Ein Mann wird aus einem zerstörten Wohnhaus in Kiew evakuiert.

Russlands Krieg in der Ukraine Weitere Angriffe auf Zivilbevölkerung

Stand: 17.03.2022 11:26 Uhr

Raketenteile haben ein Wohnhaus in Kiew getroffen. Dabei soll es ein Todesopfer und mindestens drei Verletzte gegeben haben. In Mariupol soll der Luftschutzbunker eines angegriffenen Theaters standgehalten haben.

In der Ukraine gehen die Kämpfe weiter. Beim Einschlag von Trümmerteilen einer abgefangenen Rakete in einem Hochhaus im Osten der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist nach Behördenangaben in der Nacht mindestens ein Mensch getötet worden. Drei Bewohner seien verletzt worden, teilte der Rettungsdienst mit.

In einem Video war Feuer in einer Wohnung zu sehen und viele Trümmerteile vor dem mehrstöckigen Haus. Bewohner wurden in Sicherheit gebracht. Der Rettungsdienst berichtete zudem von erheblichen Zerstörungen in einem oberen Geschoss.

Ukrainische Armee meldet zerstörte Schule

Die ukrainische Armee meldete am Morgen, im Gebiet Charkiw habe es die ganze Nacht Beschuss gegeben. Es seien auch Häuser getroffen worden. "Die Kämpfe gehen in Richtung Isjum und Tschuhujiw weiter." In der Stadt Merefa seien eine Schule und ein Kulturhaus zerstört worden. Es gebe Verletzte. Genaue Zahlen wurden zunächst nicht genannt. Aus Russland lagen dazu zunächst keine Angaben vor.

Aus dem Gebiet Cherson im Südosten am Fluss Dnjepr berichtete die ukrainische Armee von heftigen Explosionen. Das Gebiet sei vollständig von russischen Truppen besetzt. Die Versorgung mit Strom, Wasser und Gas sei fast überall unterbrochen. Es fehle an Nahrungsmitteln und Medikamenten. "Die Lage ist kritisch." Angaben aus dem Kriegsgebiet lassen sich kaum unabhängig überprüfen.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Am Mittwoch wurde aus dem eingekesselten Mariupol ein Bombenangriff auf ein Theatergebäude gemeldet. Bürgermeister Wadim Bojchenko sagte, dort hätten sich mehr als 1000 Menschen befunden, es sei eine "weitere Tragödie". Die Zivilisten sollen in dem Gebäude Schutz gesucht haben.

Das russische Verteidigungsministerium dementierte einen Bombenangriff auf das Theater oder anderswo in Mariupol.

Die auf Satellitenfotos spezialisierte Firma Maxar teilte mit, Aufnahmen vom Montag zeigten, dass auf Russisch das Wort "Kinder" in großen weißen Buchstaben vor und hinter das Theater geschrieben worden sei.

Luftschutzbunker soll intakt geblieben sein

Zunächst hatte es keine Angaben über Tote oder Verletzte gegeben. Nach Angaben des Parlamentsabgeordneten Serhij Taruta vom Vormittag soll der Luftschutzkeller intakt geblieben sein. "Nach einer schrecklichen Nacht der Ungewissheit am Morgen des 22. Kriegstages endlich gute Nachrichten aus Mariupol! Der Luftschutzbunker hat standgehalten", schrieb Taruta auf Facebook. Mit dem Entfernen der Trümmer sei begonnen worden. "Die Menschen kommen lebend heraus!"

Die schraffierten Bereiche zeigen die von der russischen Armee kontrollierten Gebiete in der Ukraine.

Die schraffierten Bereiche zeigen die von der russischen Armee kontrollierten Gebiete in der Ukraine.

Petro Andruschtschenko, ein Berater von Bürgermeister Bojchenko, sagte in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur Reuters: "Jetzt werden die Trümmer beseitigt. Es gibt Überlebende."

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights teilte mit, noch würden Belege über die Bombardierung des Gebäudes geprüft. "Aber wir wissen, dass das Theater mindestens 500 Zivilisten beherbergt hat", so der leitende HRW-Krisen- und Konfliktforscher Belkis Wille. Man überprüfe drei Videos, die auf Telegram gepostet wurden.

Ukraine meldet Angriff auf Zivilisten im Oblast Donezk

Außer dem Theater soll nach ukrainischen Angaben noch ein weiterer Ort von Russland bombardiert worden sein, an dem sich Zivilisten aufhielten. Getroffen worden sei ein Schwimmbad, in dem Frauen mit Kindern sowie Schwangere Schutz gesucht hätten, meldete die Agentur Unian unter Berufung auf die Militärverwaltung des Gebiets Donezk. Menschen seien dabei verschüttet worden.

Die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer ist seit Tagen von russischen Truppen. Die Stadt ist von Energie, Nahrungsmitteln und Wasser abgeschnitten. Hunderttausende Menschen sollen dort unter katastrophalen Bedingungen eingeschlossen sein. Behörden sprechen von mehr als 2300 Toten. Die Hafenstadt hat in Friedenszeiten 430.000 Einwohner.

Menschen unter Beschuss geflohen

Bojchenko sagte in der Nacht bei Telegram, Menschen könnten die Stadt nun mit Privatautos verlassen. Binnen zwei Tagen seien rund 6500 Autos herausgekommen. Doch gebe es keine Feuerpause, die Menschen seien unter Beschuss geflohen.

Die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk sagte am Vormittag in einer Videobotschaft, von Saporischschja aus solle ein Tanklaster mit Kraftstoff für Privatautos nach Mariupol geschickt werden.

Sie kündigte für Donnerstag neun Fluchtkorridore an, etwa aus den Orten Borodjanka und Schewtschenkowe bei Kiew nach Schytomyr und Browary. Außerdem sollen Lebensmittel und Medikamente in fünf weitere Orte gebracht werden, darunter Hostomel in der Kiewer Region.

Ukraine meldet Flugzeugabschuss

Die ukrainische Armee meldete in der Nacht, es seien zwei weitere russische Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-35 und Su-30 über der Region Kiew zerstört worden. An Land konzentrierten sich russische Einheiten auf die Sicherung ihrer Geländegewinne. Es gebe Bemühungen russischer Truppen, südlich der Stadt Isjum vorzudringen, wohl um eine Offensive in Richtung Slowjansk fortzusetzen. Dabei seien sie aber nicht erfolgreich. Die russische Marine blockiere weiter die Schifffahrt im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres.

Das russische Militär erklärte, die Besatzungen von 70 ausländischen Schiffen säßen wegen von ukrainischer Seite verminter Gewässer dort fest.

Die pro-russischen Separatisten der selbst erklärten Volksrepublik Luhansk warfen der ukrainischen Armee sechs Raketenangriffe auf Siedlungen binnen 24 Stunden vor. Die Angaben beider Seiten können nicht unabhängig geprüft werden.

Großbritannien: Russische Invasion stockt

Großbritannien geht davon aus, dass die russische Invasion an allen Fronten weitgehend ins Stocken geraten ist. In den vergangenen Tagen habe es zu Land, Wasser und Luft nur ein minimales Fortkommen des russischen Militärs gegeben, heißt es in britischen Militärgeheimdienst-Berichten zur aktuellen Lage. Die russischen Streitkräfte erlitten schwere Verluste.

"Der ukrainische Widerstand bleibt standhaft und gut koordiniert", erklärt das Londoner Verteidigungsministerium. Der überwiegende Teil des Landes einschließlich aller großen Städte sei weiterhin in ukrainischen Händen.