Sendungsbild

Tschechien Bunker zu verkaufen

Stand: 28.05.2022 10:40 Uhr

Mit dem Ukraine-Krieg steigt das Interesse an Schutzräumen. In Tschechien verkauft die Armee Dutzende alte Bunker günstig - eine wirklich krisenfeste Investition.

Die gesamte tschechische Presse hatte sich am Donnerstag erwartungsvoll rund um Andor Šándor versammelt, den ehemaligen Geheimdienstchef des Landes. Doch die "wichtige Sicherheitsherausforderung", über die der Ex-Spion sprechen wollte, entpuppte sich als Werbeverkaufsveranstaltung für Fertigbunker.

Während oben Tornados und Panzertruppen das Eigenheim niederwalzen, sitzt die Familie gut geschützt und glücklich tief unter der heimischen Grasnarbe. Jedenfalls in den bizarren Prospekten, die Šándor an die erstaunten Medienvertreter verteilte.

Die Form mag grotesk sein, doch der Reflex des Schutzsuchens ist zurück in einer Welt, in der auf einmal selbst ein Atomschlag wieder in den Bereich des Vorstellbaren gerückt ist. Nicht nur in Tschechien ist das so - doch die Tschechen haben einen Vorteil. Denn wer dort einen Bunker kaufen will, der muss nicht windigen Sicherheitsberatern 20.000 Euro auf den Tisch blättern. Er wird auch bei Vater Staat fündig - zu einem Bruchteil des Preises.

Der Makler der Bunker

Ortstermin mit Milan Krulich, einem bedachten Mittfünfziger mit grauem Haar. Tschechisches Verteidigungsministerium, Abteilung für nicht benötigtes Eigentum. Krulich ist Herr über 1500 Bunker, und das alleine in seinem nordböhmischen Rayon. Zwei sind heute zu verkaufen. Vor dem Krieg sollten sie die Bahnlinie von Eger nach Aussig schützen. Die ist heute längst ein Fahrradweg.

Nur zwei Interessenten haben sich persönlich zur Besichtigung eingefunden - Krulich ist ein wenig enttäuscht. Vor ein paar Wochen in Louny seien es noch zwanzig Kauflustige für einen Bunker gewesen, erinnert er sich. Da habe er mit dem Regenschirm vorangehen müssen, so wie es die Prager Stadtführer tun.

Überbleibsel der 1930er-Jahre

In den 1930er-Jahren, als die Bedrohung aus Hitler-Deutschland immer offensichtlicher wurde, ließ die Tschechoslowakei eine doppelte Verteidigungslinie aus leichten Festungswerken entlang der Grenze errichten, die so genannten Řopíky. In zwei Jahren entstanden über 9000 Stück, meist nur wenige Quadratmeter groß. Das Münchener Abkommen mit der Abtrennung der Sudeten machte die damals hochmodernen Verteidigungsbauten hinfällig.

Seitdem liegen sie in einem Dornröschenschlaf. Viele sind im Wald versunken, die meisten zugemüllt, manche von Vandalen geplündert. Doch einem Bunker kann das nicht viel anhaben. Für die Armee haben die Bauten keinen Sinn mehr und so werden sie seit Jahren peu à peu abgegeben. Viele werden einfach an die Grundstückseigentümer übertragen, nicht wenige aber auch ganz normal verkauft.

Begehrte Bunker

Wie ein Makler führt Krulich seine Interessenten durch das Objekt. Bei elf Quadratmetern ist das schnell erledigt. Die Türen und die eisernen Verschlussklappen der Schießscharten sind längst herausgebrochen, doch die Wände sind stabil. Gute Verkehrsanbindung - ein Objekt mit Potential, würde man in der Branche sagen. Das Mindestgebot 2000 Euro, inklusive Grundstück.

Bürgermeister Václav Hora würde gerne für seine Gemeinde zuschlagen. Man müsse doch das Erbe des Ortes erhalten, und außerdem könnte am Radweg eine kleine Raststation entstehen - der Bunker wäre da ideal als einbruchsicherer Lagerraum. Doch er ist sich nicht sicher, ob sein Budget reichen wird. Denn Krulichs Uralt-Bunker bleiben nur selten lange unverkauft, auch wenn sie heute wohl allenfalls noch vor Sturm und Hagel schützen.

Viele der kleinen Festungen gehen in die Hände von Hobby-Militärhistorikern und Lokalgeschichtsvereinen, die die Bunker oft liebevoll wieder herrichten und als Museum ausbauen. Andere werden als Weinkeller oder Kartoffellager genutzt, als spacige Waldhütte oder als heimische Alternative zum Mondgrundstück.

Bunker werden Mini-Pensionen

Und dann gibt es noch da Richard Matouš. Er hat inzwischen fünf der kleinen Bunker quer durchs Land zu Ein-Zimmer-Pensionen umgebaut und sich damit einen Kindheitstraum erfüllt. "Jeder kleine Junge baut doch gerne Bunker. Und bei mir ist das geblieben: Als ich dann vor sechs Jahren erfahren habe, dass man von der Armee echte Bunker kaufen kann, war die Sache für mich gleich klar."

Gerade in diesen unsicheren Zeiten, sagen seine Gäste, seien sie froh, Urlaub im Bunker gebucht zu haben. Denn einem normalen Hotel steht so ein Bunker fast in nichts nach: Es gibt Strom vom Solarpanel, eine Gasheizung, eine Kühlbox - und abends sogar den Lieblingsfilm im Internet-Fernsehen.

Matouš will seine krisensichere Hotelkette in Zukunft noch ausweiten. Bunker gebe es ja noch genug. Und was den Standort angeht, hat Bunker-Verkäufer Krulich noch einen echten Trumpf im Ärmel: Für eine Immobilie sind die Bunker nämlich erstaunlich beweglich. Mit einem entsprechend großen Kran lassen sich die 50-Tonnen-Festungen einfach en bloc auf einen Tieflader hieven. Wer möchte, kann sich seine Bunker also auch zu Hause bunkern.

Echte Konkurrenz also für Ex-Geheimdienstchef Šándor - denn mindestens für den Tornado werden auch die historischen Festungen ausreichen.

Diese und weitere Reportagen sehen Sie im Europamagazin - am Sonntag um 12:45 Uhr im Ersten.

Thema 12:45 Dieses dieses Thema Uhr Im "europamagazin" Mai Um Erste