Taylor Swift-Fans versammeln sich in der Wiener Innenstadt.

Nach Absage von Konzerten in Wien "Swifties" trotzen dem Terror - weitere Festnahme

Stand: 09.08.2024 10:50 Uhr

Mitten in Wien fangen Tausende an zu singen: Die Fans setzen die Taylor-Swift-Songs dem Terror entgegen. Experten sehen in dem Fall einen gefährlichen Trend. Unterdessen gab es eine weitere Festnahme.

Tausende Taylor Swift-Fans singen sich durch die Nacht, nicht im Konzert im Stadion, sondern vor dem Wiener Stephansdom. Enttäuscht, aber trotzig-fröhlich. Das könnte ein Wiener Sommernachtstraum sein, knapp am Alptraum vorbei.

Aber: Vorbei ist nichts, sagt Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer, nach einem langen Tag drängender Fragen: "Wir haben nach wie vor Terrorwarnstufe 4", sagt er. Auch wenn es keine konkrete Bedrohung mehr gebe. "Die Tragödie, die hätte stattfinden können, ist abgewendet worden, indem der mutmaßliche Täter und sein Umfeld festgenommen worden sind."

Rechtspopulisten nutzen Fall für Stimmungsmache

Der mutmaßliche Selbstmordattentäter: ein Österreicher, in Österreich geboren, in Österreich zur Schule gegangen, aber mit mazedonisch-albanischem Hintergrund. Die Rechtspopulisten machen sofort Stimmung damit, Ende September wird gewählt in Österreich. Dabei war dieser 19-jährige Beran A. doch ein Bub aus der Nachbarschaft, im beschaulichen Ternitz in Niederösterreich. Unauffällig, bis die Polizei kam.

Er habe den jungen Mann fast täglich auf der Straße gesehen, berichtet einer aus dem Ort, er sei nicht unfreundlich gewesen. Nicht unfreundlich, aber in den vergangenen Wochen verändert: Vollbart, Islamisten-Outfit. Es sind Äußerlichkeiten. Aber dann doch: Radikalisiert durch die Terrorpropaganda des "Islamischen Staats".

Auf einem Bildschirm wird ein Bild eines Tatverdächtigen gezeigt, der einen Terroranschlag geplant haben soll.

Die Ermittler haben dieses Foto des Tatverdächtigen präsentiert, der einen Anschlag auf eines der Wiener Taylor-Swift-Konzerte geplant haben soll.

Radikalisierung zunehmend bei Jüngeren

Zum Fürchten findet der österreichische Extremismus-Experte Moussa al-Hassan Diaw noch etwas anderes: Die Täter werden immer jünger. Der Hauptverdächtige ist 19 Jahre alt, der Mitverdächtige 17, ein möglicher Mitwisser 15. "Wir haben inzwischen Personen, die nicht mehr strafmündig sind", erklärt Diaw mit Blick auf andere Fälle. Teilweise seien es bereits 13-Jährige, die sich radikalisierten. "Vorher waren die doch teilweise älter, Anfang 20, das hat sich auf jeden Fall geändert", so der Islamismusforscher. Inzwischen wurde bekannt, dass ein weiterer Verdächtiger festgenommen wurde - ein 18-jähriger Mann aus dem Irak.

Bombenbau jetzt im Kinderzimmer? Die ganz jungen Menschen sind erschreckend gut erreichbar für die Hassprediger weltweit. Mit Tiktok und Telegram trügen sie den Terror in unsere Welt, sagt der Experte und berichtet vom Fall einer Jugendlichen, die fast 50 unterschiedliche Kanäle abonniert hatte: "Sie hat uns Einblick gewährt, wie das nationenübergreifend funktioniert und diese Ideologie feilgeboten wird und die Jugendlichen teilweise unter Druck gesetzt werden, sich gemäß der ideologischen Vorgaben zu benehmen und zu denken."

"Swifties" stehen für Weltoffenheit und Toleranz

Vermutlich kein Zufall, dass die "Swifties", die Taylor-Swift-Fans, zum Terrorziel wurden, sagt Verena Bogner, österreichische Journalistin und Taylor-Swift-Erklärerin. Die Fans stünden für Weltoffenheit und Toleranz. Die Konzerte der US-amerikanischen Popsängerin seien für Frauen, Mädchen und queere Personen ein "Safe Space", ein Ort, an dem man akzeptiert werde und wo man sein könne, wer man ist. "Dass uns das jetzt genommen wurde, tut besonders weh", so Bogner.

Aber: Vereint im Schmerz scheinen die "Swifties" das Beste draus zu machen. Ausgerechnet in Wien, der Stadt, die vor knapp vier Jahren einen Amokläufer vor weiterem Töten stoppte, mit einem wütend zugerufenen "Schleich di, du Oaschloch". Ein Spruch mit einer Haltung, die ihn zum populären Graffiti in Wien gemacht haben. Die aus aller Welt angereisten Swifties schreiben gerade ähnlich Geschichte: laut singend vor dem Stephansdom.

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