Proteste in Teheran

Proteste im Iran Kann die EU vermitteln?

Stand: 03.01.2018 11:35 Uhr

Die EU hat als Vermittler 2015 den Atomvertrag mit dem Iran ermöglicht. Die Verhandlungsführer von einst sind heute auf beiden Seiten in Schlüsselpositionen. Können sie auf die aktuelle Situation im Iran Einfluss nehmen?

Die Europäische Union ist für die Regierung in Teheran der wichtigste Verbündete. Denn die EU hat entscheidend dafür gesorgt, dass nach jahrelangen Verhandlungen und heftigem Streit im Juli 2015 der Atomvertrag mit dem Iran zustande kam. Jener Vertrag zwischen Teheran auf der einen Seite und den ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates plus Deutschland auf der anderen - also den Regierungen in Washington, Moskau, Peking, London, Paris und Berlin.

Nur die EU als Vermittler habe die Herkulesaufgabe stemmen können, zwischen den in der Iran-Frage zerstrittenen ständigen Mitgliedern des UN- Sicherheitsrates und Teheran zu vermitteln, sagt jene Frau, die einen großen Teil des Vertrages geschrieben hat. Jenen Atom-Deal, der zunächst für viel Hoffnung gerade unter jungen Iranern sorgte.

Rouhani war ein Glücksfall für den Atomdeal

Die Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Helga Schmid

Helga Maria Schmid kennt Irans heutigen Präsidenten Rouhani noch sehr gut von den Atom-Verhandlungen.

Helga Maria Schmid, deutsche Top-Diplomatin und Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, EAD, hat jahrelang mit den Machthabern in Teheran um jeden Buchstaben des Iran-Nuklear-Vertrages gerungen. Sie war zuständig für "die konkrete Textarbeit, die konkreten Textverhandlungen. Wir haben ja über 100 Seiten Text produziert".

Schmid gilt in der EU als besonders kundige Iran-Expertin mit den besten Kontakten zum Machtapparat in Teheran. Vor allem zu dem Mann, der während der jetzigen Unruhen vergleichsweise moderate Töne anschlägt: zu Irans wiedergewähltem Präsidenten Hassan Rouhani. Denn die EU-Diplomatin Schmid hat Rouhani zwei Jahre lang gegenüber gesessen: Rouhani war ihr Verhandlungspartner und Gegenspieler beim Ringen um den Atomvertrag, bevor er Präsident des Iran wurde. Rouhanis Karrieresprung sei ein Glücksfall für den Atomdeal gewesen, betonte Schmidt nach der Unterzeichnung des Vertrages im Juli 2015 gegenüber dem ARD-Europamagazin: "Wir haben richtig seriös erst verhandelt, als Rouhani Präsident wurde."

Irans Präsident Hassan Rouhani

Irans Präsident Hassan Rouhani schlägt während der jetzigen Unruhen moderate Töne an.

Hoffnungen wurden nicht erfüllt

Ohne Rouhani kein Atomvertrag und ohne Rouhani keine Versprechungen für eine bessere iranische Zukunft ohne UN- und EU-Sanktionen. Versprechungen, die vor allem bei jungen Iranern Hoffnungen weckten. "Er ist ja mit dem Versprechen angetreten, die Sanktionen loszuwerden", sagte Schmid.

Nicht nur die USA haben mit ihren Sanktionen gegen Teheran Rouhani einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Der Abbau der EU- und der UN-Sanktionen kann laut Atomvertrag bis Oktober 2023 dauern.

EU-Unternehmen haben Angst vor US-Reaktion

Hinzu kommt, dass der Iran vom internationalen Bankensystem abgekoppelt ist. Wer versucht, per IBAN-Code Geld nach Teheran zu überweise, der scheitert. Auch Anbieter für weltweite Bargeldüberweisungen wie Western Union, MoneyTransfer oder MoneyGram lehnen jeden Geldtransfer in den Iran ab. Und zahlreiche Unternehmen in der EU, die eigentlich gerne Geschäfte im Iran machen würden, hätten Angst, betont der Iran-Experte Ervant Abrahamian von der New York University gegenüber dem TV-Sender Bloomberg: "Es gibt Bedenken, wie die Trump-Regierung reagieren würde, falls man im Iran investiert."

Zwar fördert der Iran dank des von der EU vermittelten Atomdeals und des darin festgelegten Abbaus der nuklearbezogenen EU- und UN-Sanktionen wieder deutlich mehr Öl als vor der Einführung der Strafmaßnahmen 2011 - auch das Bruttoinlandsprodukt ist laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds gestiegen. Dennoch liegt die Durchschnittsarbeitslosigkeit im Iran bei über zwölf Prozent. Und sie betrifft vor allem Jugendliche.

Iran war kurz vor Atombombe

Die Hoffnung der EU, ihrer Außenbeauftragten Federica Mogherini und vor allem ihrer Top-Diplomatin Schmid, der Atomvertrag werde dem Iran eine ganz neue Zukunftsperspektive eröffnen, konnte sich bisher nicht erfüllen. Dennoch war der Atomvertrag nach Auffassung von Mogherinis wichtigster Iran-Expertin existentiell notwendig. "Wie nahe war der Iran eigentlich an der Atombombe?" Auf diese Frage des damaligen Brüsseler ARD-Korrespondenten Rolf-Dieter Krause antworte EU-Diplomatin Schmid vor gut zwei Jahren: "Viel zu nahe."

Rouhani in Teheran und Schmid in Brüssel - dieses ungleiche Duo hat während der Atomkrise die Situation entschärft. Inwieweit die EU in der jetzigen Situation auf Teheran einwirken kann, bleibt abzuwarten.

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