Mark Dickey (Quelle: AFP PHOTO/TURKISH DIRECTION OF COMMUNICATION)

Höhlenforscher in der Türkei Rettung aus einem Kilometer Tiefe

Stand: 08.09.2023 17:56 Uhr

Internationale Hilfskräfte sind auf dem Weg zu Mark Dickey. Der US-Forscher sitzt in einer türkischen Höhle fest - seit bald einer Woche. Die außergewöhnliche Rettungsaktion soll mindestens noch Tage dauern.

Es ist eine karge Berglandschaft im Taurus-Gebirge rund 100 Kilometer östlich der Touristenhochburg Alanya. Ein italienisches Höhlenteam in voller Montur mit Karabinern, Seilen und Helmen verabschiedet sich in den Berg, in rund 1.000 Meter Tiefe. Da ist Mark Dickey seit sechs Tagen gefangen. Der 40-Jährige hatte bei einer Expedition in der Morca-Höhle, der dritttiefsten in der Türkei, eine Magen-Darm-Blutung und konnte nicht mehr aus eigener Kraft herausklettern. Schon einen Tag später erreicht ihn ein ungarisches Rettungsteam.

"Wir haben einen Arzt und medizinisches Material heruntergebracht. Danke auch für das Blut. Wir haben ihn damit behandeln können. Mark geht's dadurch viel besser." Sechs Blutkonserven bekommt er. Dickeys Zustand stabilisiert sich danach. Auch er selbst meldet sich in dem Video aus der Höhle zu Wort. "Wie sie sehen können, bin ich wach, ich kann sprechen. Aber ich habe innere Verletzungen. Also werde ich viel Hilfe brauchen, um hier herauszukommen."

Dieses Team machte sich auf den Weg, den US-Forscher Dickey zu retten.

Tagelanger Aufstieg erwartet

Inzwischen sind nicht nur italienische und ungarische Teams vor Ort, sondern unter anderem auch eines aus Kroatien, Polen - und auch aus der Türkei. Normalerweise dauert der Ausstieg aus dieser Tiefe der Morca-Höhle nach Angaben von Experten rund 16 Stunden. Jetzt rechnen sie damit, dass es drei bis vier Tage dauert.

Die Höhle musste an manchen Stellen verbreitert werden, damit eine Trage durchpasst, heißt es. Experten haben Kabel zur Kommunikation verlegt. Ein türkischer Höhlenforscher erklärt die problematischen Stellen, während neben ihm das Wasser an den Felswänden herunterläuft. Es sind unter zehn Grad Celsius. Wenn Dickey spricht, sieht man seinem Atem in der kalten Luft. Er trägt eine dicke rote Daunenjacke und eine Stirnlampe.

"Ich war dem Tod ganz schön nah"

"Die Welt der Höhlenforscher ist wirklich eng verbunden, und es ist erstaunlich, wie viele Menschen an der Oberfläche reagiert haben", sagt Dickey. Er wisse nicht genau, was passiert ist - aber, dass die "schnelle Reaktion der türkischen Regierung" für die medizinische Versorgung sein Leben gerettet habe: "Ich war dem Tod ganz schön nah."

Nach Angaben des türkischen Höhlenforscherverbandes handelt es sich logistisch und technisch um eine der größten Höhlenrettungen der Welt. Rund 150 Retter sind im Einsatz. "Das ist eine sehr komplexe Höhlenrettungsaktion", sagt Dinko Novosel, Leiter des europäischen Höhlenrettervereins. "Und sie ist noch nicht zu Ende."

Erst, wenn man das Opfer aus der Höhle herausbekommen und ins Krankenhaus gebracht habe, können man sagen, dass die Rettungsaktion erfolgreich war. "Bis jetzt gibt es weltweit keinen Fall, in dem wir eine so große Rettungsaktion aus einer Höhle durchgeführt haben. Die Dimension dieser Höhlenrettung ist die Herausforderung."

Ein Mitglied eines Rettungsteams zeigt mit einem Kugelschreiber auf eine Grafik zur Beschaffenheit der Morca-Höhle.

Ein Mitglied eines Rettungsteams zeigt auf eine Grafik zur Beschaffenheit der Höhle.

Ausgang ungewiss

Dickey, der aus dem US-Bundesstaat New Jersey kommt, gilt als erfahrener Höhlenforscher, der auch selbst Höhlenretter ist. In dem Video dankt er der türkischen Regierung. Die letzten Worte in dem Video bewegen ihn sichtlich: "Ich denke, das ist für die Höhlenforschung eine großartige Gelegenheit, um zu zeigen, wie gut man internationale zusammenarbeiten kann." Er hoffe, dass er viele Leute aus unterschiedlichen Ländern sehen werde: "Wir kümmern uns um unsere eigenen Leute. Und das ist wirklich was Besonderes."

Er weiß, dass er noch einen schweren Weg vor sich hat. Am Dienstag oder Mittwoch soll Dickey, wenn alles glatt läuft, wieder Tageslicht sehen. Manche Experten sprechen aber auch von mehreren Wochen.