Eine Frau hält Blumen und ein Porträt des Oppositionsführers Alexej Nawalny während einer Protestaktion vor der russischen Botschaft in Berlin

Reaktionen auf Nawalnys Tod "Putin ist verantwortlich"

Stand: 17.02.2024 02:49 Uhr

Für den Tod des Kremlkritikers Nawalny machen US-Präsident Biden und andere westliche Politiker Russlands Präsidenten Putin verantwortlich. Der Kreml wies die Vorwürfe scharf zurück.

Alexej Nawalny gehörte zu den prominentesten Gegnern des russischen Präsidenten Wladimir Putin - die Nachricht von seinem Tod in einem russischen Straflager löste weltweit große Bestürzung aus.

Für die EU, die USA und andere westliche Regierungen liegt die Verantwortung klar in Moskau. US-Präsident Joe Biden sagte in Washington, es gebe keinen Zweifel daran, dass der Tod Nawalnys eine Folge von Wladimir Putins Handeln und dem "seiner Verbrecher" sei. "Putin ist verantwortlich", so Biden. Er sei angesichts der Nachricht von Nawalnys Tod schockiert, aber nicht überrascht. 

"Ein neues Zeichen der Brutalität"

Putin habe Nawalny vergiftet, ihn verhaften, wegen erfundener Verbrechen anklagen lassen und ihn in Isolationshaft gesteckt, sagte der US-Präsident. Doch all das habe Nawalny nicht davon abgehalten, Lügen anzuprangern. Biden würdigte Nawalny für seine Entschlossenheit und seinen Mut. "Selbst im Gefängnis war er eine starke Stimme für die Wahrheit". Sein Mut werde für immer in Erinnerung bleiben.

Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris sagte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, Nawalnys Tod sei "ein neues Zeichen der Brutalität" von Putin.

Wiederbelebungsmaßnahmen angeblich ohne Erfolg

Der Oppositionspolitiker Nawalny war der prominenteste und entschiedenste Gegner von Putin. Nach einem Giftanschlag, für den er den Kreml verantwortlich machte, war er zur Behandlung nach Deutschland gebracht worden. Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück und wurde sofort verhaftet.

In verschiedenen Prozessen wurde er zu insgesamt 19 Jahren Haft verurteilt, zuletzt saß er in einem Straflager im sibirischen Charp. Die entlegene Ortschaft mit rund 5.000 Einwohnern liegt nördlich des Polarkreises. Nach einem Spaziergang habe sich Nawalny schlecht gefühlt und fast unverzüglich das Bewusstsein verloren, erklärte die Strafvollzugsbehörde FSIN zu dem Geschehen in dem Lager. Wiederbelebungsmaßnahmen hätten keinen Erfolg gehabt. 

Russische Staatsmedien berichteten, dass Nawalny noch am Donnerstag per Videoschalte an einer Gerichtsanhörung teilgenommen habe. Dabei habe er gelacht und gescherzt. Sein Anwalt Leonid Solowjow sagte der Zeitung "Nowaja Gaseta", dass ein Kollege ihn am Mittwoch gesehen habe. "Da war alles normal."

Regelmäßige Klagen gegen den Strafvollzug

Nawalny klagte zwar immer wieder über gesundheitliche Probleme und Schikane im Straflager. Bei den zahlreichen Gerichtsterminen, die auch nach seiner Inhaftierung weitergingen, sah man ihm die Strapazen zwar an, er trat aber demonstrativ stets munter auf.

Der Oppositionelle führte regelmäßig Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzte die Gerichtsauftritte nicht zuletzt auch zur Kritik an Putins autoritärem System und Moskaus Krieg gegen die Ukraine. Zuletzt wurde Nawalny mit Beginn des Wahlkampfes zu den Verhandlungen nicht mehr zugeschaltet.

Mitarbeiter von Nawalny stuften die Berichte über dessen Tod als glaubwürdig ein. "Wir verstehen, dass es höchstwahrscheinlich so passiert ist, dass Alexej Nawalny getötet wurde", sagte der im Exil lebende Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow, live auf Youtube. 

Nur wenige Stunden nach der Todesnachricht trat Nawalnys Frau Julia Nawalnaja auf der Münchener Sicherheitskonferenz auf und forderte, Putin "persönlich für alle Gräueltaten zur Rechenschaft" zu ziehen. Putin und seine Verbündeten sollten "bestraft werden für das, was sie unserem Land, meiner Familie und meinem Mann angetan haben", sagte sie. Aus der Haft gelang es Nawalny immer wieder, Nachrichten in Online-Netzwerken abzusetzen. Sein letzter Post auf Telegram war eine Liebeserklärung an seine Frau.

Festnahmen in Russland, Demonstration in Berlin

In mehreren russischen Städten kam es zu spontanen Gedenkveranstaltungen. Trotz eines hohen Polizeiaufgebots standen etwa im Moskauer Stadtzentrum Menschen Schlange, um Blumen an einer Gedenkstelle für Opfer politischer Repression abzulegen. Auch aus St. Petersburg, Jekaterinburg, Nischni Nowgorod und anderen Städten gab es ähnliche Bilder. Manche Leute brachten Fotos von Nawalny mit, einige weinten und lagen sich in den Armen.

Die Polizei ging gegen die trauernden Unterstützer vor. In mehreren russischen Städten wurden bis zum späten Freitagabend mehr als 100 Menschen bei Gedenkveranstaltungen festgenommen, wie die Bürgerrechtsorganisation Ovd-Info mitteilte. Festnahmen wurden unter anderem aus Moskau, St. Petersburg und sechs weiteren Städten gemeldet.

In Berlin zogen mehr als 1.000 Demonstranten vor die russische Botschaft. Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte entsetzt auf Berichte über den Tod Nawalnys. "Wir wissen aber nun auch ganz genau, spätestens, was das für ein Regime ist", sagte der SPD-Politiker. Bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erinnerte Scholz daran, wie er Nawalny in Berlin getroffen habe, als er sich 2020 in Deutschland von dem Giftanschlag erholt habe.

Dabei habe er mit Nawalny auch über den Mut geredet, den es erfordere, wieder zurückzugehen in das Land. "Und wahrscheinlich hat er diesen Mut jetzt bezahlt mit seinem Leben", sagte Scholz. Selenskyj, dessen Land von Putin mit Krieg überzogen wird, sagte, es sei "offensichtlich", dass er getötet wurde. "Wie andere Tausende, die zu Tode gequält wurden wegen dieses einen Menschen." Putin sollte dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Russland weist jegliche Schuld zurück

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte, die Europäische Union halte das russische Regime "für alleinverantwortlich für diesen tragischen Tod". Ähnlich äußerten sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Großbritanniens Premier Rishi Sunak oder Kanadas Premierminister Justin Trudeau.

UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine "umfassende, glaubwürdige und transparente Untersuchung" der Todesumstände Nawalnys.

Russland wies sämtliche Anschuldigungen zurück. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, es gebe noch keine genauen Informationen von Medizinern, Gerichtsmedizinern oder dem Strafvollzug. Trotzdem gebe es bereits Reaktionen aus dem Westen. "Es ist offensichtlich, dass das absolut überdrehte und absolut inakzeptable Aussagen sind.", kritisierte Peskow. "Mehr habe ich zu diesem Thema nicht zu sagen." Putin selbst, der in einem Monat zur Wiederwahl antritt, äußerte sich bislang nicht öffentlich zum Tod Nawalnys.

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