Einigung der EU-Innenminister zur Flüchtlingsquote Auf die harte Tour

Stand: 22.09.2015 23:08 Uhr

Die EU-Innenminister haben entschieden: 120.000 Flüchtlinge sollen in der EU verteilt werden. Doch so richtig Freude kommt über die Einigung nicht auf. Vier osteuropäische Länder leisteten heftigen Widerstand - und wurden überstimmt.

Als habe man diesen Sieg den "Klauen der Niederlage" entrissen - so fühlte es sich für den Vize-Chef der EU-Kommission an, bekundete Frans Timmermans nach Tagen einer zermürbenden Debatte über die Verteilung von Flüchtlingen.

Doch nicht nur die Verteilungsdebatte in Europa - auch die Diskussion darüber, ob der Beschluss wirklich ein Sieg, oder nicht vielmehr eine herbe Niederlage für die EU ist, wird jetzt erst so richtig losgehen. Denn von Einigung kann keine Rede sein. Per Abstimmung - was ungewöhnlich ist - und gegen den Widerstand von vier Staaten - Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Rumänien - hatten die EU-Minister die Entscheidung durchgedrückt.

"Wir befinden uns in einer Notsituation"

"Einige Menschen werden jetzt sagen: Europa ist gespalten. Weil die Entscheidung nicht einstimmig fiel", so der Luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. "Aber wir befinden uns in einer Notsituation.  Der EU wird vorgeworfen, nicht schnell genug zu entscheiden. Wenn wir das jetzt nicht getan hätten, wäre Europa noch gespaltener, die Glaubwürdigkeit hätte noch mehr gelitten."

Und dem deutschen Innenminister Thomas de Maizière war es wichtig zu betonen, dass Polen der Entscheidung zugestimmt habe. Es war den Befürwortern einer gerechteren Flüchtlingsverteilung also gelungen, den deutschen Nachbarn Polen dem Kreis der Widerständler zu entreißen.

Die Slowakei will sich nicht an das "Diktat" halten

Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, ob man diejenigen, die Nein sagten zum Flüchtlingskompromiss, gewissermaßen zwingen kann, sich nun auch wirklich solidarisch zu verhalten.

"Alle diese Länder haben gesagt das die das Ergebnis der Abstimmung respektieren", betont Frans Timmermans. "Ich habe ja extra noch mal erklärt, dass es völlig egal ist, wer wie abgestimmt hat, sobald eine Entscheidung getroffen ist. Und alle am Tisch haben dem zugestimmt."

Wie das damit in Einklang zu bringen ist, dass der slowakische Regierungschef umgehend verkündete, er werde sich keinesfalls an das halten, was er ein "Diktat" nannte, wird sich zeigen.

Deutschland wird 30.000 Flüchtlinge aufnehmen

Jedenfalls ist nun beschlossene Sache, dass 120.000 Flüchtlinge, die sich bereits mehrheitlich in Griechenland und Italien befinden, auf die anderen EU-Staaten verteilt werden. Deutschland wird etwas mehr als 30.000 von ihnen aufnehmen. Ziemlich schnell wieder zu den Akten gelegt wurde ein Vorschlag, demzufolge sich Länder von der Verteilung gewissermaßen hätten freikaufen können.

Anders als von Berlin, Brüssel und anderen Hauptstädten gewollt, hat die EU jetzt keinen festen Verteilungsschlüssel beschlossen, der in Zukunft Anwendung finden soll. Die sogenannte Quote ist - im Moment jedenfalls - nicht durchsetzbar. Kritiker bemängeln daher, Europa würde der Wirklichkeit hoffnungslos hinterherhinken.

Pro Tag klopfen derzeit 6000 Flüchtlinge an die europäische Tür. Doch mehr als ein vorsichtiges Trippelschrittchen hin zu mehr Solidarität scheint angesichts der Zerstrittenheit derzeit nicht möglich zu sein. Was man beschlossen habe, sei ein wichtiger Baustein, mehr nicht, meint de Maizière.

Nun sind die Staats- und Regierungschefs an der Reihe

Nach den Innenministern sind nun also die Staats- und Regierungschefs an der Reihe: Die wollten bei ihrem Abendessen am Mittwoch in Brüssel keinesfalls das Streitthema Verteilung serviert bekommen. Sondern sich eher der Frage widmen, wie man die bessere Versorgung der Flüchtlingslager auch mit Nahrungsmitteln gewährleisten, oder Ländern wie der Türkei stärker helfen kann, damit sich die Menschen gar nicht erst auf den Weg machen.

Darüber gibt es weniger Streit. Ob die Innenminister mit ihrem Mehrheitsbeschluss Merkel und Co allerdings das Leben wirklich einfacher gemacht haben, wie die Kommission meint, ist fraglich.