EVP-Chef Manfred Weber

EVP-Chef Weber "EU schlafwandelt in neue Migrationskrise"

Stand: 17.04.2023 02:17 Uhr

EVP-Chef Weber hat Verhandlungen der EU mit Tunesien über einen Flüchtlingspakt gefordert. Wegen der steigenden Zahl von Migranten habe Italien bereits den Notstand ausgerufen und dürfe nicht allein gelassen werden.

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), der CSU-Politiker Manfred Weber, hat vor den Folgen der zuletzt gestiegenen Zahl von Flüchtlingen gewarnt. "Die EU schlafwandelt in eine neue Migrationskrise, obwohl der rasant steigende Migrationsdruck offensichtlich ist", sagte er der "Bild"-Zeitung. In Italien seien zwischen Januar und März über 300 Prozent mehr Migranten angekommen als in den ersten drei Monaten des Vorjahres. "Italien hat bereits den Notstand ausgerufen - und die anderen EU-Staaten schauen weg. Wir dürfen Italien nicht allein lassen", sagte Weber.

Als Konsequenz aus der aktuellen Entwicklung fordert der EVP-Chef Verhandlungen zwischen der EU und Tunesien über einen zweiten Flüchtlingspakt nach dem Vorbild des Türkei-Abkommens. "Ähnlich wie beim Türkei-Abkommen muss den Schlepperbanden gemeinsam das Handwerk gelegt werden." Der Grenzschutz und die Kontrollen sowie das Zurückweisen illegaler Migranten müssten endlich funktionieren, so Weber. Dafür müsse die EU-Kommission zügig neue Rückführungsabkommen aushandeln. Hunderttausende illegale Migranten seien ausreisepflichtig, blieben aber in der EU, weil ihr Heimatland sie nicht zurücknimmt.

Deutlich mehr Migranten auf zentraler Mittelmeerroute

Hintergrund der Forderung sind die zuletzt registrierten Veränderungen bei der Nutzung verschiedener Routen in Richtung Europa. Für Januar und Februar hatte die europäische Grenzschutzagentur Frontex bereits einen starken Anstieg der Zahl von Migranten gemeldet, die über die sogenannte zentrale Mittelmeerroute nach Italien und Malta kommen. Dagegen wurden sinkende Zahlen etwa auf der Westbalkanroute oder auf der westlichen Mittelmeerroute in Richtung Spanien registriert.

Die "Bild"-Zeitung meldete nun unter Berufung auf einen aktuellen Frontex-Bericht, dass Tunesien mittlerweile Libyen als Haupt-Transferland abgelöst habe: Demnach waren 57 Prozent der in Italien ankommenden Migranten an Bord von Schlepper-Booten in Tunesien gestartet. Dem Bericht zufolge erwartet Frontex, dass die 2022 erreichte Zahl von 330.000 Migranten in diesem Jahr bereits im Sommer erreicht werden könnte.

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk hatte sich in der vergangenen Woche alarmiert über die Risiken von Bootsflüchtlingen auf der zentralen Mittelmeerroute gezeigt. Seit 2014 seien über 26.000 Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben gekommen oder verschollen, darunter mehr als 20.000 auf der Route Richtung Italien und Malta, sagte Türk. Es gebe einen "steilen Anstieg der Zahl verzweifelter Menschen, die ihr Leben aufs Spiel setzen." Türk verlangt mehr Wege für legale Einwanderung, eine bessere Verteilung der Verantwortung, Vorkehrungen für die sichere und rasche Ausschiffung aller Geretteten und eine unabhängige Überwachung der migrationspolitischen Maßnahmen.