Verteilung der Flüchtlinge in der EU Juncker gegen die Quoten-Gegner

Stand: 09.09.2015 09:00 Uhr

Mit der Quoten-Idee zur Verteilung von Flüchtlingen ist die EU-Kommission vor einigen Monaten schon einmal gescheitert. Seitdem ist viel passiert. Jetzt unternimmt Kommissionschef Juncker einen neuen Anlauf. Er hat starke Unterstützer - aber auch Gegner.

Ob freiwillig oder unfreiwillig - nur wenige Stunden vor dem großen Auftritt von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und dessen Enthüllung der Brüsseler Flüchtlingspläne, führten die Vereinten Nationen den Europäern noch einmal die Dringlichkeit zu handeln vor Augen: Die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien nämlich könnte demnächst dramatisch zunehmen, warnte der UN-Sondergesandte für die Region: "Der Konflikt tobt seit fünf Jahren. Und die Syrer sind gefangen im Kreuzfeuer - von den Fassbomben der Regierung einerseits, den Raketen der Opposition andererseits und dem Schrecken, den der 'Islamische Staat' verbreitet", so Staffan de Mistura. Die Menschen würden schlicht die Hoffnung verlieren.

Was die EU-Kommissionspläne angeht, so sickerte bereits durch, dass insgesamt 160.000 Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden sollen. Viele davon sind Syrer, die sich bereits in Ungarn, Griechenland und Italien befinden. Die Kommission bestätigte die Berichte offiziell nicht. EU-Beamte, die ungenannt bleiben wollten, halten diese Zahlen und Fakten jedoch für glaubwürdig. Demnach würde Deutschland etwa ein Viertel der 160.000 Flüchtlinge aufnehmen, also rund 40.000.

Freikaufen ist möglich

Die Grenzöffnung für Schutzsuchende in den vergangenen Tagen stieß international auf viel Lob. Und auch EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos meinte: "Die großzügigen Gesten von Österreich und Deutschland, Flüchtlinge wegen der Notsituation in Ungarn willkommen zu heißen, sind ein Beispiel für europäische Menschlichkeit und Solidarität."

Feste Verteilquoten für Flüchtlinge stoßen innerhalb der EU jedoch auf Widerstand, vor allem in einigen osteuropäischen Ländern. Die rechtsnationale Orban-Regierung in Ungarn versucht die EU nun damit zu locken, dass sie ja den neuen Plänen zufolge Flüchtlinge an andere Staaten abgeben könnte.

Zudem erwägt die Kommission, Staaten zeitweise von der Umverteilung zu befreien, wenn die "berechtigte" Gründe vorweisen können. Die müssten sich davon allerdings in gewisser Weise "freikaufen". Abgesehen davon könnten die Verweigerer auf einem EU-Ministertreffen überstimmt werden, zumindest theoretisch.

"Für einen dauerhaften Umverteilungs-Mechanismus bräuchte die Kommission die Zustimmung des Parlaments. Und eine qualifizierte Mehrheit von den Ministern der EU-Einzelstaaten", erinnerte Kommissionssprecherin Natasha Bertaud.

Ost-West-Konflikt der anderen Art

Da mittlerweile eine breite Allianz von Berlin über Paris bis Rom für eine faire Umverteilung geschmiedet ist, dürfte eine Mehrheit kein Problem sein. Doch es ist fraglich, ob die EU, die eigentlich auf einstimmige Beschlüsse setzt, sich das antut. Und damit das verschärft, was einige schon den "Ost-West-Konflikt ganz anderer Art" nennen.

Unklar ist auch, ob sich die EU-Länder auf eine gemeinsame Liste sogenannter sicherer Drittstaaten einigen werden, die Brüssel nun vorlegen will. Eine weitere Frage lautet: Wer garantiert, dass die Flüchtlinge - angesichts offener Grenzen in Europa - in dem Land bleiben, dem sie zugeteilt werden? Kommissionssprecherin Bertraud stellte klar: "Wenn ein Flüchtling, der in Italien angekommen ist, etwa nach Polen weiterverteilt wird, dann hat er nicht unbedingt das Recht, sich frei zu bewegen oder woanders hin umzuziehen in der EU. Wenn die Person das versucht, kann sie nach Polen zurückgeschickt werden."

Noch sind viele Fragen offen. Aber fest steht: In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob Europa auch wirklich eine europäische Antwort auf die dramatische Situation der Flüchtlinge findet.