Recep Tayyip Erdogan

Schwedens NATO-Beitritt Erdogans Ja hat seinen Preis

Stand: 14.06.2023 19:11 Uhr

Der türkische Präsident Erdogan hat die Zustimmung für den NATO-Beitritt Schwedens erneut infrage gestellt. Dabei rechneten viele mit einem Ende der Blockade. Offenbar spekuliert er auf ein Komplettpaket - inklusive US-Kampfjets.

Klarer hätte das Zeichen nicht ausfallen können. In Ankara sitzt der neue außenpolitische Chefberater des türkischen Präsidenten, Akif Cagatay Kilic, mit Delegationen aus Brüssel, Helsinki und Stockholm zusammen, um über den Beitritt Schwedens zu verhandeln. Die wichtigen Statements macht allerdings Recep Tayyip Erdogan - noch in der Luft auf dem Rückweg von Aserbaidschan.

Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu zitiert ihn mit den Worten: "Wo ist die Säule der NATO zur Terrorismusbekämpfung? Die NATO muss das ein für alle Mal klarstellen. Wenn wir das nicht geklärt bekommen, können wir uns nicht in Vilnius hinstellen und sagen 'alles gut'."

Anti-schwedische Position verwundert

In knapp einem Monat ist der nächste NATO-Gipfel in Vilnius in Litauen, und eigentlich soll da auch Schweden zur NATO dazustoßen dürfen. Viele hatten erwartet, dass die Türkei und Ungarn nicht weiter blockieren - auch die Direktorin des Instituts für Europäische Politik, Funda Tekin.

"Dass er so stark bei seiner anti-schwedischen Position, um es mal so zu nennen, bleibt, verwundert mich persönlich schon auch. Weil ich denke, dass eigentlich alle Weichen erstmal so gestellt waren, dass er da jetzt hätte einlenken können", sagt sie.

Tekin spricht die innenpolitischen Faktoren an: Erdogan hat die Wahl im Mai gewonnen, könnte jetzt also deutlich entspannter regieren. Das "nationalpolitische Argument", mit seiner Haltung zu Schweden Stärke zu präsentieren, das verliere jetzt an Bedeutung, so Tekin. "Das heißt, eigentlich müsste er so ein bisschen aus dem Wahlkampf-Modus herausgehen."

Stoltenbergs Besuch verpufft

Aber davon ist er weit entfernt. Das zeigt schon seine Balkon-Rede in der Wahlnacht nach dem Sieg. Erdogan bleibt auf Angriff. Daran ändert auch der Besuch von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu seiner Vereidigung nichts. Was eigentlich als starkes Zeichen Stoltenbergs und der NATO gedacht war, wischt Erdogan in seinem aktuellen Statement vom Tisch.

"Wir haben ihm gesagt, wenn Sie wollen, dass wir die Erwartungen erfüllen, dann muss Schweden zuallererst gegen die Aktivitäten dieser Terrororganisation vorgehen", sagte er. Während Stoltenberg ihnen das zugesagt habe, hätten genau zur gleichen Zeit Terroristen auf den Straßen in Schweden demonstriert.

Expertin Tekin sieht Entgegenkommen

Erdogan geht es vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. In Schweden ist erst zu Beginn des Monats ein neues Antiterrorgesetz in Kraft getreten.

"Dies geht wirklich weitreichend für schwedische Verhältnisse. Das heißt, man kann hier wirklich sagen, das ist ein Zugeständnis an Erdogan oder ein Entgegenkommen", sagt Tekin. Auch die schwedischen Gerichte hätten damit begonnen, Ausweisungen zu prüfen und zu veranlassen.

Ankara soll schon vor Längerem eine Liste mit 130 Namen in Finnland und Schweden vorgelegt haben: Es handelt sich dabei laut türkischen Medien vor allem um angebliche Terroristen, die man ausgeliefert haben will.

Setzt Erdogan auf weitere F16-Jets?

Brüssel hatte gehofft, mit den Schritten türkische Bedingungen vom NATO-Gipfel vor einem Jahr in Madrid zu erfüllen. Aber Erdogan reicht all das nicht. Sein Ja zum Beitritt Schwedens hat seinen Preis. Und der scheint höher zu sein.

Expertin Tekin spricht die F16-Kampfjets aus US-Produktion an: "Er wird wahrscheinlich darauf spekulieren, die F16 zu bekommen, um da wirklich dann auch das gesamte Paket zu bekommen." Sie könne sich nicht vorstellen, dass es nur an der Frage, wer in Schweden demonstriert und wer nicht, liegt.

US-Präsident Joe Biden gratulierte Erdogan zu seinem Wahlsieg und verknüpfte dabei offenbar den NATO-Beitritt Schwedens mit den F16 - entgegen der offiziellen Sprachregelung. Der US-Kongress will die Kampfjets nicht liefern, weil die Türkei ein russisches Raketenabwehrsystem gekauft hatte.

Image als komplizierter Partner

"Jetzt wäre es eigentlich für Erdogan die Gelegenheit, genau diese Sorgen in Bezug auf die Türkei als sehr schwieriger NATO-Partner ein wenig zu zerstreuen und Entgegenkommen seinerseits zu zeigen und die schwedische Frage letztendlich positiver zu beurteilen", sagt Tekin.

Erdogan will die F16 offenbar erst vor der Haustür haben, bevor er zu Schweden Ja sagt. Damit dürften sich auch die Hoffnungen der EU und des Westens auf bessere Beziehungen vorerst zerschlagen. Der türkische Präsident scheint sein Image als komplizierter Partner weiter zu pflegen.

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