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reportage

Brasilien Wo die BRICS schon Straßen bauen

Stand: 23.08.2023 15:03 Uhr

Mehr Geltung in der Weltpolitik, weniger Vorschriften: Dazu wollen die BRICS-Staaten einander verhelfen. Die Stadt Curitiba in Brasilien modernisiert mit ihren Geldern gerade die Infrastruktur - und der lokale Stadtplaner ist begeistert.

Die Straße flimmert vor Hitze, als der neue Asphalt glattgewalzt wird. Gerade entsteht eine neue Zufahrtsstraße in Curitiba, einer Stadt mit 1,8 Millionen Einwohnern im Süden Brasiliens. In drei Jahren soll die neue Ost-West-Trasse im öffentlichen Nahverkehr fertig gebaut sein, die für die Stadt und ihre Pendler von großer Bedeutung ist: Sie sollen schneller an ihr Ziel kommen, CO2-neutral, mit Elektrobussen und Solaranlagen auf den Dächern der Busterminals.

93 Millionen Dollar kostet das Projekt, 75 Millionen davon übernimmt die Förderbank der BRICS-Staaten - einer Union der bevölkerungsreichsten Staaten der Welt, die ein Gegengewicht zu den G7-Staaten sein wollen.

"Nur ein Jahr hatte es gebraucht, das Projekt durchzuwinken, das ist Rekord", sagt Luis Fernando Jamur, Bauingenieur am Institut für Stadtplanung und Forschung. Er ist begeistert von dem Vergabeverfahren: "Andere Fördergelder aus Europa oder der Interamerikanischen Bank brauchen drei bis vier Jahre. Es gibt einfach weniger bürokratische Hürden und wir können unsere brasilianischen Regeln und Systeme anwenden, das macht alles so viel einfacher und so viel günstiger."

Jamurs sprudelt vor Ideen für neue Projekten, die das Leben der Menschen in Curitiba voranbringen könnten. Zur Umsetzung ist er allerdings auf Fördergelder angewiesen. Die Förderbank der BRICS-Staaten hat noch lange nicht das Gewicht und Potential anderer Sponsoren, aber sie ist da und das eröffnet neue Möglichkeiten.

"Diese Partnerschaft ist extrem wichtig für alle Städte in Brasilien, und für uns war das hier spielentscheidend", sagt er. "Wir wollen unsere Partnerschaft mit BRICS ausbauen. Wir werden hundertprozentig neue Projekte vorstellen.

Lula betont Brasiliens Souveränität

Schnellen Schrittes geht es zum alten Busterminal, das schon bald Geschichte sein soll. Mehr als 20 Kilometer werden ausgebaut, 34 Stationen und drei Terminals renoviert und zwei weitere neu gebaut. Die neue Strecke wird mehr als 20 Minuten schneller bewältigt werden können, als die alte. Und mit dem umweltfreundlichen Konzept will Brasilien seinen Beitrag leisten, die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Jamur hat eine klare politische Haltung: Er findet es richtig, dass Brasilien und die BRICS-Staaten eine größere Rolle in der Weltpolitik beanspruchen. "Wir sind Länder mit kontinentaler Größe und wir verdienen einen entsprechenden Platz in der Welt. Dass wir die Kräfte vereinen und verstärkt zusammenarbeiten sorgt dafür, dass das wir an den Verhandlungstischen der Welt stärker sind und dass wir den Platz einnehmen, der uns zusteht."

Damit ist Jamur ganz auf der Linie der brasilianischen Regierung. Seit dem Amtsantritt von Präsident Lula da Silva im Januar demonstriert das Land ein ausgesprochenes Selbstbewusstsein gegenüber seinen Partnern in der Welt, ganz besonders der westlichen Welt. Einen pflichtgetreuen Schulterschluss mit dem Westen lehnt der Präsident trotz kultureller Nähe zu den USA und Europa ab. Er betont dafür die Souveränität der Länder, dass die Welt multipolar sei und eine Wertegemeinschaft eine andere nicht dominieren dürfe.

China als wichtigster Handelspartner

Seit dem Krieg in der Ukraine und der Notwendigkeit, sich neue Energiequellen zu erschließen, sucht Europa massiv die Nähe zu Südamerika, wirbt um das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen. Es wäre das größte Freihandelsabkommen der Welt.

Gemeinsamer Handel schafft Nähe. Die EU bietet eine neue Freundschaft, verfällt dabei aber - aus brasilianischer Perspektive - in alte Muster: Sie stellt hohe Anforderungen für den gemeinsamen Handel und droht mit Sanktionen, wenn sich Brasilien nicht an deren Regeln hält.

Das ist nicht die Augenhöhe, die sich Lula da Silva vorstellt, wie er auch jetzt beim Treffen der BRICS-Staaten betont: "Wir können keinen Neokolonialismus akzeptieren, der uns im Handel beschränkt und diskriminierende Forderungen stellt unter dem Vorwand einer nachhaltigen Umweltpolitik."

Längst ist China mit Abstand Brasiliens wichtigster Handelspartner. Ein Drittel der brasilianischen Exporte geht nach China, das ist mehr als in die USA und Europa zusammen. Neue Handelsverträge werden hier schnell geschlossen. China stellt wenig Bedingungen. Politisch ist man sich einig darin, dass eine Dominanz des Westens unerwünscht ist.

Bedeutungsverlust Europas als Partner

Der Staatenbund BRICS sei lange von Europa unterschätzt worden, sagt Oliver Stuenkel, politischer Analyst der Getulio Vargas Stiftung in Sao Paulo. Nun sind natürliche Ressourcen weltweit gefragt. Brasilien hat einige davon und wird von China freundlich hofiert, erhält die Anerkennung und Achtung, die es sich wünscht. Europa müsse aufpassen, nicht weiter an wirtschaftlicher Bedeutung zu verlieren wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten, meint Stuenkel.

Denn auch wenn Europa weiter sehr attraktiv sei, die Machtbalancen verschieben sich: "Es ist nicht so, dass Brasiliens Präsident Lula antiwestlich ist, aber es gibt die Wahrnehmung, dass Partnerschaften mit dem Westen in Zukunft eher weniger relevant sein werden. Und es gibt auch den Eindruck, dass der Westen Lateinamerika nicht so wertschätzt, wie beispielsweise China das tut."

Bauingenieur Jamur geht es vor allem darum, das Leben der Menschen zu verbessern. Dazu leistet die Ost-West-Trasse in Curitiba aus seiner Sicht einen Beitrag - die ohne das Geld der BRICS-Entwicklungsbank nicht gebaut würde.

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