Streit um dänische Grenzkontrollen Die EU lässt die Muskeln spielen
Die wieder eingeführten Grenzkontrollen der Dänen erhitzen seit Wochen die Gemüter - jetzt allerdings umso mehr, da EU-Experten bei einer Ortsbesichtigung keine Rechtfertigung entdecken konnten. EU-Binnenkommissarin Malmström drohte deshalb mit rechtlichen Schritten. Aus Deutschland kam nur moderate Kritik.
Der Streit zwischen der EU und Dänemark um neue Grenzkontrollen spitzt sich zu: Laut EU-Kommission waren Ende vergangener Woche Experten aus Brüssel in Dänemark, um sich die Maßnahmen anzuschauen. Eine hinreichende Rechtfertigung für die verstärkten Kontrollen hätten sie von den dänischen Behörden aber nicht erhalten, kritisierte EU-Binnenkommissarin Cecilia Malmström. Die Beamten kritisierten zudem organisatorisches Chaos. Ergebnisse der Kontrollen würden nicht systematisch ausgewertet.
Die EU lässt daher die Muskeln spielen und droht erneut mit rechtlichen Schritten. "Die Kommission wird nicht zögern, alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr zu garantieren", sagte Malmström. Brüssel erwäge gegen Dänemark eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung der EU-Verträge und des Schengen-Vertrags.
Dänemark spricht von gutem Dialog mit der EU
Das für den Zoll zuständige Steuerministerium Dänemarks wollte die Kritik der EU-Kommission nicht kommentieren. "Die betroffenen Behörden sind der Auffassung, dass sie in einem guten Dialog mit der Kommission stehen", hieß es. Der konstruktive Dialog werde fortgesetzt.
Dänemark hatte Anfang Juli damit begonnen, an den Grenzen zu Deutschland und Schweden wieder stichprobenartig zu kontrollieren. Kopenhagen begründete den Schritt mit dem Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität. Die Wiederaufnahme der Kontrollen wurde von heftiger Kritik begleitet - unter anderem aus Deutschland.
Moderate Kritik der Bundesregierung
Auch jetzt meldete sich die Bundesregierung noch einmal zu Wort - wenn auch moderat. Innenminister Hans-Peter Friedrich sagte beim Treffen mit seinen EU-Amtskollegen im polnischen Sopot: "Das Signal, das Dänemark ausgesendet hat, ist nicht optimal." Es habe den Verdacht genährt, dass der Schengen-Vertrag ausgehöhlt werden sollte. Nach seinen ersten, vorläufigen Informationen lägen die Kontrollen jedoch im Rahmen des geltenden Rechts. Frankreichs Europaminister Jean Leonetti warnte zudem vor einer Stigmatisierung der Dänen.
Die Landgrenzen dieses Schengen-Raums mit mehr als 400 Millionen Einwohnern sind mehr als 7700 Kilometer lang, die Seegrenzen knapp 42.700 Kilometer. An den Grenzen zwischen den Schengen-Staaten werden Reisende nur noch in Stichproben oder bei besonderen Ereignissen kontrolliert.
Nach Artikel 23 des Schengener Grenzkodex kann ein Mitgliedsland "im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" für einen begrenzten Zeitraum an seinen Grenzen ausnahmsweise wieder Personen kontrollieren. Die Maßnahmen dürfen höchstens 30 Tage dauern oder so lange, wie die "schwerwiegende Bedrohung" andauert. Die Schengen-Staaten nutzten diese Klausel zum Beispiel, um vor großen Sportveranstaltungen oder Gipfeltreffen Reisende zu kontrollieren.
Artikel 26 lässt notfalls auch eine Verlängerung der Kontrollen auf bis zu zwei Jahre zu, wenn "anhaltende schwerwiegende Mängel bei den Kontrollen an den Außengrenzen" das Funktionieren des Schengenraums insgesamt gefährden. Im Falle der Flüchtlingssituation in Griechenland muss die EU jetzt ausdrücklich feststellen, dass die Sicherung der EU-Außengrenzen auch nach den ersten 30 Tagen mit Grenzkontrollen nicht funktioniert. Sollten die EU-Länder der Meinung sein, dass die EU-Außengrenzen nicht gesichert sind, kann die EU dem Antrag Griechenlands zur Verlängerung von Grenzkontrollen stattgeben.
Brüssel befürchtet Verstoß gegen Schengen-Abkommen
Brüssel fürchtet aber, dass Dänemark gegen die Regeln des Schengen-Abkommens verstößt, das 1985 eine nie gekannte Reisefreiheit geschaffen hatte. Heute gehören dem Abkommen 25 Staaten an, darunter 22 EU-Länder sowie Norwegen, Island und die Schweiz. An den Grenzen dieser Staaten werden Reisende nicht mehr kontrolliert. Ausnahmen gelten nur bei Großereignissen wie Fußballspielen.
Eine Änderung oder Ergänzung des Schengen-Vertrages scheint unter den 27 Ländern nicht mehrheitsfähig zu sein. Die Blockierer werden von Spanien sowie Polen, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, angeführt, berichteten EU-Diplomaten. Frankreich sei im Rat mit seiner Forderung nach einer Textänderung isoliert. Bundesinnenminister Friedrich sagte: "Es fürchten viele, dass man Rückschritte erreicht, wenn man etwas am Schengen-Vertrag ändert. Ich sehe das nicht so, das muss man diskutieren." Als Alternative zu neuen Grenzkontrollen befürwortet die Mehrheit der EU-Staaten, die Grenzen besser zu sichern und Leitlinien zur Anwendung des Vertrages aufzustellen.