Bodenpersonal auf einer F-16 auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Angeles City (Phillippinen)
interview

F-16-Kampfjets für die Ukraine "Ein wichtiges Signal an Russland"

Stand: 22.05.2023 14:11 Uhr

Noch gibt es keine feste Zusage des Westens, der Ukraine F-16-Jets zu liefern. Aber schon die Ankündigung, Piloten für den Einsatz auszubilden, ist für Militärexperte Mölling ein deutliches Zeichen. Er warnt davor, russischen Drohungen Glauben zu schenken.

tagesschau.de: Wie schnell könnten F-16-Jets im Krieg in der Ukraine ein Faktor werden?

Christian Mölling: Es wird sicherlich noch einige Monate dauern, bis sie auf dem Schlachtfeld ein Faktor werden können. Es müssen Piloten und Einheiten am Boden ausgebildet werden. Dann muss in der Ukraine erst die nötige Infrastruktur geschaffen werden, die Voraussetzung für einen Einsatz ist.

Und dann hängt es auch davon ab, ob man für diese Jets bereits ausgebildete Piloten nehmen kann, die nur noch auf dieses Muster umtrainiert werden müssen, oder ganz neu mit der fliegerischen Grundausbildung beginnen muss. Dann würde es sehr lange dauern.

Grob geschätzt würde ich von einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren ausgehen. Aber je früher sie kommen, desto besser, weil das bedeuten würde, dass sich die Ukraine besser gegen russische Flugkörper und Drohnen wehren kann und damit eine Ergänzung zu der bodengebundenen Luftverteidigung aufbauen kann. Und das ist ganz wichtig für die Ukrainer.

Christian Mölling
Zur Person
Christian Mölling ist stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Er ist Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU, NATO und Deutschlands.

Langfristige Überlegungen

tagesschau.de: Das heißt, dass die F-16 in der erwarteten Gegenoffensive keine Rolle mehr spielen werden?

Mölling: In der jetzt anstehenden Offensive der nächsten Wochen werden diese Flugzeuge sicherlich keine Rolle mehr spielen, wohl aber in der mittel- und langfristigen Sicherung der Ukraine gegen einen weiteren Überfall durch Russland.

Man muss jetzt schon langfristig denken. Der Krieg wird irgendwann mal vorbei sein, was aber nicht bedeutet, dass Russland dann zu einem friedliebenden Staat wird, sondern dass die Ukraine sich weiterhin verteidigen können muss. Dabei spielen Kampfflugzeuge eine wesentliche Rolle.

"F-16 seit den Anfangsjahren stark verändert"

tagesschau.de: Wer käme überhaupt in Frage, solche Jets zu liefern?

Mölling: Das wären zum einen die Niederlande, die ihre Luftwaffe schrittweise von F-16 auf F-35 umstellen. Das könnte auch einer der Gründe sein, warum die Niederländer bei dieser Initiative recht weit vorne gewesen sind.

Die Briten, die ebenfalls bei der Initiative mit dabei waren, können keine F-16 abgeben, weil sie keine haben. Dennoch bieten sie an, Ukrainer auszubilden. Das deutet darauf hin, dass es hier erst einmal um eine fliegerische Grundausbildung und nicht um ein Training für die F-16 geht.

Es gibt weitere NATO-Staaten mit F-16: die Türkei, Portugal, aber in unterschiedlichen Varianten. Der F-16 hat sich seit seinen Anfangsjahren bis heute stark verändert, und die unterschiedlichen Varianten haben nicht viel miteinander zu tun - es sind letztlich unterschiedliche Flugzeuge.

Wenn aber unterschiedliche Typen unter der Bezeichnung F-16 gesammelt werden, landet man in einer logistischen Hölle. Eine Möglichkeit ist, dass es von einigen europäischen und anderen Staaten eine Überlassung an die Ukraine gibt. Die andere Möglichkeit ist, die F-16 gezielt auf dem Weltmarkt bei Ländern zu kaufen, die jetzt auf neuere Flugzeuge umstellen.

"Signal auf Grün gestellt"

tagesschau.de: Das ginge aber nur mit Zustimmung der USA, weil der F-16 dort entwickelt wurde.

Mölling: Die USA besitzen als Herstellerland ein Exportkontrollrecht, und das ist keine Petitesse. Das ist auch bei in Deutschland hergestellten Rüstungsgütern so. Man hat eine weiter bestehende Pflicht, sich um die Rüstungsgüter zu sorgen, damit sie nicht in die falschen Hände geraten. Und deswegen müssen die USA dem Verkauf zustimmen.

Da sie in der vergangenen Woche offenbar erklärt haben, dass sie die F-16-Initiative unterstützen, ist in meinen Augen das Signal auf Grün gestellt, diese Flugzeuge auch zu liefern. Das war vorher offensichtlich nicht so klar.

"Ein Signal, dass man nicht nachlässt"

tagesschau.de: Welches Signal geht von dieser Entscheidung aus?

Mölling: Es ist ein Signal in mehrere Richtungen. Es zeigt, dass man sich darüber im Klaren ist, dass man die Ukraine längerfristig unterstützen muss und darin nicht nachlässt, sondern im Gegenteil zulegt. Das ist ein wichtiges Signal an Russland.

Und es stellt eine Verbesserung der Kampffähigkeit dar. Hier hängt es von der Anzahl der Kampfflugzeuge und von der Bewaffnung ab - wie sind sie ausgestattet? Sind sie fähig, Luftverteidigung durchzuführen oder aber auch Angriffe gegen den Boden, also gegen Landstreitkräfte zu führen? Welche Fähigkeiten in der elektronischen Kampfführung haben sie und können sie den Gegner in seinem Funk- und Informationsraum stören? Auch diese Möglichkeiten bringt die F-16 mit.

"Das ist hohles Gerede"

tagesschau.de: Wie sehr wird die Lieferung den Krieg noch weiter eskalieren? Vertreter Russlands machen entsprechende Drohungen.

Mölling: Solche Warnungen hört man immer wieder, aber bislang ist daraus nichts gefolgt. Die Russen eskalieren ja offensichtlich nicht. Ihnen wird eine Omnipotenz unterstellt, die sie nicht haben. Und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es im Krieg nicht gut um Russland steht, fragt man sich, wann Russland überhaupt noch eskalieren und wie lange es noch warten will.

Andersrum ausgedrückt: Das ist hohles Gerede. Wenn Russland eskalieren könnte, hätte es das schon längst gemacht. Warum sollte es militärische Fähigkeiten und Kampfpotenziale zurückhalten? Es hat ja Kriegsziele und ist ihnen keinen Schritt nähergekommen.

"Mehr von allem ist gut"

tagesschau.de: Wenn die F-16 auf absehbare Zeit und zumal für die angekündigte Gegenoffensive der Ukraine kein Faktor werden wird, was braucht die Ukraine im Moment am dringendsten?

Mölling: Alles das, was sie schon lange angefordert hat. Mehr von allem ist gut, weil es in einem Krieg nicht darum geht, abzuschrecken und eine Sache einmal hinzustellen. Munition wird verschossen, Treibstoff wird verbraucht. Alles, was schon geliefert worden ist, muss in einem permanenten Strom weitergeliefert werden. Der Krieg ist ein schwarzes Loch, das das gesamte Kriegsmaterial einfach verbrennt und verschluckt. Wenn man aufhört, das schwarze Loch zu füttern, wird man selber von diesem schwarzen Loch aufgesogen.

Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de

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