Verstärkte militärische Kooperation der EU Gemeinsam wollen sie stark sein

Stand: 27.09.2016 11:47 Uhr

Die EU will ihre militärische Zusammenarbeit verstärken. So sieht es unter anderem eine deutsch-französische Initiative vor, über die die Verteidigungsminister derzeit beraten. Stärkster Gegner der Pläne bleiben auch nach dem Brexit-Votum die Briten.

"Papier ist geduldig", lautet ein bekanntes Sprichwort. Doch das stimmt nicht immer. Was die Verteidigungspolitik der EU betrifft, so wandern derzeit jede Menge Papiere zwischen den Hauptstädten hin und her: ein deutsch-französisches, ein italienisches, eines der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Sie alle haben ein Ziel: Europa schlagkräftiger und wirkungsvoller in Sachen Verteidigung zu machen. Und das eben nicht gemächlich. Sondern recht schnell. Auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sieht Handlungsbedarf: "Europa darf nicht länger von der alleinigen militärischen Macht und Fähigkeit einzelner Länder abhängen."

Zeit, dass die EU ihr Schicksal in die eigenen Hände nimmt

Es wird Zeit, dass die EU ihr Schicksal in die eigenen Hände nimmt - so lautet die Botschaft. Angesichts einer gewachsenen Bedrohung auch in unmittelbarer Nachbarschaft - siehe Syrien, Libyen oder Ukraine. Und auch von den EU-Einzelstaaten sind ähnliche Töne zu vernehmen: "Wir haben gesagt, dass wir mehr Zusammenarbeit brauchen - das trifft auf sehr breite Zustimmung aller im Bereich der Verteidigung", verkündete Kanzlerin Angela Merkel nach dem jüngsten EU-Sondergipfel in Bratislava.

Die Gelegenheit zur Kräftebündelung scheint so günstig wie nie: Das Thema Sicherheit liegt den Menschen laut Umfragen am Herzen. Hier will die EU nun zu punkten versuchen. Zudem scheint man auf die austrittswilligen Briten nun kaum mehr Rücksicht nehmen zu müssen. Die hatten bei jedem Versuch einer Europäisierung in Sachen Verteidigung oft gebremst - mit Verweis darauf, dass es ja bereits die NATO gebe. "Die Chancen stehen in der Tat gut, dass wir jetzt eine Beschleunigung bei der Verteidigungszusammenarbeit sehen. Allerdings konnten sich andere, skeptische Länder bislang auch hinter den Briten verstecken. Die müssen jetzt Farbe bekennen", erklärt der Politikexperte Sven Biscop vom Brüsseler Egmont-Institut im ARD-Hörfunk-Interview.

Briten lehnen "europäische Armee" ab

Die Briten bleiben bei ihrer ablehnenden Haltung - und setzen trotz ihres geplanten Austritts aus der EU auf Blockade. "Wir werden weiter jedes Vorhaben einer europäischen Armee oder eines EU-Armeehauptquartiers ablehnen". Mit diesen Worten begrüßte der britische Verteidigungsminister Michael Fallon seine EU-Ministerkollen zum Autakt des Treffens in Bratislava.

Seine deutsche Amtskollegin von der Leyen war nicht die Einzige, die sich beeilte klarzustellen, es sei ja überhaupt nicht vorgesehen, eine solche EU-Armee aufzubauen: "Im Gegenteil: Es geht darum, die unterschiedlichen Stärken der europäischen Länder besser zusammenzufassen, damit wir gemeinsam schnell handlungsfähig sind."

Kräfte bündeln ja, Verzicht auf militärische Fähigkeiten nein

In der Tat ist derzeit noch unklar, inwieweit die EU-Einzelstaaten tatsächlich bereit sind, auf eigene militärische Fähigkeiten zugunsten europäischer zu verzichten. Doch auch wenn die Linke im EU-Parlament bereits vor einem "Militarisierungsschub" in Europa warnt: Ideen, wie man Kräfte bündeln könnte, gibt es jedenfalls in großer Zahl. "Wir brauchen ein gemeinsames Hauptquartier im Herzen der Europäischen Union", fordert EU-Kommissionschef Juncker mit Blick auf all die Militärmissionen weltweit - ob im Mittelmeer, in Mali oder Somalia, die die EU bereits betreibt. Und die bislang von den Einzelstaaten aus geleitet werden. Das ist eine Forderung, die auch in dem gemeinsamen Papier aus Berlin und Paris auftaucht.

Mehr Verteidigungsausgaben als Russland

Außerdem im Gespräch: ein europäisches Sanitätskommando, mehr Zusammenarbeit bei der Satellitenaufklärung. Und eine echte EU-Rüstungsindustrie. Mehr als Russland - nämlich über 200 Milliarden Euro - würden die europäischen Einzelstaaten derzeit pro Jahr für das Militär aufwenden, rechnet der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok, im ARD-Hörfunkinterview vor: "Aber das Ergebnis ist ein Desaster, weil wir Geld verschwenden."   

Unabhängig davon, wie weit die Versuche der EU gehen werden, in Sachen Sicherheit und Verteidigung europäischer zu werden - von einer echten EU-Armee ist man noch weit entfernt. Auch wenn der Begriff in der Debatte zuletzt wieder häufiger auftauchte, bekunden Offizielle, dass dieses Projekt wohl eher eine Sache von Jahrzehnten als von Jahren sei. Wenn überhaupt.

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