Gottesdienst in der Mala-Tepla-Sophia-Kirche in Kiew.
Reportage

Orthodoxe Christen Vorgezogene Weihnachten in der Ukraine

Stand: 25.12.2022 21:14 Uhr

Trotz des russischen Angriffskriegs feiern die Ukrainer Weihnachten - viele von ihnen sogar schon am 25. Dezember. Sie trotzen damit nicht nur dem anhaltenden Beschuss, sondern auch der russisch-orthodoxen Kirche.

Von Andrea Beer, WDR, zzt. Kiew

Festlicher Weihnachtsgottesdienst in der Mala-Tepla-Sophia-Kirche in Kiew: Es ist kühl in dem hohen, im ukrainischen Stil geschmückten Saal und die meisten der Gläubigen folgen dem Ritus der prächtig gekleideten Priester in Mantel, Mütze und Schal. Die Kirche liegt auf dem Gelände des bedeutenden Sophienklosters aus dem 11. Jahrhundert, das mit der Zeit immer wieder erweitert wurde. Ein bärtiger Priester schwenkt den Weihrauch in Richtung der Betenden. Einige tragen ukrainische Tracht, andere schließen andächtig die Augen.

Orthodoxe Christinnen und Christen in der Ukraine feierten bislang am 7. Januar Weihnachten, doch in diesem Jahr konnten Gemeinden dies schon am 25. Dezember tun, wenn sie zur orthodoxen Kirche der Ukraine gehören. Das ist eine von zwei orthodoxen Kirchen im Land. Die zweite ist die ukrainisch-orthodoxe Kirche. Diese hat sich wegen des russischen Angriffskriegs zwar vom Moskauer Patriarchat abgenabelt, doch vielen gilt sie weiter als viel zu russlandnah.

An dem Gottesdienst in der Mala-Tepla-Sophia-Kirche nimmt auch die Rentnerin Natalja Dwinitsch teil. Sie ist schon lange für Weihnachten am 25. Dezember. "Wir sollten am 25. Dezember feiern - so wie es in ganz Europa, ja eigentlich auf der ganzen Welt üblich ist", sagt sie.

"Dieses Datum respektiere ich schon mein ganzes Leben lang, denn meine Mutter war katholisch und mein Vater ukrainisch-orthodox", erzählt Dwinitsch. "Er war zwar nicht religiös, aber trotzdem. Deswegen habe ich diese Feiertage immer eingehalten. Mein verstorbener Vater pflegte zu sagen: Gut, dass ich auch eine katholische Schwiegermutter habe, dann habe ich viele Feiertage. Und ich denke das auch, aber ich bin für den 25. Dezember."

Der Krieg macht keine Pause

Für religiöse Christinnen und Christen ist Weihnachten eine Zeit des Friedens, doch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine macht keine Pause. Mitten in der Stadt Cherson starben an Heiligabend mindestens zehn Menschen durch russischen Beschuss. Mehr als 50 wurden verletzt, viele von ihnen schwer.

Eine Frau kauert verzweifelt über einem Toten. Augenzeuge Oleksandr Kudryashov beschreibt fassungslos den Tod eines Marktverkäufers: "Er hat hier Fleisch verkauft und ist nur auf die Stufen gegangen, um zu rauchen. Dort ist Blut, wir haben ihn hierhergezogen, er war tot."

Cherson liegt im Süden und ist seit Mitte November von der Besatzung befreit, doch auf der anderen Seite des Flusses Dnipro steht die russische Armee und beschießt wahllos die Zivilbevölkerung.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Weihnachtskonzert in der U-Bahn-Station

Unterdessen gab die Kiewer Oper ein Weihnachtskonzert - aus Sicherheitsgründen in einer U-Bahn-Station. Und auch am ersten Weihnachtsfeiertag war einmal mehr landesweit stundenlang Luftalarm. "Niemandem ist der Krieg gleichgültig, doch wir brauchen ein wenig Ablenkung", findet Konzertbesucherin Jewegenija Molchanova. Die 47-Jährige war mit ihren Eltern und ihrer Tochter gekommen. "Trotz des Kriegs möchten wir ein bisschen Ferien haben und glücklich sein. Wir brauchen auch positive Gefühle."

Auch in der ostukrainischen Stadt Charkiw wurde Weihnachten gefeiert und das sogenannte Friedenslicht von Bethlehem entzündet. An diesem Gottesdienst nahmen Angehörige der zivilen Territorialverteidigung und Soldaten der ukrainischen Armee teil - wie Vasyl Biloys. "Ich bin ein Sohn der Ukraine, die ihre eigene lange Geschichte hat", erzählt er. "Es ist unsere Tradition, dass wir als Christen Weihnachten feiern. Egal, wann es begangen wird. Es ist immer ein Fest für die Familie und das ganze Volk."

Natalja Dwinitsch ist für Weihnachten am 25. Dezember, doch wenn andere Orthodoxe Christi Geburt weiter am 7. Januar feiern, sieht sie es pragmatisch. "Am 7. Januar kommt Familie und dann werden wir, so Gott will, auch feiern", sagt sie. "Aber ich bin für den 25. Dezember."

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