Demonstranten zeigen eine EU-Flagge vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis, während sie ihre Proteste fortsetzen gegen die Entscheidung der Regierung, die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union auszusetzen.

Georgien Proteste gegen die Regierung gehen weiter

Stand: 03.12.2024 03:07 Uhr

In Georgien haben erneut Tausende für eine Wiederaufnahme der EU-Beitrittsgespräche demonstriert. Die russlandfreundliche Regierung reagierte mit massivem Polizeiaufgebot. Mehrere Staaten verhängten wegen des Vorgehens Sanktionen.

Die Proteste reißen nicht ab: Den fünften Tag in Folge haben in Georgien Tausende Menschen gegen die Aussetzung der EU-Beitrittsverhandlungen demonstriert. In mehreren Städten gab es Proteste gegen die Haltung der nationalkonservativen Regierungspartei Georgischer Traum.  

In der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi) ging die Polizei erneut mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten vor, die ihrerseits Sicherheitskräfte mit Feuerwerkskörpern beschossen. Polizisten versuchten, die Menschenmenge vom Parlamentsgebäude zurückzudrängen.

Zwei Botschafter reichen laut Medienberichten Rücktritt ein

Den EU-Beitritt hat Georgien der Verfassung festgeschrieben. Kritik an der Abkehr kommt daher inzwischen nicht mehr nur auf der Straße. Zahlreiche Schulen und Universitäten stellten im Land den Lehrbetrieb auf unbestimmte Zeit ein, wie die Agentur Interpressnews berichtete. Die Bildungs- und Lehranstalten wollten sich damit mit den Demonstranten solidarisieren und deren Forderungen unterstützen.

Auch Mitarbeiter des Außen-, Verteidigungs- und Bildungsministeriums sowie einige Richter distanzierten sich von der Entscheidung der Regierung. Die georgischen Botschafter in Bulgarien und den Niederlanden reichten Medienberichten zufolge ihren Rücktritt ein.

Baltische Staaten verhängen Sanktionen

Entschiedene Reaktionen gibt es auch aus dem Ausland. Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen einigten sich auf nationale Sanktionen gegen die georgische Führung, wie die Außenminister wortgleich in Posts auf der Plattform X mitteilten. Die Strafmaßnahmen sollen sich demnach gegen diejenigen richten, die legitime Proteste unterdrücken.

Auf ihrer Sanktionsliste stehen unter anderem der russlandfreundliche Milliardär Bidzina Iwanischwili, wichtigster Unterstützer der Regierungspartei Georgischer Traum, und zehn Mitarbeiter des Innenministeriums. "Einreiseverbot nach Litauen wegen ihrer Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen", schrieb der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis auf X.

Die USA setzen ihre strategische Partnerschaft mit der Südkaukasusrepublik vorübergehend aus. Die Entscheidung der Regierungspartei Georgischer Traum, den EU-Beitrittsprozess auszusetzen, sei ein "Verrat an der georgischen Verfassung", teilte der Sprecher des US-Außenministeriums mit. 

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärte, dass sie die Entscheidung der Regierung gegen die EU und ihre Werte bedauere. Die Europäische Union stehe dennoch an der Seite der Georgier und deren Entscheidung für eine europäische Zukunft, schrieb sie ebenfalls am Wochenende.   

Russland zieht Parallele zu Ukraine

Auch Russland blickt auf die Proteste in dem kleinen Nachbarland. "Wir haben ähnliche Ereignisse in einer ganzen Reihe von Ländern gesehen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Russland wirft dem Westen immer wieder vor, im postsowjetischen Raum sogenannte Farbenrevolutionen anzuzetteln. 

"Die direkteste Parallele, die man ziehen kann, sind die Ereignisse auf dem Maidan in der Ukraine", sagte Peskow russischen Agenturen zufolge. Damals hatten in Kiew auf dem Unabhängigkeitsplatz Menschen für einen EU-Kurs des Landes demonstriert und letztlich den russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch gestürzt.

Fälschungsvorwürfe bei Parlamentswahl

Bei der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl Ende Oktober hatte die Wahlkommission die Regierungspartei Georgischer Traum mit rund 54 Prozent zur Siegerin erklärt. Bereits das löste Proteste gegen das offizielle Ergebnis aus. Die prowestliche Opposition und die proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwili erkennen das Ergebnis nicht an und fordern eine Wiederholung der Wahl.

Die Opposition will ihre Mandate nicht annehmen und betritt das Parlament nicht. Wegen einer anhängigen Klage Surabischwilis beim Verfassungsgericht gibt es Streit über die Rechtmäßigkeit des Parlaments. Dort tagt der Georgische Traum derzeit ohne die Opposition.