Organisierte Kriminalität Nie ohne Bodyguards: EU-Politiker kämpft gegen Mafia

Stand: 08.03.2010 13:35 Uhr

Fast 2000 Kilometer sind es vom sizilianischen Städtchen Gela zum Straßburger Europaparlamemt. Aber nicht diese Entfernung macht die Arbeit des Abgeordneten Rosario Crocetta so mühsam. Der 59-Jährige, Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion, wird von der Mafia mit dem Tode bedroht. Ohne Polizeischutz geht er auch in Straßburg und Brüssel nicht vor die Tür.

Von Nikolaus Steiner, WDR Brüssel

Es ist ziemlich eng in Rosario Crocettas Büro, denn seine zwei Begleiter nehmen viel Platz ein. Sie sind rund zwei Meter groß und gefühlte zwei Meter breit. Sie tragen schwarze Anzüge und haben eine Pistole am Gürtel. Und die könnten sie vielleicht auch gebrauchen, denn der italienische Europaabgeordnete Crocetta ist bedroht. Die sizilianische Mafia ("Cosa Nostra") will ihn töten.

Nicht das Leben, das er sich erträumt hat

Anfang Februar verhaftete die italienische Polizei mehrere Killer, die auf den 59-Jährigen angesetzt waren. Jetzt hat der EU-Parlamentarier an seinen Arbeitsplätzen in Straßburg und Brüssel 24 Stunden am Tag zwei Bodyguards um sich herum. "Ich fühle mich schon sicherer, aber es ist nicht das beste Leben. Es ist nicht das Leben, das ich mir früher erträumt hatte. Seit sieben Jahren habe ich in jedem Land, an jedem Ort Polizeischutz und das ist schon hart fürs Privatleben", sagt er. 

Zur Person
Rosario Crocetta, geboren am 8. Februar 1951 in Gela auf Sizilien, sitzt seit Juni 2009 im Europaparlament. Er arbeitet unter anderem im Ausschuss für Inneres und Justiz mit. Über seinen Heimatort, als dessen Bürgermeister Crocetta besonders stark gegen die Mafia eingetreten ist, hat er ein Buch geschrieben.

Crocetta ist ein kleiner, etwas kräftiger Mann mit schwarzen Haaren, wachen braunen Augen und einer kleinen Brille auf der Nase. Er wirkt entspannt, lächelt, lacht ab und zu und das, obwohl er sein Leben dem gefährlichen Kampf gegen die Mafia gewidmet hat. Als Bürgermeister der Stadt Gela in Südsizilien hat er strenge Anti-Mafia-Gesetze erlassen. Knapp 900 Mafiosi wurden seitdem verhaftet, rund 100 Unternehmer in Gela zeigten Erpressungen durch die Mafia an.

Rund ein Drittel der Tomatenbauern von Gela zahle heute kein Schutzgeld mehr, so Crocetta, für Sizilien eine beachtliche Quote. Jetzt will der EU-Abgeordnete seinen Kampf ausweiten. "Mein Ziel ist es, den Leuten zu zeigen, dass die Mafia nicht nur ein italienisches Problem ist. Die Mafia kann an einem Tag sechs Leute in einem Restaurant in Duisburg töten. Und das hat den Leuten die Augen geöffnet."

Respekt von Kollegen

Der Anti-Mafia-Kämpfer Crocetta ist alles andere als ein Durchschnittspolitiker. Er ist bekennender Homosexueller und Kommunist. Er adoptierte ein somalisches Kind, um ein Zeichen gegen die italienische Flüchtlingspolitik zu setzen. Das alles hat die Italiener aber nicht davon abgehalten Grocetta ins Europaparlament zu wählen. Und dort loben ihn Kollegen: "Ein aufrechter Politiker, der weiß, wo es langgeht, und der für eine gerechte Sache kämpft", sagt Wolfgang Kreissl-Doerfler von der SPD.

Im Innen- und Justizausschuss des Europaparlaments sind die anderen Abgeordneten dankbar für die Erfahrungen, die Crocetta im Kampf gegen die Mafia gesammelt hat. "Das ist sehr, sehr wichtig. Denn er kann uns aus eigener Anschauung, aus seinem eigenen Widerstand und Kampf aus Italien, aus Sizilien heraus ja berichten, wie es funktioniert, wie sie aussieht", sagt Kreissl-Doerfler. "Und es ist nach wie vor so, dass man dem glaubt, der auch Augenzeuge ist und weiß, worum es geht. Es ist dringend notwendig, dass wir solche Männer wie Crocetta hier im Parlament haben."

Persönlich zahlt der 59-Jährige einen hohen Preis für diesen Kampf, aber er hat sich bewusst dafür entschieden. "Wenn sich jemand entscheidet Politiker zu werden, hat er nicht das Recht Angst zu haben. Ich habe mich dafür entschieden gegen die Mafia zu kämpfen. Wir müssen unsere Angst überwinden, denn unsere Angst ist die Stärke der Mafia."

Die italienische Mafia
Mafia - dahinter verbirgt sich der Inbegriff organisierter Kriminalität "Made in Italy". Neben der kalabrischen 'Ndrangheta, der Camorra rund um Neapel und der Sacra Corona Unita (Apulien) ist Sizilien als Mafia-Provinz bekannt. Auf der Mittelmeerinsel heißt sie "Cosa Nostra" (unsere Sache). Sie lebt zum einen vom Drogenhandel und anderen illegalen Geschäften, aber auch dem verbreiteten Erpressen von Schutzgeld. Den italienischen Anti-Mafia-Fahndern gelangen in den vergangenen Jahren allerdings einige Erfolge und Festnahmen vieler hochrangiger Mafiosi.