Die Apps von Temu und Shein auf einem Smartphone.

EU-Parlament zu Temu und Shein Verlockende Angebote, zweifelhafte Produkte

Stand: 22.10.2024 09:13 Uhr

Das EU-Parlament will eine härtere Gangart gegenüber chinesischen Billig-Plattformen wie Temu und Shein. Sie stehen im Verdacht, Produkte zu vertreiben, die gegen viele EU-Vorschriften verstoßen.

Der Teddy süß und flauschig, der Preis unschlagbar niedrig und das Online-Angebot prominent platziert - so sieht es bei Temu häufig aus.

Aber: "Wenn Verbraucher diesen Teddy bestellen, besteht die 95-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass er den europäischen Vorgaben an Produktsicherheit nicht entspricht", kritisiert die grüne EU-Politikerin Anna Cavazzini. 

Das Kuscheltier sei fast sicher gefährlich, "seine Augen könnten verschluckt werden, sein Fell giftig sein". 95 Prozent der Waren entsprächen nicht den EU-Vorschriften - bei dieser Zahl bezieht sich die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz auf einen Testkauf der Europäischen Spielzeugindustrie.

Kritik auch vom TÜV

Auch der deutsche TÜV monierte kürzlich: Mit dem Direktverkauf über Online-Plattformen, wie Temu oder Shein, kommen derzeit "massenhaft Produkte auf den europäischen Markt, die nicht die geltenden Anforderungen an die Produktsicherheit erfüllen".

Heißt zum Beispiel: Spielzeuge, die scharfe Kanten haben. Oder elektronische Geräte, bei denen die Prüfzeichen, die CE-Kennzeichnungen, fehlen oder gefälscht sind.

Dazu kommt das Thema Chemikalien: Die EU sieht mittlerweile ein Risiko für die öffentliche Gesundheit und das Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer. Wiederholt sei "die Verwendung von nicht zugelassenen Chemikalien und andere Tatbestände festgestellt worden", so Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament. 

Beschwerden in mehreren Ländern

Spätestens damit, so Lange, stelle sich die Frage, warum es nicht "mehr Gleichbehandlung mit Verkäufen innerhalb der Europäischen Union" gebe. "Wenn wir in der EU einen Laden haben, der Produkte verkauft, die nicht akzeptabel sind, wird der Laden zugemacht."

In mehreren europäischen Ländern haben Verbraucherschützer Beschwerde gegen den chinesischen Online-Händler Temu eingereicht. Meist geht es dabei um Manipulation, um Irreführung der Verbraucher, die bisweilen auf die verrückt günstigen Angebote klicken - Sneakers oder Smartwatches schon für rund zehn Euro - und dann erst mal eine Reihe deutlich teurere Produktversionen angezeigt bekommen.

Die EU-Kommission erhöht daher jetzt den Druck auf die Billig-Plattformen: Temu ist aufgefordert, Informationen zu liefern, über Händler, die illegale Produkte in der EU verkaufen.

Dazu muss der Konzern Daten liefern, die belegen, was Temu selbst tut, um regelwidrige Waren von der Plattform zu verbannen und zu verhindern, dass diese Produkte quasi tausendfach jeden Tag wieder neu angeboten werden.

Es drohen Strafzahlungen

Ein solches Verfahren im Rahmen der EU-Digital-Gesetze, an deren Ende Strafzahlungen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Konzernumsatzes stehen können, sei richtig, heißt es im Parlament.

Aber das sei nicht genug, sagt Andreas Schwab, binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion: "Wir haben nach wie vor 27 unterschiedliche Zollsysteme, obwohl das einheitliche europäische Zollrecht angewendet werden muss. Aber es wird leider unterschiedlich angewendet. Und wir haben die Marktaufsichtsbehörden, die alle in nationaler Hand und unterschiedlich stark ausgestattet sind."

Weite Teile des EU-Parlaments fordern daher, die EU-Zollreform zu beschleunigen. Nach Plänen der EU-Kommission soll diese ab 2028 in Kraft treten und dafür sorgen, dass auch Waren unter einem Wert von 150 Euro kontrolliert werden.

Sendungen, die über die Billig-Plattformen Temu und Shein bestellt werden, liegen wohl besonders häufig unter dieser Schwelle. Diese bleiben bisher zollfrei und Risikoprodukte eher unentdeckt. Bislang haben sich allerdings die 27 EU-Staaten nicht auf eine Verhandlungsposition zur Zollreform verständigt.

 

Reicht all das gegen die Praktiken von Temu und Co?

Für 2024 gehen EU-Schätzungen von rund vier Milliarden Paketen aus, die unter der Zollgrenze von 150 Euro liegen und daher direkt bei den Kunden landen. Rund 80 Prozent verschickt von chinesischen Händlern.

Tempo ist also gefragt, weiß auch EU-Justizkommissar Didier Reynders. Vor dem Parlament in Straßburg kündigt er an, Marktaufsicht und Kontrollen zu verstärken - auch mit "Mystery Shopping", also Testkäufen, die Qualität oder auch Mängel aufdecken.

Außerdem verlange die ab Mitte Dezember vollständig in Kraft gesetzte EU-Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (GPSR) den chinesischen Online-Marktplätzen einen entscheidenden Schritt ab:

"Die neuen Regeln verpflichten, einen Ansprechpartner, eine verantwortliche Person für die auf der Plattform verkauften Produkte zu benennen. Dies garantiert die Rückverfolgbarkeit und Verantwortung für alle auf unserem freien Markt verkauften Waren."

Und es gibt den europäischen Verbrauchern zumindest die Aussicht, dass sich Temu und Co nicht mehr vollends wegducken, wenn ihre Händler mit nicht-EU-konformen Päckchen für Verdruss sorgen.

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