Flüchtlinge in Ungarn im Sommer 2015

Aufnahme von Flüchtlingen Ungarn und Slowakei scheitern mit Klage

Stand: 06.09.2017 12:12 Uhr

Im Juni 2015 hatte die EU beschlossen, zur Entlastung Italiens und Griechenlands bis zu 120.000 Flüchtlinge in anderen EU-Ländern unterzubringen. Ungarn und die Slowakei klagten dagegen, der Europäische Gerichtshof wies diese Klage nun ab: Die Aufnahmequote sei rechtens.

Von Kolja Schwartz, ARD-Rechtsredaktion

Der Europäische Gerichtshof hat die Klagen der Slowakei und Ungarns in vollem Umfang abgewiesen. Beide Länder hatten gegen einen Beschluss des EU-Rats vom 22. September 2015 geklagt. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise hatte der EU-Rat beschlossen, durch eine Umverteilung von Flüchtlingen zunächst Italien und Griechenland zu entlasten. Also die Länder, die an den Außengrenzen der EU liegen und deshalb die Hauptlast zu tragen hatten. Ganz einfach, weil bei ihnen die Flüchtlinge zum ersten Mal EU-Boden betreten hatten und sie damit eigentlich zuständig für die Asylverfahren waren.

120.000 Personen, die unzweifelhaft internationalen Schutz benötigen, sollten innerhalb von zwei Jahren auf die anderen Mitgliedsstaaten verteilt werden - und zwar nach bestimmten Quoten, die sich aus der Größe des jeweiligen Landes ergaben. In einem ersten Schritt sollte Deutschland zum Beispiel 17.036 Menschen aufnehmen. Auf Ungarn sollten 1294 und auf die Slowakei 802 Flüchtlinge entfallen.

EuGH-Richter verweisen auf Notlage

Der EU-Rat durfte nach dem heutigen Urteil diesen Beschluss mit der Mehrheit seiner Mitglieder erlassen. Denn: Er durfte sämtliche Maßnahmen ergreifen, die notwendig waren, um wirksam und rasch auf den Zustrom von Vertriebenen zu reagieren. Die Luxemburger Richter betonten, dass dadurch eine Notlage entstanden sei und dass das EU-Recht für solche Notlagen vorläufige Maßnahmen eindeutig vorsehe. Solche Beschlüsse dürften zwar die bestehenden Regeln nicht dauerhaft außer Kraft setzen, der Beschluss war aber eindeutig auf die Dauer von zwei Jahren begrenzt.

Normalerweise gilt für die Zuständigkeit von Asylverfahren in der EU die so genannte Dublin-III-Verordnung. Vereinfacht gesagt ist danach immer der Staat für ein Asylverfahren zuständig, in dem der Flüchtling zum ersten Mal den Boden der EU betreten hat. In der Regel also die Länder an den Außengrenzen der EU.

Kein Bruch mit Dublin-Verordnung

Die Regeln der Dublin-III-Verordnung galten auch auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsstroms 2015. Das hat der Europäische Gerichtshof erst im Juli 2017 entschieden. Allerdings sagten die Richter auch: Die anderen Länder dürfen sich durchaus solidarisch zeigen und Flüchtlinge aufnehmen, für die sie eigentlich nicht zuständig sind. So wie es Deutschland in Hunderttausenden von Fällen getan hat. Diese Ausnahme, diese Solidarität, sieht übrigens die Dublin-III-Verordnung selbst vor, es handelt sich also keinesfalls um einen Bruch mit der Dublin-III-Verordnung.

In die gleiche Richtung geht auch der Beschluss zur Umverteilung von Flüchtlingen. Gerecht sollte zumindest ein Teil der Flüchtlinge verteilt werden. Das Problem: Nicht alle EU-Mitgliedsstaaten hatten dafür gestimmt. Die Slowakei, Ungarn, die Tschechische Republik und Rumänien verweigerten dem Vorschlag ihre Stimme. Und so war es quasi eine Solidaritätsbekundung per Mehrheitsbeschluss. Der Ministerpräsident der Slowakei kündigte dann auch sofort an, diesen Beschluss nicht umzusetzen.

Beschluss des EU-Rats reicht aus

Die Slowakei und Ungarn klagten dann auch am Europäischen Gerichtshof. Sie wollten, dass die Luxemburger Richter den Beschluss aus dem Herbst 2015 für nichtig erklären. Ihre Argumente: Zum einen sei der Beschluss keine geeignete Reaktion auf die Flüchtlingskrise, weil er sie nicht lösen könne und deshalb auch gar nicht erforderlich sei. Zum anderen habe der Beschluss einen gesetzgeberischen Charakter, weil er unter anderem die Dublin-III-Verordnung außer Kraft setze. Deshalb hätte man das Gesetzgebungsverfahren anstreben müssen. Ein Beschluss des EU-Rats reiche nicht aus.

EuGH in Luxemburg

Europäischer Gerichtshof in Luxemburg

Dem widersprachen die Luxemburger Richter heute eindeutig. Der Beschluss habe keinen gesetzgeberischen Charakter, gerade weil er nur vorläufig die Dublin-III-Regeln außer Kraft setzen würde und dies vom EU-Recht ausdrücklich zugelassen sei. Deshalb durfte der Rat dies auch beschließen, die nationalen Parlamente mussten nicht gefragt werden.

Die Maßnahme sei auch nicht offensichtlich ungeeignet gewesen, um Griechenland und Italien bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu entlasten. Dies sei aus dem Blickpunkt von damals und nicht etwa rückwirkend von heute aus zu beurteilen.

Nach dem heutigen Urteil müssen nun also auch Ungarn und die Slowakei Flüchtlinge nach den vorgesehenen Quoten aufnehmen.

(Az: C-643/15 und C-647/15)

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