Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban (Mitte l) spricht mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron während der Aufstellung zum Gruppenfoto beim Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG).

EU-Gipfel in Budapest "Make Europe great again" - nur wie?

Stand: 08.11.2024 06:58 Uhr

Beim EU-Gipfeltreffen in Budapest wollen die Staats- und Regierungschefs Wege finden, Europa wettbewerbsfähiger und unabhängiger zu machen. Darin sind sich alle einig - nur beim Weg dahin zeigen sich Differenzen.

Der Champagner ist zugeblieben. Vor einem Monat hatte Gipfel-Gastgeber Viktor Orban angekündigt, im Falle von Donald Trumps Wahlsieg einige Flaschen aufmachen zu wollen. Das empfanden manche in Brüssel als neuerliche Provokation des ungarischen Regierungschefs.

Nach eigenen Worten hat Orban schließlich mit Wodka angestoßen, weil er während der Bekanntgabe des Ergebnisses in Kirgistan weilte und das dort so Brauch sei. Auch die von einigen befürchtete Videoschalte zum US-Wahlsieger während des gestrigen Abendessens, das den informellen EU-Gipfel einleitete, fand nicht statt. Bisher blieb die Sorge, dass Orban den Doppel-Gipfel in Budapest zur Trump-Show machen und sich selbst als dessen Ansprechpartner in Europa empfehlen könnte, unbegründet.

Europa muss alleine stehen

Stattdessen hat Orban am Abend erklärt, was zuvor auch andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Tagung der Europäischen Politischen Gemeinschaft verlangt hatten - etwa NATO-Generalsekretär Mark Rutte, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel: Europa müsse unabhängig von anderen vorankommen und vor allem mehr für seine Verteidigung tun. Nach Ruttes Worten reichen dafür Ausgaben der europäischen NATO-Staaten von zwei Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsproduktes bei weitem nicht aus.

Bei der Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine zeigen sich allerdings die bekannten Differenzen. Orban weicht der konkreten Frage aus, welchen Frieden er sich vorstelle - einen mit russischen Truppen auf ukrainischem Gebiet oder ohne. Er fordert einen nicht näher erläuterten Waffenstillstand, was der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kategorisch ablehnt.

Budapest blockiert

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges vor zweieinhalb Jahren blockiert oder verzögert Ungarns Regierung regelmäßig Bemühungen der EU, Sanktionen gegen Moskau zu verhängen und Kiew zu unterstützen. So verhindert das Veto aus Budapest die Auszahlung aus einem Topf abseits des EU-Haushalts, aus dem sich Mitgliedsstaaten Militärhilfe für Kiew erstatten lassen können. Außerdem hat Ungarn die Verhandlungen über das jüngste Hilfspaket von G7 und EU erschwert. Es umfasst Kredite über rund 45 Milliarden Euro, die durch Zinsgewinne auf eingefrorenes russisches Vermögen in Europa finanziert werden.

Der US-Beitrag zu dem Paket blieb zunächst fraglich, weil Ungarn die längerfristige Nutzung der Zinsgewinne verhindert, die Washington zur Voraussetzung für seine Teilnahme machte. Orban wollte sich vor der US-Wahl nicht festlegen in dem Wissen, dass sein "Buddy" Trump die amerikanische Ukrainehilfe im Falle eines Sieges drastisch zusammenstreichen könnte. Die Frage, ob er das wirklich tun wird, überschattet auch den Doppel-Gipfel in Budapest.

Wahlbetrug in Georgien?

Orban pflegt nicht nur mit Trump, sondern auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin engere Kontakte als EU-Kolleginnen und -Kollegen. Ende vergangenen Monats reiste der ungarische Regierungschef nach Georgien, nachdem dort der umstrittene Wahlsieg der Moskau-freundlichen Regierung verkündet wurde. Die hat im Sommer ein Gesetz nach russischem Vorbild in Kraft gesetzt. Danach müssen sich Organisationen, die mehr als ein Fünftel ihrer Mittel aus dem Ausland bekommen, registrieren lassen. Die EU hat deshalb den Beitrittsprozess auf Eis gelegt.

Beim Dinner haben die 27 Staats- und Regierungschefs und -chefinnen über mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Georgien-Wahl beraten. Brüssel knüpft einen EU-Beitritt des Landes daran, dass die georgische Regierung mit Russland bricht. Bundeskanzler Olaf Scholz ist wegen des Bruchs der Ampelkoalition erst am Abend zum Dinner angereist.

Europas Wirtschaft stärken

Vergleichsweise einig sind sich Orban und seine Gäste mit Blick auf die Lage der europäischen Wirtschaft. Um im Wettbewerb mit den USA und China bestehen zu können, müsse die EU dringend wirksame Maßnahmen ergreifen - das hat schon der Oktober-Gipfel verlangt. In Budapest wollen die 27 eine Erklärung zur Wettbewerbsfähigkeit beschließen. Derzufolge sollen die EU-Staaten bis zum Jahr 2030 drei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung bereitstellen und bürokratische Hürden abbauen.

Die EU-Kommission wird aufgefordert, konkrete Vorschläge zu machen, um in der ersten Hälfte des kommenden Jahres Berichtspflichten um mindestens ein Viertel zurückzufahren. Weiterzumachen wie bisher sei keine Option mehr, heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung.

Grundlage der Debatte ist ein Bericht des früheren EZB-Chefs Mario Draghi, den er beim Gipfel in Budapest nochmals erläutert. Für den Bereich Wettbewerbsfähigkeit kann sich Gipfel-Gastgeber Orban deshalb bestätigt sehen. Nie passte die in Anlehnung an Trumps Wahlkampfmotto gewählte Überschrift für die ungarische EU-Ratspräsidentschaft besser: "Make Europe Great Again".

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