder teilweisen Zerstörung" der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen führen könnten.

Israel wies die Einschätzung des Gerichts zurück und stellte keinen Kurswechsel in Rafah in Aussicht. Spanien und Irland sowie der EU-Außenbeauftragte Josep Borell forderten von Israel, der Anordnung des Gerichts Folge zu leisten.

Auch Vizekanzler Robert Habeck hatte mahnende Worte in Richtung Israel geschickt. "Selbstverständlich muss Israel sich an das Völkerrecht halten. Und die Hungersnot, das Leid der palästinensischen Bevölkerung, die Angriffe im Gazastreifen sind - wie wir jetzt auch ja gerichtlich sehen - mit dem Völkerrecht nicht vereinbar", hatte er bei einem Bürgergespräch gesagt. "Das heißt, es ist in der Tat so, dass Israel dort Grenzen überschritten hat, und das darf es nicht tun."

Hamas meldet gefangene Soldaten - Armee dementiert

Verwirrung gibt es um Hamas-Angaben, wonach Mitglieder israelische Soldaten gefangen genommen haben sollen. Wie ein Sprecher mitteilte, hätten Mitglieder in einem Tunnel in der Flüchtlingssiedlung Dschabalia im nördlichen Gazastreifen eine israelische Armeeeinheit angegriffen und alle Mitglieder "getötet, verwundet oder gefangen genommen". Er veröffentlichte ein Video und Fotos, die angeblich einen der Gefangenen zeigen.

Die israelische Armee wies die Darstellung der Hamas zurück. Es habe "keinen Vorfall gegeben, bei dem ein Soldat entführt wurde", erklärte die Armee, ohne nähere Angaben zu möglicherweise getöteten oder verletzten Soldaten zu machen.